Die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala findet: «Wir müssen eindeutig einen digitalen Zacken zulegen.» Noch bevor die eidgenössischen Räte die Frühjahrssession wegen Covid-19 abbrachen, hatte Fiala in einer Interpellation ein E-Parlament genau für solche Notsituationen gefordert. Das Parlament solle auch tagen können, ohne physisch präsent zu sein.

Fiala stösst bei der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse auf offene Ohren. «Ein klassisches Arbeitsparlament wie der National- und der Ständerat ist für die digitale Arbeitsweise prädestiniert. Was von der normalen Bevölkerung erwartet wird, sollte auch für unsere Parlamentarier möglich sein.» Es dauerte Wochen, bis wenigstens die parlamentarischen Kommissionen entdeckten, dass sie Videokonferenzen Digitale Meetings 10 einfache Tipps für Videokonferenzen und Chats abhalten können. Das millionenteure Schaulaufen für die Covid-19-Sondersession Anfang Mai liessen sich die Räte aber nicht nehmen.

Jetzt rächt sich, dass E-Government in der Schweiz stockt. Wie E-Voting und die elektronische Identität (E-ID SwissID und E-ID Braucht es eine digitale Identität? ). Statt digital abzustimmen und zu wählen, bleibt nach wie vor nur der Gang zur Urne oder die briefliche Stimmabgabe. Dabei liefen erste Versuche 2004 an.

Bei den Wahlen im letzten Herbst sollte in zwei Dritteln der Kantone die elektronische Stimmabgabe möglich sein, so das Ziel des Bundes. Daraus wurde nichts – vordergründig wegen Sicherheitslücken in den E-Voting-Systemen, die die Post und der Kanton Genf entwickelt hatten.

Auf Schlingerkurs

Im Dezember stimmte der Nationalrat einer Initiative aus SVP-Kreisen zu, die einen «Marschhalt beim E-Voting» fordert. Die Post will bis Ende Jahr nachbessern und die Bundeskanzlei mit den Kantonen ein neues Konzept für E-Voting ausarbeiten. E-Banking funktioniert seit Jahren, sicheres elektronisches Abstimmen war bisher nicht möglich.

Derselbe Schlingerkurs bei der E-ID. Nach jahrelangem Gezerre verabschiedete das Parlament letzten Herbst das notwendige Gesetz. Die E-ID ist danach Pass und digitale Unterschrift in einem. Die technische Lösung sollen private Anbieter übernehmen, der Bund aber die Hoheit über die Authentifizierung behalten. Dagegen hat eine breite Allianz erfolgreich das Referendum ergriffen: Sie pocht darauf, dass der Staat die E-ID abgibt. Das wird die Einführung voraussichtlich um Jahre verzögern.

Weil die E-ID fehlt, bleibt es «schwierig bis ausgeschlossen, gewisse Verträge digital abzuschliessen», sagt Renato Gunc, Präsident des Vereins eGov Schweiz. Weder Parlament noch Behörden oder viele Firmen seien in der Lage, flächendeckend digital zu agieren. Die Versäumnisse zeigen sich nun in der Covid-19-Krise. So musste etwa das Amt für Wirtschaft und Arbeit im Kanton Zürich Hunderte Personen aus anderen Ämtern abziehen, um die Formulare der Unternehmen für Kurzarbeitsgesuche Kurzarbeit Ihre Rechte bei reduzierter Arbeitszeit von Hand abzutippen und einzuscannen. Mittlerweile gibt es wenigstens ein Webformular.

Solange keine E-ID existiert, müssen Gesuche vielerorts ausgedruckt, handschriftlich unterzeichnet, mit einem Firmenstempel versehen und per Post verschickt werden. Dasselbe Dilemma bei der Steuererklärung, die inzwischen zwei Drittel elektronisch ausfüllen. Wegen fehlender E-ID muss man die Deklaration nach wie vor ausdrucken, unterzeichnen und bei der Post aufgeben. «Es ist auch nicht möglich, dass Behörden Kontakte zu Bürgern über eine gesicherte Mailadresse aufnehmen», kritisiert Gunc.

Covid-19-Fälle kommen via Fax

So bleibt vieles beim E-Government Stückwerk, obwohl 93 Prozent der Haushalte das Internet nutzen. Dass der Papierkram uns Milliarden kostet, rechnete der Beobachter schon vor Jahresfrist vor Schleppende Digitalisierung bei Behörden Der Papierkram kostet Milliarden .

Ins Bild passt der Anachronismus bei der Erfassung der Covid-19-Daten durch das Bundesamt für Gesundheit, wo die Meldungen über die Coronafälle per Fax eintrudeln und deshalb die Statistiken der Aktualität nachhinken. Inzwischen wurde eine elektronische Lösung eingerichtet, doch viele Ärzte faxen einfach weiter.

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Matthias Pflume, Leiter Extras
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