Es ist der Sommerloch-Stopfer 2025: Der CEO eines amerikanischen Tech-Unternehmens und seine Personalchefin werden von der Kisscam an einem Coldplay-Konzert erwischt. Die Kamera zeigt die beiden lächelnd, er umarmt sie von hinten. 

Als sie realisieren, dass sie gefilmt werden, ducken sich beide panisch weg. Sogar der Coldplay-Leadsänger Chris Martin kommentiert: «Entweder haben sie eine Affäre, oder sie sind sehr schüchtern.» Beide haben offenbar Familien. Die Story macht seither in allen Medien die Runde. 

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Nicht eingewilligt 

Wie sieht es rechtlich aus, können sich die beiden wehren? Die Antwort ist kompliziert. «Jeder Mensch hat das Recht am eigenen Bild», sagt Nicole Müller vom Beobachter-Beratungszentrum. Daraus folgt: Grundsätzlich dürfen Bilder nur veröffentlicht werden, wenn die abgebildete Person einwilligt. Jedenfalls dann, wenn Schweizer Recht anwendbar ist. 

«In der Öffentlichkeit muss man damit rechnen, auf einem Bild sichtbar zu sein.»

Nicole Müller, Beobachter-Beratungszentrum

«Aber in der Öffentlichkeit muss man damit rechnen, auf einem Bild sichtbar zu sein», sagt Müller. Dazu gehörten auch Konzerte. Wenn man da nur als «Beiwerk» auf einer Aufnahme sichtbar ist, braucht es keine Einwilligung. 

Anders sieht es aus, wenn Menschen im Zentrum einer Abbildung stehen und erkennbar sind – wie unser amerikanisches Paar. «Hier muss die Person einverstanden sein – und zwar nachdem sie weiss, welches Bildmaterial wo genau veröffentlicht wird.» Als Einwilligung gilt es, wenn jemand vor der Kamera posiert und offensichtlich einverstanden ist. Wer sich wegduckt wie das Paar, hat eindeutig nicht eingewilligt. 

Das Kleingedruckte

Aber was gilt, wenn der Konzertveranstalter sich in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) alle Rechte am Bildmaterial zusichert? So wie die Firma TAKK AB Entertainment AG, die etwa die Coldplay-Konzerte in der Schweiz veranstaltet. In ihren AGB steht, dass Veranstaltungsbesucher unwiderruflich einwilligen, dass Aufnahmen veröffentlicht werden dürfen.

«So absolut gilt das kaum», sagt Beobachter-Juristin Müller. Erstens kann man die Einwilligung jederzeit widerrufen – etwa indem man vor der Kamera flüchtet. Und zweitens kommt es auf die Umstände an. Wenn etwa jemand beim Nasenbohren minutenlang auf Grossleinwand gezeigt wird, kann sich der Veranstalter kaum auf eine Klausel in den AGB berufen. 

Die Sache mit den Memes

Beim amerikanischen Paar kann man sagen, dass es wusste, dass es eine Kisscam gab – so wie alle Besucher. Es wurden schon diverse Paare vor ihnen auf der Grossleinwand gezeigt und vielleicht steht auch etwas in den AGB dazu. Sie haben also implizit eingewilligt und es ist rechtlich unproblematisch, dass auch sie ausgewählt wurden.

Ihre Reaktion zeigt aber, dass sie diese Einwilligung widerrufen – ab dem Zeitpunkt hätte die Kamera wegschwenken müssen. Bestimmt nicht eingewilligt haben der Tech-CEO und seine HR-Chefin, dass die Bilder um die Welt gehen: in Form unzähliger Memes. Dadurch könte ihre Persönlichkeit verletzt werden. 

«Selbst wenn das Recht auf eurer Seite ist, hilft euch das nichts.»

Nicole Müller, Beobachter-Beratungszentrum

Weil das Paar nicht eingewilligt hat, dass diese Bilder im Stadion gezeigt und für Memes und Co. verwendet werden, könnte seine Persönlichkeit verletzt sein. Aber selbst wenn eine Richterin zu diesem Schluss kommt: Das Recht der beiden kann in der Praxis nicht durchgesetzt werden. Sie müssten jeden einzelnen Meme-Ersteller verklagen und jeden, der diese Memes weiterverbreitet. Schlicht unmöglich.

Darum aufgepasst, Nasenbohrer, Schmuserinnen und Knutscher: «Selbst wenn das Recht auf eurer Seite ist, hilft euch das nichts», sagt Müller. Ihr Tipp für Leute, die nicht erkannt werden wollen: Hut mit grosser Krempe und Samichlausbart.

Quellen