Es begann mit ein paar SMS. Etwas über willige Hausfrauen und ähnlich anzügliche Angebote. Klara Brun* fühlte sich nicht angesprochen, wischte die Nachrichten vom Handy. «Es irritierte mich, dass ich solche Mitteilungen erhalte. Aber ich dachte, es werde aufhören, wenn ich sie ignoriere.»

Es hörte nicht auf. «Ich fürchtete, dass so ein SMS plötzlich an einer Besprechung mit Schülern oder Lehrern aufpoppt», sagt die Lehrerin aus dem Kanton Zürich. Sie begann ihr Handy zu verstecken.

718 Franken sollte Frau Brun für rund 140 ungelesen gelöschte SMS bezahlen.

Wenige Wochen später der Schock. Die Handyrechnung. «Gespräche, SMS und Surfen sind in meinem Abo inbegriffen», sagt Brun. Doch diesmal wollte die Swisscom CHF 717.70 zusätzlich. Für all die SMS, die Klara Brun ungelesen gelöscht hatte. Im Verbindungsnachweis sind rund 140 Nachrichten unter der Rubrik «Mehrwertdienste» gelistet. Jede kostet 5 Franken.

Absender sind Kurznummern von Smiles Solutions, Mobile Trade und Dynobis. Die Firmen im Bereich «Erwachsenenunterhaltung» vermitteln Pornofilme und Erotik-Chats. Angeblich habe Brun mit allen Abos abgeschlossen. Wie, wo und wann, weiss sie bis heute nicht. «Ich grübelte. Letzten Herbst war ich mal auf einer Gratis-Sexsite. Aber nie im Leben würde ich Abos für SMS oder Filme abschliessen Checkliste So wehren Sie sich gegen unbestellte SMS

Swisscom verzichtet auf Inkasso

Sie wies die Forderung bei der Swisscom zurück und beschwerte sich bei der Schlichtungsstelle Telekommunikation (Ombudscom), die bei Konflikten vermittelt. Nach einigen Wochen die erfreuliche Nachricht: Die Swisscom verzichtet auf das Inkasso der SMS.

«Seit einiger Zeit streichen wir bestrittene Mehrwertdienstleistungen grundsätzlich von der Rechnung und machen dafür kein Inkasso», sagt die Sprecherin. Dass sich Mobilfunkanbieter überhaupt auf das dubiose Geschäft mit der «Erwachsenenunterhaltung» einlassen, liegt an den hohen Margen von 20 und 50 Prozent der Gebühren.

Die nächste Rechnung folgt sogleich

Klara Brun glaubte, der Spuk sei nun vorbei. Vergeblich. Eine der «Mehrwert-Firmen», Smiles Solutions, stellte die von der Swisscom nicht einkassierten SMS-Gebühren direkt in Rechnung – über eine Inkassofirma. Auf die 203 Franken schlug die Inkassolution GmbH noch einen unzulässigen Verzugsschaden Mahnung Muss ich fürs Inkasso zahlen? von 149 Franken. Und sie drohte mit Betreibung, falls Brun nicht innert weniger Tage bezahle.

«Ich hatte noch nie eine Betreibung und bekam Panik», sagt Brun. Sie meldete sich wieder bei der Swisscom. Mit einem überraschenden Ergebnis: «Ich erhielt eine Gutschrift im Betrag der offenen Rechnung, einlösbar beim Kauf eines neuen iPhones oder iPads.» Darauf bezahlte sie die Rechnung – auch auf Anraten der Swisscom. Zumindest für den «Erwachsenenunterhalter» ist die Rechnung aufgegangen.

«Die Gutschrift ist eine Kulanzleistung für Unannehmlichkeiten, die der Kundin entstanden sind», so die Swisscom. «Das bedeutet nicht, dass wir indirekt die bestrittene Rechnung bezahlen.» Genau das ist aber geschehen.

2183 Beschwerden eingegangen

Wenige Wochen später erneut Post von Inkassolution. Sie fordert CHF 1005.65 für SMS der Firma Mobile Trade. Diesmal weigerte sich Brun zu bezahlen. Wie vom Beobachter und von ihrer Rechtsschutzversicherung empfohlen, bestreitet sie die Forderung eingeschrieben. Mobile Trade reagierte weder auf ihr Schreiben noch auf Anfragen des Beobachters. Anfang April dann die gute Nachricht: Die Firma bestätigt gegenüber der Swisscom, auf ein Inkasso zu verzichten.

Klara Brun ist kein Einzelfall. 2183 Beschwerden wegen der Verrechnung von Mehrwertdiensten sind 2016 bei der Ombudscom eingegangen. Swisscom, Sunrise und Salt beteuern derweil, man verwarne Anbieter von Mehrwertdiensten, wenn sie gegen Verträge verstossen würden.

Ob es überhaupt zufriedene Kunden gibt, die 5 Franken für Sex-SMS bezahlen, bleibt fraglich. Gratis-Pornos und billigere Chat-Angebote gibt es im Internet im Überfluss. Handyfallen Ärger mit dem Telekomanbieter Probleme mit Handy und Internet – so wehren Sie sich gegen hohe Kosten auch.

*Name geändert

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Peter Johannes Meier, Ressortleiter
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