Regierungsrätin bezeichnet Prix-Courage-Kandidaten als «Maulwurf»
In der Debatte des Zürcher Kantonsrats am Montag kam es zu einem Eklat: Bildungsdirektorin Silvia Steiner diskreditierte den Whistleblower und warf einer Kantonsrätin vor, ihre Quellen schlecht geprüft zu haben.
Veröffentlicht am 5. September 2025 - 15:01 Uhr
Die Zürcher Regierungsrätin Silvia Steiner wirft dem Tierspital-Whistleblower Eigeninteresse vor.
Nachdem der Beobachter letzten November mutmasslich tierschutzwidrige Zustände in der universitären Kleintierklinik enthüllte, beschäftigt sich auch die Politik mit der Thematik. Am Montag kam es im Zürcher Kantonsrat erstmals zu einer öffentlichen Debatte. Und sie wurde hitzig. Die verantwortliche Regierungsrätin, Bildungsdirektorin Silvia Steiner, sorgte gar für einen Eklat.
Dabei begann die Debatte ganz sachlich. SP-Kantonsrätin Isabel Bartal fand es erfreulich, dass ein Massnahmenplan vorgelegt worden sei und man die Vorwürfe ernst genommen habe. «Absolut unverständlich» sei jedoch, warum bis heute keine Vor-Ort-Kontrolle stattgefunden habe. FDP-Kantonsrätin Linda Camenisch pflichtete ihr bei.
SVP-Kantonsrat Bernhard im Oberdorf hielt die Sache hingegen für «abgeschlossen». Vertreter des Tierspitals hätten ihm in der Aufsichtskommission erklärt, es seien «zukunftsweisende Massnahmen» eingeleitet worden, um dem Tierwohl gerecht zu werden.
Die Parlamentarier täten gut daran, den guten Ruf des Tierspitals nicht weiter zu beschädigen.
Silvia Steiner, Zürcher Regierungsrätin
Dann trat Regierungsrätin Steiner ans Rednerpult. Und begann gleich mit einer spitzen Bemerkung: Sie stelle fest, dass der Kantonsrat zunehmend «instrumentalisiert» werde. Die Vorwürfe gegenüber dem Tierspital seien «ungerechtfertigt». Die Parlamentarier täten gut daran, den guten Ruf des Tierspitals nicht weiter zu beschädigen. Die Mitarbeitenden dort leisteten «hervorragende Arbeit».
GLP-Kantonsrätin Nathalie Aeschbacher widersprach vehement. Sie hatte im Dezember die Interpellation eingereicht und den Regierungsrat damit gezwungen, sich mit den mutmasslichen Missständen zu beschäftigen. «Ich erachte es als gewählte Politikerin als meine Aufgabe, den seit Monaten im Raum stehenden Vorwürfen nachzugehen. Ich habe dies fundiert getan und schon gar nicht aus Eigeninteresse.»
Fühlt sich vor den Kopf gestossen: Nathalie Aeschbacher, GLP, reichte den Vorstoss zu den Missständen am Tierspital ein.
Im Videomitschnitt der Debatte ist zu sehen, wie sich Steiner daraufhin vorbeugt und angesäuert erwiderte: «Ich werfe nicht Ihnen Eigeninteresse vor, Frau Kantonsrätin, sondern dem Maulwurf, der Ihnen diese Informationen zugetragen hat.» Dieser habe «personalrechtliche» Interessen. «Sie sollten Ihre Quellen gut überprüfen, bevor Sie im Kantonsrat den Ruf des Tierspitals gefährden.»
Aeschbacher fühlt sich sprichwörtlich vor den Kopf gestossen, wie sie dem Beobachter sagt: «Ich hatte mit meinem Vorstoss einzig das Wohl des Tierspitals und der dort behandelten Tiere im Sinn.» Sie habe sich wie immer seriös mit der Thematik beschäftigt und den Vorstoss mit Tierschutzfachleuten besprochen. «Den Vorwürfen nachzugehen und diese nicht einfach im Raum stehen zu lassen, sehe ich als meine Pflicht an.»
Silvia Steiner verzichtet auf weitere Ausführungen
Silvia Steiner möchte sich auf Anfrage nicht mehr zur Sache äussern. Das ist bedauerlich. Gerne hätten wir erfahren, wie sie darauf kommt, dass der Whistleblower Jorge Pereira aus einem «Eigeninteresse» gehandelt habe.
Pereira dokumentierte als Tierpfleger die Missstände mit Hunderten von Handyaufnahmen und machte sie dem Beobachter zugänglich – nachdem er intern monatelang kein Gehör gefunden hatte. Daraufhin wurde Pereira per sofort freigestellt.
«Wenn ich meinen Job riskiere, um Missstände zu melden, was hat das mit Eigeninteressen zu tun?»
Jorge Pereira, Whistleblower und Ex-Tierpfleger
Pereira gilt am Tierspital als Nestbeschmutzer – und nun offenbar auch für die Behörden. Am Tag der Ratsdebatte feierte er Geburtstag. Auf Anfrage sagt er später: «Wenn ich als 56-jähriger Ausländer ohne Ausbildung und ohne Deutschkenntnisse meinen Job riskiere, um Missstände zu melden, was hat das mit Eigeninteressen zu tun?»
Für seinen Mut und sein Engagement hat ihn der Beobachter für den diesjährigen Prix Courage nominiert.
- Nathalie Aeschbacher, Zürcher Kantonsrätin, GLP: Interpellation (Missstände am Tierspital Zürich) (Download, PDF)
- Kleintierklinik Universitäres Tierspital Zürich: Interne Dokumente
- Aufnahmen aus der Kleintierklinik
- Kantonsrat Zürich, Videomitschnitt Ratsdebatte: Missstände am Tierspital Zürich