Sie sind jung, steinreich – und im Fokus der Juso
Die jungen Reichen auf der «Bilanz»-Liste sind meist Erben. Wird die Juso-Initiative zur Erbschaftssteuer Ende November angenommen, werden sie zur Kasse gebeten.

Veröffentlicht am 31. Oktober 2025 - 16:15 Uhr

Die junge Geldelite – der vererbte Superreichtum
Marc Lemann, 34, und Nathalie Albin-Jacobs, 39, sind die Reichsten unter den Jungreichen. Das zeigte eine Rangliste der Zeitschrift «Bilanz» im Mai.
Marc Lemann besitzt zwischen 3 und 3,5 Milliarden Franken, Nathalie Albin-Jacobs zwischen 1 und 1,5 Milliarden Franken. Gemeinsam führen sie die Liste der 100 (erfolg)reichsten Menschen unter 40 Jahren an. Als Erben.
Im Fokus der Jungsozialisten
Doch Superreiche wie Lemann oder Albin-Jacobs sollen bald nur noch rund halb so viel erben. Das fordert zumindest die Juso-Initiative mit dem Titel «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert».
Am 30. November wird abgestimmt. Die Forderung: Der Bund führt eine Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 Prozent ein – aber nur bei Beträgen über 50 Millionen Franken. Die neuen Steuereinnahmen müssen dem Klima zugutekommen.
Eine Rechnung mit Unbekannten
Konkret hiesse das: Beträgt der Nachlass einer verstorbenen Person beispielsweise 1 Milliarde Franken, müssen davon 950 Millionen Franken zu 50 Prozent versteuert werden. Die Folge: Die Erben erhielten 475 Millionen Franken weniger, das Klima 475 Millionen Franken mehr. Die Rechnung stimmt aber nur, wenn der Milliardär vor seinem Tod nicht die Schweiz verlässt, um die Steuer zu umgehen.
Die Initiative zielt auf superreiche Erben. Davon gibt es zwar nicht wahnsinnig viele in der Schweiz. Aber die, die es gibt, haben wahnsinnig viel Geld.
Superreich durch Erbschaft
«Es ist kein Zufall, dass die Reichsten auf der Liste der unter 40-jährigen Erben sind. Denn die richtig grossen Vermögen werden vererbt», sagt Ökonomin Isabel Martínez, die die Reichstenlisten der «Bilanz» wissenschaftlich untersuchte. «Wer zu den Allerreichsten der Schweiz zählen will, benötigt eine Erbschaft.»
In ihrer Studie «Einblicke in die Schweizer Reichenliste» schrieb Martínez von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich: «Als gebürtige Schweizerin oder gebürtiger Schweizer scheint eine Erbschaft die wichtigste Voraussetzung zu sein, um an die Spitze der Vermögensverteilung zu gelangen.»
Abstammung vor Leistung
Ganz oben spiele Leistung eine untergeordnete Rolle. Was zähle, sei primär die Abstammung. Das zeigt die Analyse von Martínez und Enea Baselgia von der Universität St. Gallen. Sie werteten dafür die Listen der 300 Reichsten der Zeitschrift «Bilanz» von 1989 bis 2020 umfassend aus.
Leistung und Verdienst reichen also nicht aus, um ganz nach oben zu kommen. Das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit versagt an der Spitze der Vermögenspyramide.
Fussballer und Musikerinnen sind arm im Vergleich
Die Wirtschaftsjournalisten der «Bilanz» listen denn auch keine jungen Fussballer, Musikerinnen und Selfmadeunternehmer auf, die auf dem Papier mehr Geld besitzen als die beiden superreichen Erben.
Fussballer Ivan Rakitić, 37, kommt trotz bis zu 100 Millionen Franken Vermögen nicht annähernd in die Sphäre der zwei Superreichenkinder. Sängerin Beatrice Egli, 37, mit bis zu 10 Millionen Franken ebenfalls nicht.
