Wann droht mir Untersuchungshaft?

Bei der Untersuchungshaft wird eine Person inhaftiert, obwohl noch gar nicht genau feststeht, was geschehen ist. «U-Haft» hat nicht den Zweck, jemanden zu bestrafen, sondern soll die Strafuntersuchung erleichtern. Sie kann angeordnet werden, wenn eine Person dringend verdächtigt wird und zudem die Gefahr besteht, dass der Angeschuldigte etwa flieht, Beweise beseitigt, weitere Straftaten begeht oder ein geplantes Verbrechen zu Ende führt.

Darf ich die Aussage verweigern?

Zu Beginn der ersten Einvernahme muss die Polizei oder die Staatsanwaltschaft Sie darüber informieren, weshalb Sie einvernommen werden, und insbesondere darlegen, was Ihnen zur Last gelegt wird. Zudem muss man Sie darauf hinweisen, dass Sie das Recht auf einen Anwalt haben (so genanntes Recht auf den Anwalt der ersten Stunde) und dass Sie die Aussage und die Mitwirkung verweigern können.

Nützlich ist dieses Recht, wenn Sie zu angeblichen Beweismitteln Stellung nehmen sollen: Bestehen Sie darauf, dass man Ihnen Zeugenaussagen, Gutachten, Urkunden oder andere Beweise zeigt, bevor Sie sich dazu äussern. Wenn Sie Ihre Aussage verweigern wollen, sollten Sie das klar und deutlich zum Ausdruck bringen: «Ich sage nichts.» Und bleiben Sie dabei – selbst wenn der Polizist nachhakt und Ihnen Nachteile in Aussicht stellt. Lügen sollten Sie hingegen nicht, denn früher oder später werden Sie sich in Widersprüchen verheddern.

Wann habe ich das Recht auf einen Verteidiger?

Nebst dem Anwalt der ersten Stunde hält die Strafprozessordnung Strafprozessordnung Was für Beschuldigte und Opfer gilt  fest, wann die Strafbehörden den Beschuldigten zwingend – also auch gegen ihren Willen – eine Anwältin oder einen Anwalt zur Seite stellen müssen. Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Untersuchungshaft mehr als zehn Tage gedauert hat oder der beschuldigten Person eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht.

Auch wenn kein Anlass für eine solche notwendige Verteidigung besteht, können Sie immer einen amtlichen Verteidiger verlangen, wenn kein Bagatellfall vorliegt und Sie auf rechtliche Unterstützung angewiesen sind, Ihnen dazu aber die finanziellen Mittel fehlen.

Wichtig: Die Kosten der amtlichen Verteidigung kann die Strafbehörde innerhalb von zehn Jahren zurückfordern, falls sich Ihre finanziellen Verhältnisse verbessert haben, etwa durch eine Erbschaft.

Darf ich die Strafakten einsehen oder darf das nur mein Anwalt?

Regelmässig bekommen Beschuldigte zu hören, nur die Verteidigung habe ein Recht auf Akteneinsicht. Das ist falsch: Einerseits gibt es in der Schweiz grundsätzlich keinen Anwaltszwang, anderseits ist das Akteneinsichtsrecht Teil des Anspruchs auf rechtliches Gehör, das in der Bundesverfassung verankert ist.

Deshalb muss die Strafbehörde spätestens nach der ersten Einvernahme Einsicht in die Akten gewähren – und zwar in sämtliche. Nur bei begründetem Verdacht auf Rechtsmissbrauch und bei sogenannt höherwertigen Geheimhaltungsinteressen, etwa solchen des Militärs, können einzelne Aktenstücke entfernt oder anonymisiert werden. Wichtig: Das Einsichtsrecht bedeutet nicht, dass man Ihnen die Akten zuschicken muss. Sie können sie bei der Behörde anschauen, sich daraus Notizen machen oder sie kopieren.

Mein Sohn ist in ein Strafverfahren geraten. Kann ich ihn selber verteidigen?

Die Jugendstrafprozessordnung sieht vor, dass beschuldigte Jugendliche grundsätzlich durch die gesetzliche Vertretung handeln – also insbesondere die Eltern. Wenn ein Jugendlicher urteilsfähig ist, kann er seine sogenannten Parteirechte aber auch selbständig wahrnehmen. Mit anderen Worten: Als Mutter oder Vater können Sie Ihr Kind im Strafverfahren vertreten und begleiten – Sie müssen aber nicht.

