Sonntags die Mails checken, damit man am Montag früher Schluss machen kann? Ausnahmsweise bis spät in die Nacht arbeiten, um am nächsten Morgen am Besuchstag der Schule dabei zu sein?

Das kann praktisch sein, ist aber möglicherweise verboten – zumindest wenn es nach dem Arbeitsgesetz geht. Denn die maximale Arbeitszeit liegt bei 14 Stunden pro Tag. Es gibt Ruhezeiten, die man einhalten muss. Und für Sonntagsarbeit braucht es meist eine behördliche Bewilligung.

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Nationalrat will Lockerungen bei der Arbeitszeit

Das soll sich ändern. Der Nationalrat hat am Dienstag eine Motion zur Flexibilisierung der Arbeitszeit angenommen. Sie fordert, die tägliche Höchstarbeitszeit auf 17 Stunden zu erhöhen, die Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen von elf auf neun Stunden zu senken.

Sonntagsarbeit soll an neun Sonntagen pro Jahr für jeweils bis zu fünf Stunden bewilligungsfrei möglich sein. Vorgesehen ist dafür das explizite Recht auf Nichterreichbarkeit – und zwar für alle und nicht nur für diejenigen Angestellten, die zu Hause oder ausserhalb ihres Betriebs arbeiten.

Strenge Regeln zur Arbeitszeit sollen Angestellte schützen

Der Vorschlag ist umstritten. Mehr Flexibilität mag auf den ersten Blick attraktiv sein – auch für die Arbeitnehmenden. Sie können ihre Arbeitszeit, zumindest teilweise, ihren persönlichen Bedürfnissen anpassen.

«Stress, Schlafstörungen und Burn-outs werden zunehmen.»

Natalie Imboden, Gewerkschaft Unia

Doch das Arbeitsgesetz ist nicht ohne Grund so strikt: Die zwingenden Bestimmungen zu den Arbeitszeiten sollen die Arbeitnehmenden schützen – letztlich auch vor sich selbst. Denn wer arbeitet, wenn er sich ausruhen sollte, läuft Gefahr, krank zu werden.

Das sieht auch die Gewerkschaft Unia so. «Es ist absehbar, dass damit Stress, Schlafstörungen und Burn-outs zunehmen werden», sagte Mediensprecherin Natalie Imboden schon 2024 gegenüber dem Beobachter, als die zuständige Kommission die Vorlage in die Vernehmlassung schickte. Für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben brauche es andere Ansätze als die Ausweitung der Arbeitstage in die Abende und Wochenenden hinein.

«Schon heute hält man sich nicht überall an die zwingenden Bestimmungen des Arbeitsgesetzes.»

Thomas Oechsle, Berater für Arbeitsrecht beim Beobachter

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kritisiert den Entscheid des Nationalrats in einer Mitteilung scharf. «Die Sonntage und der Feierabend von mehr als zwei Millionen Arbeitnehmenden sind bedroht.»

Arbeitgeberverband ist dafür

Die bürgerliche Mehrheit hingegen verspricht sich von der Möglichkeit einer individuelleren Arbeitszeitgestaltung im Gesetz Vorteile für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie für Betreuungsaufgaben. Auch der Arbeitgeberverband unterstützt die Vorlage.

Thomas Oechsle, Arbeitsrechtsexperte beim Beratungszentrum des Beobachters, ist skeptisch: «Schon heute hält man sich nicht überall an die zwingenden Bestimmungen des Arbeitsgesetzes. Wenn man die nun lockert, riskiert man, dass der Arbeitnehmerschutz weiter ausgehöhlt wird.»

Als Nächstes ist der Ständerat an der Reihe. Die Gegnerinnen und Gegner haben bereits angekündigt, mit allen Mitteln gegen die Vorlage vorzugehen, sollte diese auch im Ständerat eine Mehrheit finden.

Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 12. September 2024 veröffentlicht.