Der Widerstand formierte sich blitzschnell, als SP-Bundesrat Beat Jans Anfang 2025 bekanntgab, die Schweiz solle aus internationalen Adoptionen aussteigen. Organisiert und orchestriert wurde die Opposition von Adoptiveltern und kirchlichen Kreisen. Allen voran wehren sich die Nationalräte Stefan Müller-Altermatt und Nik Gugger dagegen, dass die internationale Vermittlung von Kindern ein Ende hat. 

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Müller-Altermatt (Mitte/SO) erwähnt bei jeder Gelegenheit, dass er und seine Frau sich ein Kind mit Trisomie 21 wünschten. Sie hätten schliesslich ein solches aus Armenien adoptieren können und ihm hier eine Zukunft ermöglicht. Gugger (EVP/ZH), einst aus Indien in ein christlich-evangelisches Milieu im Bernbiet adoptiert, macht sich selbst zum Beispiel einer gelungenen Integration. Befürworter internationaler Adoptionen stilisieren Gugger zum Musterfall. Als gäbe es ihn ohne seine Adoption in die Schweiz gar nicht.

Adoptionen unter fragwürdigen Umständen

Der Unterton ist immer derselbe: Dank des humanitären Engagements von Schweizer Paaren erhalten arme Kinder eine schöne Zukunft. Klingt einleuchtend. Aber: Von den Müttern in Brasilien, Chile, Sri Lanka, Indien, Südkorea und anderen Ländern, die ihre Babys weggaben oder weggeben mussten, spricht kaum jemand. Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen machte längst deutlich, dass die Adoptionen aus anderen Ländern in den allermeisten Fällen unter höchst fragwürdigen Umständen zustande gekommen waren. 

In vielen Fällen fehlten Zustimmungserklärungen der Eltern, waren Geburts- oder Adoptionsdokumente gefälscht oder entschieden Gerichte in den Herkunftsländern gegen Bezahlung. Und: Viele Babys, die in den Dokumenten als Waisen bezeichnet wurden, hatten sehr wohl lebende leibliche Eltern. Nur war es so für die Vermittler einfacher, künftigen Adoptiveltern weiszumachen, dass sie einem Kind eine Familie und eine bessere Zukunft schenken würden.

Schweizer Behörden waren informiert

Schweizer Behörden verstiessen bei Adoptionen oft gegen gesetzliche Vorgaben. Mehr noch: Viele waren über die Machenschaften fragwürdiger Adoptionsvermittler im Bild. Schweizer Diplomaten rapportierten immer wieder Vorkommnisse in den Herkunftsländern nach Bern. Und nichts passierte.

Diese illegalen Praktiken sind kein Missstand aus der Vergangenheit. Heute leben in der Schweiz mehrere Tausend Personen, die unter irregulären Umständen aus ihren biologischen Familien und ihrem kulturellen Umfeld herausgerissen wurden. Diese Fälle sind nicht abgeschlossen. 

Viele leiden bis heute unter Traumata und Identitätsverlust. Viele stehen auch in einem riesigen Loyalitätskonflikt zu ihren Adoptiveltern. Dazu kommt: Sie haben nur eine kleine Chance, jemals herauszufinden, wer ihre leiblichen Eltern sind. Doch genau das wäre ihr Recht.

Nationalrat setzt Prioritäten bei Adoptiveltern

Vor diesem Hintergrund ist der Entscheid des Nationalrats nur schwer nachzuvollziehen. Das Parlament setzt in dieser Frage die Prioritäten offensichtlich nicht bei den Kindern, die aus ihrem familiären und kulturellen Umfeld gerissen wurden. Auch nicht bei den Müttern, die unter unklaren Bedingungen ihre Kinder weggaben. Die Mehrheit des Parlaments zeigt mit dem Entscheid vor allem Verständnis für Schweizer Ehepaare mit unerfülltem Kinderwunsch. 

Die Frage, wie die Schweiz künftig sicherstellen will, dass solche Verfehlungen nie mehr geschehen, bleibt unbeantwortet. Ebenso offen ist, wie Bund und Kantone Betroffene wirksam bei ihrer Herkunftssuche unterstützen. Die Angebote bestehen bisher mehr oder weniger nur auf dem Papier. So verstreicht wertvolle Zeit – Zeit, die adoptierte Personen benötigen, um ihre inzwischen betagten Angehörigen vielleicht noch zu finden. Denkwürdig: Bund und Kantone tun nichts, um dies in absehbarer Zukunft zu ändern.
 

Quellen