Beobachter: Sind wir in der Schweiz schlecht im Energiesparen?
Renate Schubert: Es geht so. Pro Kopf verbrauchen wir heute 20 Prozent weniger als vor 30 Jahren.
 

Dann können wir uns das Sparen sparen?
Nein, denn die Bevölkerung ist stark gewachsen. Darum verbrauchen wir insgesamt inzwischen fünf Prozent mehr. Wir importieren zudem im Winter viel Energie aus der EU – besonders aus Deutschland. Ob die Deutschen ihre Exporte trotz gravierenden Problemen aufrechterhalten, ist fraglich. So oder so werden die Energiepreise steigen Steigende Kosten So sparen Sie Energie – und Kohle .


Im Klartext?
Wer Energie verschwendet, wird es besonders stark am eigenen Geldbeutel spüren.


Wo können wir Energie sparen?
Die privaten Haushalte und der Verkehr sind für 62 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Hier liegt Sparpotenzial. Wir sollten etwa effizienter und mit erneuerbaren Energien heizen und weniger Warmwasser verbrauchen.


Wie motivieren wir uns gut zum Sparen?
Wir können den Verbrauch nicht sehen oder fühlen. Das macht ihn zu abstrakt für uns. Damit wir unser Verhalten ändern, muss er direkt erfahrbar werden.


Das ist mir jetzt zu abstrakt.
Ein gutes Beispiel dafür sind kleine Geräte, die man in den Duschschlauch montieren kann und die uns einen digitalen Eisbären zeigen. Je länger man duscht, desto kleiner wird die Eisscholle, auf der der Bär steht. Wer die Anzeige benutzt, duscht kürzer – und spart sechsmal so viel Warmwasser wie Leute, die lediglich allgemeine Informationen zum Wassersparen erhalten.


Was macht der Eisbär mit uns?
Er schafft einen optischen und emotionalen Bezug zum Energieverbrauch. Das direkte Feedback motiviert uns zum Sparen – eventuell auch in anderen Bereichen.


Wie denn?
Wenn Leute erfolgreich Warmwasser sparen, merken sie oft, dass es gar nicht so schwer ist, nachhaltig zu handeln. Sie entwickeln häufig eine umweltfreundliche Identität, dank der sie sich auch an anderen Stellen ökologisch verhalten. Man stellt dann auch die Heizung tiefer. Ein Beispiel: In einem Forschungsprojekt des Nationalfonds mit rund 5000 Haushalten hat unser Team viele dazu gebracht, Warmwasser zu sparen. Jeden Monat wurde unter Haushalten, die mindestens fünf Prozent sparten, eine Monatsmiete verlost. Viele liessen sich das nicht entgehen. Insgesamt ging der Verbrauch von Warmwasser um fünf Prozent zurück – interessanterweise auch der Verbrauch von Heizenergie, ebenfalls um fünf Prozent.

«Die Chancen stehen gut, dass wir uns an energiesparendes Verhalten gewöhnen.»

Renate Schubert, Verhaltensökonomin, ETH Zürich

Wenn wir also weniger lang duschen, sind wir auch sparsamer beim Heizen. Benutzen wir dann auch mehr den Zug statt das Auto?
Leider nein. Mobilität nehmen wir anscheinend als losgelöst von Wasser und Strom wahr.


Können wir unser Mobilitätsverhalten dennoch ändern?
Durchaus. Es gibt Apps, die zeigen, wie viel CO2 man mit einer Fahrt verbraucht. Idealerweise sieht man, wie viel CO2 man etwa mit einer Zugreise Mobilität Apps, mit denen Sie alle Verkehrsmittel kombinieren im Vergleich zur Autofahrt gespart hätte. Das scheint dann besonders erfolgreich zu sein, wenn uns die Informationen ohne Suchaufwand auf der App angezeigt werden.


Also Energiesparen mit Apps, konkreten Bildern und schnellem Feedback.
All das hilft. Aber irgendwann nutzt sich der Effekt ab. Dann haben wir uns an die schmelzende Eisscholle unter dem Eisbären gewöhnt.


Verschwenden wir dann wieder Energie?
Nein. Die Chancen stehen gut, dass wir uns an energiesparende Verhaltensmuster gewöhnt haben, bevor der Abnutzungseffekt einsetzt. Wir brauchen das Bild vom Eisbären dann nicht mehr. Die neue Gewohnheit ist der Schlüssel zum Erfolg.

«Rund 30 Prozent des Stroms verbrauchen die Haushalte.»

Renate Schubert, Verhaltensökonomin, ETH Zürich

Manchmal habe ich das Gefühl, dass ausser mir niemand versucht, Energie zu sparen. In solchen Momenten fällt es mir richtig schwer, mich zu motivieren.
Ja, für viele ist es sicher wichtig, dass das Umfeld auch Energie spart. Wir neigen dazu, uns mit anderen zu vergleichen. Wenn alle in der Familie oder im Freundeskreis sich fürs Energiesparen engagieren, schafft das Verbundenheit. Ausserdem kann man dann gegenseitig Erfahrungen austauschen.


Es gibt 1000 Energiespartipps – schwer überschaubar. Wo anfangen?
Sie können bei Ihrem Stromversorger nach Energieberatung fragen. Dann kommt jemand ins Haus und findet die Stromfresser – häufig der Herd, die Spülmaschine, manchmal der Pool. Auf zwei bis drei Problemzonen kann man sich dann konzentrieren und gezielt versuchen, den Verbrauch herunterzufahren. Das damit gesparte Geld dürfte die Kosten für die Beratung mehr als ausgleichen. Ausserdem findet man auch auf den Websites der Stromversorger nützliche Tipps.


Beim Energiesparen geht es ja nicht nur ums Geld, sondern es geht auch darum, den globalen Klimawandel abzumildern. Hausbesitzer sind in dieser Hinsicht besonders gefordert. Welche Rolle spielen aber Mieterinnen und Mieter?
Genau. Wichtig ist, dass die Hausbesitzerinnen ihre Häuser gut isolieren und in erneuerbare Heizsysteme investieren. Die Mieterinnen und Mieter müssten diese Systeme dann auch vernünftig einsetzen – und moderat heizen. Ausserdem kommen gut 30 Prozent des Stromverbrauchs von den privaten Haushalten. Hier wäre ein Rückgang sehr sinnvoll, etwa durch effizientere Elektrogeräte.


Jetzt mal ehrlich, die Schweiz hat doch trotz Sparmassnahmen kaum einen Einfluss aufs Klima.
Sicher, die Schweiz macht nur 0,1 Prozent der Weltbevölkerung aus. Wieso sollten wir sparen? Wenn wir aber das importierte CO2 berücksichtigen, übersteigt unser Fussabdruck die Grösse der Schweiz um das 30-Fache. Unser Einfluss ist also gar nicht so klein.

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Zur Person

Renate Schubert

Renate Schubert ist Verhaltensökonomin an der ETH Zürich. Sie hat dort 2006 das interdisziplinäre Institut für Umweltentscheidungen gegründet und leitet das Forschungsprojekt «Nachhaltiges Konsumverhalten», finanziert vom Nationalfonds.

Quelle: Primula Bosshard
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