Es gibt Dinge, auf die man verzichten kann. Und solche, bei denen man keine Wahl hat – zumindest als Frau nicht. Tampons, Binden und Slipeinlagen gehören dazu. Monat für Monat fallen Kosten dafür an. Das läppert sich.

Eine Frau menstruiert im Leben rund 450-mal, im Schnitt etwa fünf Tage pro Zyklus. Angenommen, sie verwendet vier Tampons pro Tag – Hersteller empfehlen, sie alle vier bis acht Stunden zu wechseln –, sind das 20 Tampons pro Monat und 9000 Tampons im Leben. Bei einer durchschnittlich teuren Marke kommen so Kosten in Höhe von rund 1392 Franken zusammen. Noch einmal so viel geben Frauen für Binden und Slipeinlagen aus.

So gerechnet zahlt eine Frau rund 3000 Franken für ihre Periode. Bei vielen kommen noch Kosten für Schmerzmittel, therapeutische Massnahmen und Arztbesuche hinzu. Das summiert sich in einem Frauenleben auf 23'500 Franken, wie eine Umfrage der britischen «Huffington Post» zeigt. Sie bezieht Schmerzmittel, Pflegeprodukte und neue Unterwäsche mit ein. 

Einer von zehn britischen Teenagern kann sich keine Hygieneprodukte leisten, zeigt eine Studie des Kinderhilfswerks Plan International. Deshalb machte der Begriff «Period Poverty» die Runde, Perioden-Armut.

Kein «täglicher Bedarf»?

In der Schweiz ist die Lage weniger prekär. Doch Tampons, Binden und Slipeinlagen werden mit dem vollen Mehrwertsteuersatz von 7,7 Prozent besteuert. 

Das sorgt für Unmut. Denn gleichzeitig gibt es Produkte, die als «Güter des täglichen Bedarfs» gelten – für sie gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent. Dazu gehören Lebensmittel und Medikamente, aber auch Schnittblumen, Katzenstreu und Zeitschriften. Auch das Potenzmittel Viagra, das in die Kategorie Medikamente fällt, wird geringer besteuert als Tampons; ebenso Kaviar, der zur Kategorie Lebensmittel zählt.

«Paradox und befremdlich»

SP-Nationalrat Jacques-André Maire will das ändern. Ende 2018 hat er eine Motion eingereicht. Darin fordert er, dass Damenhygieneprodukte als lebensnotwendige Güter definiert und somit zum reduzierten Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent besteuert werden. Es sei Zeit, dass die «paradoxe und befremdliche» Regelung im Mehrwertsteuergesetz korrigiert und dieser Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ein Ende gesetzt werde, sagt Maire.

Noch vor gut einem Jahr ist er im Parlament mit einer ähnlichen Motion krachend gescheitert. Der Bundesrat empfahl die Vorlage zur Ablehnung, im Nationalrat stimmten fast 75 Prozent dagegen. Der Bundesrat argumentierte, von einer Diskriminierung könne nur gesprochen werden, wenn vergleichbare Produkte reduziert besteuert würden. Das sei bei Hygieneartikeln nicht der Fall. Es liege auch keine Diskriminierung Gleichstellung Wann liegt eine Diskriminierung vor? vor, wenn nur ein Teil der Bevölkerung solche Produkte benötige – sonst müssten auch Käufer von Brillen oder Schuheinlagen als diskriminiert gelten.

 

9000 Tampons braucht eine Frau im Leben.

 

Heute stehen die Chancen für Maires Anliegen deutlich besser. Soziale Bewegungen wie MeToo oder die Women’s Marches haben zusätzlich für das Thema sensibilisiert. Einige Länder haben die Mehrwertsteuer auf Tampons und Co. ganz abgeschafft (siehe Grafik am Artikelende). In der Schweiz ist die Abschaffung der «rosa Steuer» eine der Hauptforderungen für den Frauenstreik vom 14. Juni Klimastreik und Frauenstreik Streiken in der Grauzone .

Der Wind hat auch in Bern gedreht. Der Bundesrat empfahl Anfang Jahr überraschend die Annahme der zweiten Motion von Jacques-André Maire. Das dürfte auch an der neuen Konstellation im Bundesrat liegen. Mit Simonetta Sommaruga, Karin Keller-Sutter und Viola Amherd sitzen nun drei Frauen in der Landesregierung.

