Mal einen Klaps auf den Hintern oder eine Ohrfeige, wenn das Kind nicht spurt – dass das nicht geht, wird nun erstmals im Zivilgesetzbuch (ZGB) verankert. Das sogenannte Züchtigungsrecht wurde schon im Jahr 1978 abgeschafft. Trotzdem gibt es bis heute kein ausdrückliches Züchtigungsverbot im Familienrecht.

Der Nationalrat hat sich schon im Mai mit 134 zu 56 Stimmen bei 2 Enthaltungen für eine Gesetzesanpassung ausgesprochen. Im Rahmen der Herbstsession hat jetzt auch der Ständerat den Gesetzesentwurf mit 33 zu 4 Stimmen und 7 Enthaltungen angenommen. Der neue Artikel soll präventiv wirken. Es soll klar sein, dass Körperstrafen und andere erniedrigende Behandlungen verboten sind.

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Teile der SVP gegen das Verbot

Nur ein Teil der SVP-Fraktion sträubte sich dagegen: Es sei jeder einzelnen Familie selbst überlassen, wie sie sich organisieren wolle, sagte SVP-Nationalrat Manfred Bühler in der Beratung. Auch wenn körperliche Gewalt gegenüber Kindern nicht zu befürworten sei, sei die reine Androhung von körperlichem Zwang nützlich, um eine gewisse Autorität durchzusetzen, so Bühler. 

In der Beratung des Ständerats hielt Pirmin Schwander (SVP) fest, es sei unnötig, einfach nochmals zu schreiben, was bereits verbindlich sei. Der Artikel müsse erwähnen, dass das Verbot neben den Eltern auch ausdrücklich für private und öffentliche Institutionen gelte.

Diese Ergänzung hat der Ständerat aber abgelehnt. Die Eltern stünden bewusst als primär Erziehungsberechtigte im Fokus, entgegnete Bundesrat Beat Jans (SP). Der allgemeine Grundsatz der gewaltfreien Erziehung gelte selbstverständlich auch für Personen, die in Vertretung der Eltern die Obhut über das Kind innehätten.

Der Beobachter erklärt, was heute schon rechtlich gilt und was die geplante Bestimmung im ZGB bedeutet.

Was gilt heute schon?

Die Bundesverfassung räumt Kindern und Jugendlichen einen grundrechtlichen Anspruch auf Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung ein. Dazu gehört auch die körperliche und psychische Unversehrtheit. Die Uno-Kinderrechtskonvention, die auch in der Schweiz gilt, stellt das Kindeswohl in den Vordergrund. Und das Strafrecht stellt zum Beispiel Tätlichkeiten und Körperverletzungen unter Strafe.

Was ändert sich durch den neuen Artikel im ZGB?

Der Artikel soll einen Grundsatz deklarieren und Leitbildcharakter haben. Warum ergibt das Sinn? Weil die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eines gemeinsam haben: Sie sind schwammig und enthalten kein deutliches Verbot jeglicher körperlicher und psychischer Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Obwohl der Artikel nur deklaratorisch ist, würde er auch in anderen Rechtsgebieten einiges klarstellen.

Tipps, wie eine gewaltfreie Erziehung gelingt

Beispiel: Eine Tätlichkeit ist die mildeste Form einer strafbaren Körperverletzung. Sie liegt aber erst vor, wenn sie «das allgemein anerkannte und gesellschaftlich geduldete Mass» überschreitet. Nach heutigem Stand könnte das je nach Auslegung heissen, dass gelegentliche, leichte körperliche Züchtigungen erlaubt und straffrei sind.

Der geplante Artikel im ZGB würde hier präzisieren. Er würde klarstellen, dass dieses Mass bei jeder Art von körperlicher Gewalt gegen Kinder überschritten ist. Dass also auch eine Ohrfeige an einem Kind grundsätzlich strafbar ist.

Zudem soll er präventiv wirken: In einem weiteren Absatz wird verankert, dass die Kantone dafür zu sorgen haben, dass sich Eltern und Kinder bei Schwierigkeiten in der Erziehung gemeinsam oder einzeln an Beratungsstellen wenden können. 

Hinweis: Dieser Artikel wurde am 6. Mai 2025 erstmals veröffentlicht und am 9. September 2025 aktualisiert.