In dieser Selbsthilfegruppe erlebt man Ungewöhnliches. Ein 17-Jähriger, der sich wie ein Hochbetagter zitternd am Stock fortbewegt. Und ein 82-Jähriger, der launisch ist wie ein Heranwachsender. Chronischer Schmerz kann alle treffen, auch Jugendliche – und beeinträchtigt das Leben so sehr, dass auch immer wieder Wut und Frust aufkommen können. In der Schweiz ringen mehr als 1,3 Millionen Menschen mit chronischem Schmerz. Chronisch krank «Der Schmerz macht mich fertig»

Eigentlich dient Schmerz dem Schutz des Körpers. Er löst Reflexe aus, die vor ernsten Verletzungen bewahren – etwa das Wegziehen der Hand von der heissen Herdplatte. Er setzt Hormone Anti-Aging Die Rolle der Hormone wie Adrenalin frei, die in einer gefährlichen Situation entscheidend sein können. Und er signalisiert, dass man über die potenzielle Gefahr nachdenken und eine Lösung suchen sollte. Wenn der Schmerz allerdings länger als drei Monate anhält, gilt er als chronisch – und aus einem überlebenswichtigen Helfer wird Leid.

Chronischer Schmerz kann das Leben einschränken, beruflich und privat. Mit Freunden ausgehen: für viele Betroffene unmöglich. Sport: häufig mit zu viel Leiden verbunden. Halt finden Betroffene unter anderem in Selbsthilfegruppen. Hier stellen viele erst einmal fest: Sie sind nicht allein.

«Es war ein unglaubliches Gefühl, als ich mich in der Gruppe das erste Mal richtig verstanden gefühlt habe», sagt Rojul Lüthi. Nach einer Operation ist er seit 2015 von chronischem Schmerz betroffen. Lüthi leitet die Selbsthilfegruppe im Raum Wil SG. 

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Die Weltgesundheitsorganisation unterscheidet zwischen primärem und sekundärem chronischem Schmerz. Der sekundäre kann auf Erkrankungen und Verletzungen oder auf deren Behandlung zurückgehen. So entwickeln beispielsweise rund 20 Prozent der Patienten, die sich einer Leistenbruch-Operation unterziehen, chronische Schmerzen. Dagegen geht dem primären chronischen Schmerz kein offensichtlicher Auslöser voraus – etwa wie bei der Migräne.

Dabei spielt genetische Veranlagung eine Rolle. Aber auch eine schwierige soziale und wirtschaftliche Situation oder traumatische Kindheitserlebnisse können eine Neigung zum chronischen Schmerz begünstigen. «Weil negative Lebenserfahrungen die Widerstandskraft – die Resilienz – des Körpers und der Psyche schwächen können», sagt Jürg Schliessbach vom Schmerzambulatorium am Unispital Zürich. «Der eine erholt sich ohne Probleme, der andere entwickelt chronischen Schmerz.»

In die Schmerzsprechstunde

Betroffene sollten zunächst mit der behandelnden Ärztin oder dem Hausarzt Tricksende Mediziner So überprüfen Sie, ob Ihr Arzt ohne Bewilligung arbeitet sprechen, empfiehlt Schliessbach. «Viele Schmerzzustände haben klar definierte Ursachen, bei denen diese Ansprechpartner exzellent weiterhelfen können», so der Oberarzt. Danach kann man sich bei komplexeren Ursachen zur speziellen Schmerzsprechstunde melden. «Wir stellen zahlreiche Fragen, die helfen, mögliche Ursachen und Behandlungsansätze zu identifizieren», so Schliessbach.

Bei Rückenschmerzen könne man gezielt einzelne Zwischenwirbelgelenke betäuben. «Wenn der Schmerz verschwindet, haben wir den Ursprung gefunden – und können den problematischen Nerv mit Hitze oder Kälte veröden», sagt Schliessbach.

Allerdings: Die Schmerzen zu beheben, ist nicht immer einfach, selbst wenn die Ursache gefunden ist. «Nicht jeder Nerv kann verödet werden.» Etwa weil er für die Fortbewegung wichtig ist. Dann suchen Schliessbach und seine Kollegen nach anderen Wegen. 

Schmerz unter Kontrolle halten

Manche Schmerzen werden über lediglich drei Nervenzellen geleitet: von der schmerzenden Körperstelle zum Rückenmark, vom Rückenmark ins Gehirn und von dort in die Grosshirnrinde. Klingt einfach – trotzdem umfasst jede Behandlung mehrere Elemente. Sie kann chirurgische Eingriffe, Medikamente, Physiotherapie und Psychotherapie Psychotherapie Wer kann mir durch die Krise helfen? beinhalten.

Für einige Betroffene zieht sich die Behandlung über Jahrzehnte hin. Für sie ist das Ziel nicht mehr, die Ursache des Schmerzes zu beseitigen. Sondern das Leid so weit unter Kontrolle zu halten, dass es den Alltag möglichst wenig beeinträchtigt. Psychologische Begleitung ist dabei eine wichtige Stütze. Denn rund 50 Prozent der Betroffenen entwickeln eine Depression. «Der stete Schmerz kann zermürben», sagt Rojul Lüthi. «Manchmal kommt man dem Verzweifeln nahe.» Rund jeder fünfte Betroffene denkt gar über Suizid nach. Psychologische Unterstützung kann den Durchhaltewillen stützen.

Lüthi betont auch, wie wichtig die Selbsthilfegruppe ist. «Sie ist kein Ort des Jammerns und des Selbstmitleids. Wir haben dank der Gruppe wieder ein soziales Leben, erfahren hier Rückhalt und helfen einander.» 

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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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