Wenn die Kinder schon ständig am Tablet und Smartphone hängen Kinder und Internet Wie sollen Eltern das Surfen regeln? , dann sollen sie dabei wenigstens einen Lerneffekt haben,
sagen sich viele Eltern. Deshalb wählen sie Lern-Apps – und meinen, sie täten damit den Kleinen etwas Gutes. Doch das kann ins Auge gehen.

Denn fast alle Apps für Kinder bis fünf Jahre in Googles Play Store sind mit Werbung verseucht, zeigt eine neue Studie. In so gut wie jeder kostenlosen und auch in neun von zehn Bezahl-Apps gibt es unterbrechende und manipulierende Werbung, fand die US-Erziehungswissenschaftlerin Jenny Radesky heraus. Sie lud die 135 beliebtesten kostenlosen und zahlpflichtigen Apps in Googles Play Store in der Kategorie «5 Jahre und jünger» herunter und liess sie von Kollegen intensiv testen.

Werbevideos für Erwachsene in Kinder-Apps

In jeder dritten kostenlosen und jeder zweiten Bezahl-App unterbrach zudem ein nicht zu stoppendes Werbevideo das Spiel oder drängte die Kinder zu In-App-Käufen. Andere Apps blendeten Banner am Rand ein, die beim Anklicken zu weiterer Werbung führen.

Die Werbung entspricht dabei nicht immer der Altersgruppe und stellt auch Apps für Erwachsene vor. Manche Apps fragen nach, ob die Kinder ihre im Spiel erreichte Punktzahl auf Social-Media-Seiten teilen wollen. Zudem fordert manche App auf dem Smartphone Berechtigungen Digitale Sicherheit 12 Checklisten zu Google, Facebook & Co. , die für den Betrieb unnötig sind: 17 Apps wollten Zugriff auf Mikrofon, Kamera oder Ortungsfunktion. Gerade bei Kindern ist die Ortung sehr fragwürdig – und in den USA an sich verboten.

Die Werbe-Strategien von Kinder-Apps

Gratis- und Bezahl-Apps leiten auf Werbung weiter

Überall gibt es Verlockungen, auf etwas zu klicken.

Quelle: Infografik: Anne Seeger | Zahlen: Meyer / Radesky U. A.: «Advertising in Young Children’s Apps» / 2019
Der Lerneffekt wird zunichte gemacht

«Bei Apps für kleine Kinder fühlt man sich wie im Wilden Westen. Viele Apps haben statt des Spielvergnügens nur das Geldverdienen im Sinn Rekordbusse für Fortnite-Entwickler Game zog Teenies das Geld aus der Tasche – und wird jetzt bestraft », kritisiert Radesky. Frühere Studien hatten ergeben, dass Kinder bis acht Jahre nicht zwischen Spiel und Werbung unterscheiden können. «Sie denken, es gehöre zum Spiel dazu. Das ist ethisch fragwürdig.»

Lern-Apps sind da nicht anders. «Eltern denken, dass Lern-Apps gut sind für die Entwicklung der Kinder», sagt Radesky. Dabei mache die störende Werbung diesen positiven Effekt zunichte.

Merkblatt «Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen» bei Guider

Wann sind Kinder alt genug für ein Social-Media-Profil? Wie können Eltern ihre Kinder zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Medien erziehen? Antworten dazu lesen Beobachter-Abonnenten im Merkblatt «Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen».

Ein gutes Beispiel ist das Spiel «Olafs Abenteuer» des Disney-Konzerns. Wer auf einen leuchtenden Kuchen klickt, der nicht als Werbung zu erkennen ist, wird direkt zu einem Shop für In-App-Käufe weitergeleitet. Das Deutsche Jugendinstitut findet die App pädagogisch gar nicht verkehrt, wertet sie aber punkto Sicherheit und Kosten als «problematisch». «Die App drängt per Kaufappelle zu In-App-Käufen, dies ist für Kindersoftware nicht akzeptabel.»

«Die US-Studie ist effektiv besorgniserregend», sagt Marion Nolde von der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen. Sie fordert: «Keine Werbung, die Kindern schadet. Und Lernumgebungen müssen werbefrei bleiben.»

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Apps für Kinder sind weniger gut geschützt als Kindersendungen im TV

Beim Bund ist man erstaunt. «Natürlich wissen wir, dass In-App-Käufe und Werbung bei Kinder-Apps ein Problem sind», sagt Yvonne Haldimann, beim Bundesamt für Sozialversicherungen zuständig für Kinder- und Jugendfragen. «Dass das aber fast jede App betrifft, hätte ich nicht gedacht.» Die Expertin bezweifelt zwar, dass Schweizer Kinder im selben Ausmass betroffen sind. «Das ist aber nur ein Eindruck, das kann ich nicht mit Zahlen untermauern.»