Bremsklotz Ständerat

Die neue Motion ist deutlich enger gefasst. Vor zwei Jahren forderte Maire die reduzierte Mehrwertsteuer auch für Windeln, WC-Papier und Seife. Jetzt geht es nur noch um Binden, Tampons und Menstruationsbecher. Das dürfte auch das Argument entkräftet haben, die finanziellen Ausfälle wären zu hoch. 2017 rechnete der Bundesrat noch mit Mindereinnahmen von 50 Millionen Franken pro Jahr, Maire bei seiner neuen Vorlage mit 10 bis 15 Millionen Franken – also rund 0,5 Promille der Einnahmen. Auch im Nationalrat gab es daher diesmal keine Opposition.

Trotz Zustimmung von Bundesrat und Nationalrat ist unklar, ob die Reduktion der «Tampon-Tax» durch den Ständerat kommt. «Aufgrund der bürgerlichen Mehrheit zweifle ich daran», sagt SP-Nationalrat Cédric Wermuth. «Gesellschaftspolitische Anliegen wie Vaterschaftsurlaub oder Lesben- und Schwulenrechte haben es im Ständerat traditionellerweise schwer.» Das hat auch mit dem Frauenanteil zu tun: Im Nationalrat liegt er bei 31,5 Prozent, im Ständerat aber bei nur gerade 13,3 Prozent.

Im Ständerat gibt es Bedenken, weil das Mehrwertsteuersystem komplizierter würde. «Jede zusätzliche Ausnahme verteuert das System und schafft neue Ungerechtigkeiten», sagt etwa FDP-Ständerat Andrea Caroni. Er plädiert für einen Einheitssatz für alle Güter. Das sei zwar noch Zukunftsmusik – und wurde in der Vergangenheit mehrfach abgelehnt. «Bis dahin stimme ich ganz grundsätzlich keinen weiteren Ausnahmen zu», sagt Caroni. «Jede Ausnahme schafft eine Gruppe, in diesem Fall sogar eine sehr grosse, die ihre Vorteile dann gegenüber dem Einheitssatz verteidigen wollen wird.» Auch FDP-Ständerat Josef Dittli meint, dass man Ausnahmen und Sondersätze tendenziell reduzieren und nicht noch weiter ausbauen soll.
 

«Ich betrachte Damenhygieneartikel als Gegenstände des täglichen Gebrauchs und sehe keine Einwände gegen die Motion.»

Alex Kuprecht, SVP-Ständerat


Für einen Einheitssatz macht sich auch der Dachverband der Schweizer Wirtschaft Economiesuisse stark. Frank Marty, Leiter Finanzen und Steuern, warnt in einem Blogeintrag vor partiellen Entlastungen für bestimmte Leistungen und Gruppen. «Warum sollte es gewisse Sachen günstiger geben als andere? Nach dieser Logik sollten auch Kindersitze günstiger verkauft werden. Oder Sonnenbrillen und WC-Papier.»

Es sei «bedauerlich» und «sollte nicht Schule machen», dass Bundesrat und Nationalrat den neuen «Tampon-Vorstoss» angenommen haben. «Der Ständerat sollte die Chance nutzen und die Fehlentwicklung korrigieren», schreibt Marty.

Dennoch gibt es parteiübergreifend Stimmen im Ständerat, die durchaus davon ausgehen, dass das Anliegen durchkommt. «Ich betrachte Damenhygieneartikel als Gegenstände des täglichen Gebrauchs und sehe keine Einwände gegen die Motion», sagt etwa SVP-Mann Alex Kuprecht.

Ein positives Signal setzen

Migros und Coop wären bei der Umsetzung mit dabei: «Wir begrüssen den Vorstoss und werden eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes vollumfänglich an unsere Kundinnen weitergeben», heisst es bei Coop. Auch die Migros will die Reduktion weiterreichen.

Viel würden Kundinnen dabei allerdings nicht sparen. Bei einer Packung Tampons für Fr. 4.95 der Marke O. B. wäre die Ersparnis rund 25 Rappen. «Es geht um die symbolische Bedeutung», sagt Motionär Jacques-André Maire. «Eine reduzierte Besteuerung trägt dazu bei, die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen abzubauen und ein positives Signal im globalen Kampf für die Gleichstellung zu setzen.» 

Mehrwertsteuer auf Tampons

Infografik Mehrwertsteuer auf Tampons und Hygieneprodukte

Quelle: Andrea Klaiber
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