Demonstranten besetzen in Genf und Lausanne am 9. Juni die Gleise, um gegen den Krieg in Gaza zu protestieren. Das führt zu verspäteten Zügen. Rund 80 Züge fallen ganz aus, Zugreisende bleiben auf der Strecke. Ist das legitim, um auf ein politisches Problem aufmerksam zu machen? Der Beobachter ordnet ein, was bei Demonstrationen gilt. 

Die Schweizer Bundesverfassung schützt Demonstrationen – wenn auch nicht explizit. Das Recht auf Protest leitet sich aber aus zwei Grundrechten ab: aus der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit. 

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Und das ist auch gut so. Denn Demonstrationen bringen Menschen zusammen und ermöglichen es ihnen, sich Gehör zu verschaffen. Sie bieten einen Raum für politisches Engagement und für öffentliche Debatten. 

Demonstrationen schränken Mitmenschen ein

Kundgebungen schränken aber auch andere Menschen ein. Sie verdrängen Passanten, lassen den Verkehr ins Stocken geraten oder bringen Geschäfte um ihre Laufkundschaft – zumindest vorübergehend. 

Zu einem gewissen Grad gehört das zu einer Demonstration dazu. Aber es hat Grenzen. 

Da grössere Demonstrationen den öffentlichen Raum übermässig beanspruchen, brauchen die Organisatoren grundsätzlich eine Bewilligung. Geschützt sind nur Proteste, die in den Schranken der Rechtsordnung stattfinden. Wer randaliert, Scheiben einschlägt, Autos beschädigt oder Fussgänger anpöbelt, kann sich nicht auf die Demonstrationsfreiheit berufen. 

Nicht jeder Protest wird bewilligt 

Die Behörden können von vornherein abwinken, wenn sie konkret und ernsthaft davon ausgehen können, dass es zu massiven Gewaltausschreitungen kommt. Etwa, weil gleichentags eine Gegendemonstration geplant ist.

Und was ist, wenn der öffentliche Verkehr lahmgelegt wird? Dass Busse, Trams und Züge termingemäss fahren, ist für die restliche Bevölkerung von grosser Bedeutung. 

Demonstrationen sollen den Verkehr deshalb – wenn möglich – nicht stören. Der öffentliche Transport hat aber nicht immer und unbedingt Vorrang. Mit anderen Worten: Die Behörden dürfen nicht alle Versammlungen von vornherein ablehnen, die den öffentlichen Verkehr beeinträchtigen. 

Darf man auf dem Gleis protestieren?

Ob die Behörden das Gesuch abweisen können, hängt von der konkreten Situation ab. Sie müssen abwägen: Wiegt das Interesse der Demonstranten schwerer als das Anliegen der Öffentlichkeit? 

Ein Protest, der von Anfang an auf den Zuggleisen stattfinden soll, würde kaum je bewilligt. Denn es gibt genügend andere öffentliche Orte, an denen Demonstrierende zusammenkommen und ihre Appellwirkung erreichen können.

«Es war eine spontane Versammlung», sagt ein Demonstrant zur «Tribune de Genève».

Auch der Protest auf den Gleisen in der Westschweiz war nicht bewilligt. «Es war eine spontane Versammlung», sagt ein Demonstrant zur «Tribune de Genève». Zumindest er findet die Aktion verhältnismässig: «Die Unannehmlichkeiten für die Reisenden sind angesichts der Dringlichkeit der Situation in Gaza unbedeutend.»

Und wenn die Bewilligung fehlt?

Doch was passiert, wenn ein Protest ohne Bewilligung stattfindet? Dann schreitet die Polizei ein und weist die Teilnehmenden weg – vor allem, wenn die öffentliche Ordnung gestört wird.

Die Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration als solche ist übrigens in vielen Schweizer Städten straflos – sofern die Demonstranten nicht anderweitig gegen das Gesetz verstossen. Ein lahmgelegter Zugverkehr aber ist womöglich strafrechtlich relevant: Unter Umständen ist das eine Nötigung, weil die Reisenden gezwungen wurden, vor Ort zu bleiben.

Quellen