Dass es auch anders geht, zeigt sich beim Fernsehen. In der Schweiz dürfen Kindersendungen nicht durch Werbung unterbrochen werden. «Auch bei der Gestaltung von Werbung und der Möglichkeit des Sponsorings oder der Produktplatzierung sind gesetzliche Bestimmungen zu beachten», erläutert Daniel Betschart von Pro Juventute. «Bei Apps gilt all das aber nicht.»

Google und Apple bieten Filtermöglichkeiten für Eltern

2017 testete die deutsche Stiftung Warentest die 50 beliebtesten Kinder-Apps für Apple- und Android-Geräte und stufte die meisten als «bedenklich» oder «inakzeptabel» ein. Die Gründe: Mängel beim Kinder- und Datenschutz, Werbung für Erwachsene, teure In-App-Käufe, unmoderierte Chatfunktionen. Letzten August meldete die nordamerikanische Testorganisation Appcensus, dass drei Viertel der über 5800 Kinder-Apps im Play Store ohne Zustimmung der Eltern und teils unverschlüsselt sensible, personenbezogene Daten ins Internet übertragen und so gegen US-Gesetze und Google-Richtlinien verstossen Persönliche Daten So löschen Sie Ihre Spuren bei Google . Google wurde informiert, Massnahmen wurden aber bislang nicht bekannt.

Google Schweiz weist darauf hin, dass nur personalisierte Werbung Big Data Die unheimliche Macht der Algorithmen an Nutzer unter 13 Jahren verboten ist. Eltern könnten die Google-App Family Link (siehe Tipps unten «Kinder-Apps: So gehen Eltern richtig vor») verwenden, um besser zu regeln, was die Kinder im Internet machen. Ausserdem könnten sich Eltern an den Informationen im Play Store orientieren. Dort stehe zu jeder App der Hinweis «enthält Werbung» und «bietet In-App-Käufe an», wenn das der Fall sei.

Apple schreibt zum Thema: «In Apples App Store findet sich in Apps für Kinder unter fünf Jahren in der Regel keine Werbung.» Die Apple-interne Redaktion kuratiere den Bereich «Apps and Games for Kids» nach strikten Regeln. Eltern könnten im App Store gezielt geeignete Inhalte für das Alter des Kindes herausfiltern. In-App-Käufe würden vor dem Herunterladen neben der App angezeigt.

Kinder-Apps: So gehen Eltern richtig vor

1. Reden Sie mit Ihrem Kind

Laden nur Sie selbst Apps herunter. Seien Sie skeptisch, wenn eine Kinder-App Werbung und In-App-Käufe enthält und beim Installieren unnötige Berechtigungen fordert. Schauen Sie sich die App gemeinsam mit dem Kind an. Machen Sie das Kind auf Werbung aufmerksam und erklären Sie, dass sie nicht zum Spiel gehört – und dass keiner im Spiel traurig ist, wenn man nichts kauft. Löschen Sie Apps, die Werbung für Erwachsene enthalten.
 

2. Aktivieren Sie Schutzvorrichtungen

Auf dem iPhone/iPad verhindert die aktivierte Kindersicherung (Einstellungen → Allgemein → Einschränkungen) das Installieren von Apps und In-App-Käufe. Wenn man auf Einstellungen → Allgemein → Bedienungshilfen → Geführter Zugriff geht, kann der Zugriff auf nur eine bestimmte App erlaubt werden. Ab iOS 12 lassen sich über Einstellungen → Bildschirmzeit auch tägliche Zeitlimiten für die Nutzung setzen und Käufe verhindern.

Unter Android lassen sich in der Play-Store-App (Einstellungen → Authentifizierung für Käufe erforderlich) In-App-Käufe deaktivieren. Über ein eingeschränktes Nutzerprofil kann das Kind nur bestimmte Apps öffnen. Zusatz-Apps wie Family Link von Google oder Kids Mode/Kindermodus von Samsung bieten noch mehr Möglichkeiten. Am sichersten, auch gegen Nachladen von Werbung, heimliche Datenweitergabe und Chatangebote: WLAN und Datennutzung deaktivieren (offline gehen), wenn ein Kind das Gerät nutzt.
 

3. Nutzen Sie von unabhängiger Stelle empfohlene Apps

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Peter Johannes Meier, Ressortleiter
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