Und selbst das Talent, das Glück und die Geschäftsidee des reichsten Jungunternehmers können die superreichen Erben nicht vom Thron stossen. Hany Rashwan, 35, der im Zürcher Niederdorf lebt, besitzt als Mitbegründer der Krypto-Finanzfirma 21 Shares auf dem Papier zwar rund 500 bis 600 Millionen Franken. Damit ist er aber nur halb so reich wie Erbin Nathalie Albin-Jacobs.
Zuerst Babynahrung, jetzt Cleantech
Diese ist die Tochter des verstorbenen, schwerreichen Kaffeeunternehmers Klaus Jacobs. Als solche sass sie nicht nur bis 2019 im Stiftungsrat der Schweizer Jacobs Foundation, die 6 Milliarden Franken verwaltet, aber 0 Franken Steuern zahlt, wie der Beobachter berichtete. Sie wurde im selben Jahr auch in den Verwaltungsrat der Jacobs Holding gewählt und ist zudem Mehrfachunternehmerin.
Zuerst gründete sie in Zürich das Start-up Nübee für Biobabynahrung, das aber im vergangenen Jahr floppte. Nun ist sie Mitgründerin und CEO der spanischen Cleantech-Firma Seven Seas Capital. Weil sie unternehmerisch aktiv ist, landete sie auch auf der Jungreichenliste der «Bilanz». Junge, die nur Erben sind, werden darauf nicht geführt.
Milliardärspapa kaum einzuholen
Noch reicher als sie ist auf dieser Jungreichenliste nur Marc Lemann. Er ist der Sohn des Bier- und Burgerunternehmers Jorge Lemann, 86, der laut «Bilanz» 17,5 Milliarden Franken schwer ist. Sohn Marc Lemann kontrolliert Anlagefirmen wie Go4it Capital oder Maai und kaufte Anteile an der Sport-Communityplattform Strava oder dem Turnschuhunternehmen On.
ETH-Ökonomin Martínez sagt, die Erbschaften an der Spitze der Vermögenspyramide seien mittlerweile so gross, dass ein Selfmadeunternehmer das kaum je übertreffen könne – erst recht nicht in jungen Jahren. «Marc Lemann kann noch so erfolgreich sein als Start-up-Unternehmer – dass er seinen Vater Jorge Lemann damit übertrumpft, ist wenig wahrscheinlich.»
Erben hilft – durch Scheitern
Dennoch sei es für Erbinnen grundsätzlich einfacher, als Start-up-Unternehmerinnen Erfolg zu haben. «Sie können es sich leisten, mehrfach zu scheitern und aus dem Scheitern zu lernen», erklärt Martínez. Wer reich ist, fällt bei einem Konkurs des Unternehmens weich und kann deshalb mehr Risiken eingehen.
«Die Superreichen vererben so grosse Beträge, dass es fast unmöglich ist, das ganze Erbe in den Sand zu setzen.»
Isabel Martínez, ETH-Ökonomin
Für die Kinder der Superreichen gebe es keine Notwendigkeit, selbst unternehmerisch aktiv zu werden, um den geerbten Reichtum abzusichern, sagt Martínez im Gespräch mit dem Beobachter. «Die Superreichen vererben so grosse Beträge, dass es fast unmöglich ist, das ganze Erbe in den Sand zu setzen. Der reichste Schweizer, Chanel-Miteigentümer Gérard Wertheimer, wird beispielsweise 38 Milliarden Franken vererben.»
Wer erbt, erbt mehr
Und die vererbten Summen pro Kopf würden in Zukunft zudem eher grösser als kleiner: «Weil wir weniger Kinder haben, wird die Vermögensungleichheit in der Schweiz zunehmen.» Das Erbe werde auf weniger Köpfe verteilt.
«Die, die etwas erben, erben mehr.» Der Graben zwischen ihnen und denen, die nichts erben, wird immer grösser.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 28. Mai 2025 veröffentlicht und wurde am 31. Oktober aktualisiert.
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