Erfahrungsgemäss sind Eltern nicht die besten Verteidiger, weil sie emotional zu stark involviert sind. Überlegen Sie sich deshalb, ob Sie die Verteidigung nicht gleich von Anfang an einem professionellen Verteidiger übergeben wollen.

Muss ich als Zeugin oder Zeuge wirklich aussagen?

Am wichtigsten ist zuerst einmal: Sie sollten einer entsprechenden Vorladung der Staatsanwaltschaft unbedingt nachkommen, sonst werden Sie eventuell zwangsweise durch die Polizei vorgeführt. Vor der Einvernahme muss man Sie darauf aufmerksam machen, dass folgende Personen ihre Aussagen verweigern dürfen:

  • der Ehemann oder die eingetragene Partnerin der beschuldigten Person – auch nach Auflösung der Ehe oder Partnerschaft
  • der Konkubinatspartner, wenn er mit der beschuldigten Person zusammenlebt
  • Personen, die mit dem oder der Beschuldigten gemeinsame Kinder haben
  • nahe Verwandte: Kinder, Eltern, Geschwister, Verschwägerte, Adoptiv- und Stiefverwandte
  • Pflegekinder, -eltern und -geschwister -eines Beschuldigten sowie ihre Beistände
  • das Opfer einer Vergewaltigung oder -einer anderen Straftat gegen die sexuelle Integrität bei Fragen, die seine Intimsphäre betreffen
  • der Zeuge selbst, falls er sich oder eine ihm nahestehende Person mit seiner Aussage belasten würde
  • Personen, die dem Amts- oder Berufsgeheimnis Berufsgeheimnis Dürfen Anwälte & Co. ihr Schweigen brechen? unterstehen, also Behördenmitglieder, Anwältinnen, Notare, Ärztinnen sowie deren Hilfspersonen.

Wenn Sie sich nicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht berufen können, müssen Sie wahrheitsgetreu aussagen, sonst riskieren Sie eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Lohnt es sich, einen Strafbefehl anzufechten?

Der Strafbefehl ist eine Art «Offerte» der Staatsanwaltschaft bei Delikten, die nur mit einer Busse, einer Freiheitsstrafe von maximal sechs Monaten, einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen oder gemeinnütziger Arbeit von 720 Stunden geahndet werden. Da beim Strafbefehl keine Gerichtsverhandlung durchgeführt werden muss und die Staatsanwaltschaft nur eine beschränkte Begründungspflicht hat, sind die Verfahrenskosten wesentlich geringer als im ordentlichen Verfahren.

Wenn Sie hingegen innert zehn Tagen Einsprache gegen den Strafbefehl Strafbefehl Wann lohnt sich eine Einsprache? erheben, kommt es zum ordentlichen Verfahren – mit einem Kostenrisiko von mehreren hundert Franken. Eine Anfechtung lohnt sich deshalb nur, wenn Sie beweisen können, dass Sie die Ihnen vorgeworfene Tat nicht begangen haben oder dass diese gar nicht strafbar ist.

Wer bezahlt die Kosten, wenn das Verfahren eingestellt wird oder ich freigesprochen werde?

Dann gehen die Kosten grundsätzlich zulasten der Staatskasse. Dieser Grundsatz wird aber durchbrochen, wenn Sie das Strafverfahren «in verwerflicher Weise» selbst verursacht oder die Untersuchung erschwert haben, zum Beispiel mit Lügengeschichten. Dann können die Strafbehörden die Verfahrenskosten ganz oder zumindest teilweise Ihnen aufbrummen.

Ablauf eines Strafverfahrens

Das Strafverfahren läuft mit der Schweizerischen Strafprozessordnung im gesamten Land gleich ab:

1. Aufgrund einer Strafanzeige oder eigener Wahrnehmungen beginnt die Polizei im sogenannten Vorverfahren mit Ermittlungen. Dabei muss sie durch Einvernahmen und andere Erhebungen abklären, ob ein Verdacht besteht, dass jemand eine strafbare Handlung begangen hat.

2. Die Polizei rapportiert die Ergebnisse an die Staatsanwaltschaft. Kommt auch diese zum Schluss, dass ein hinreichender Anfangsverdacht besteht, eröffnet sie das Untersuchungsverfahren.

3. Nachdem alle notwendigen Untersuchungsmassnahmen durchgeführt wurden, schliesst die Staatsanwaltschaft das Vorverfahren ab, indem sie Anklage erhebt, einen Strafbefehl erlässt – oder die Untersuchung einstellt.

4. Bei einer Anklage kommt es zum Hauptverfahren – und dabei zur
Verhandlung vor dem Strafgericht.