Diese Nachricht alarmiert: In St. Gallen wird weiterhin Fleisch verkauft, das mit den sogenannten Ewigkeitschemikalien PFAS belastet ist. Und zwar, obwohl es den PFAS-Grenzwert überschreitet und eigentlich nicht mehr auf dem Teller landen dürfte. Und sehr zum Missfallen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), das für die Durchsetzung in den Kantonen aber keine rechtliche Grundlage hat. Das berichtete die «NZZ am Sonntag». 

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Wie kann das sein? Und wie erkennt man, ob das Fleisch im Laden aus St. Gallen stammt und PFAS enthält? Diese Fragen stellen sich jetzt viele Konsumentinnen und Konsumenten. 

Tatsächliches Ausmass ungeklärt

Zu Recht. Denn diese Debatte ist wichtig. Die Dimension der PFAS-Verschmutzung ist enorm, und die Behörden beginnen erst, das tatsächliche Ausmass zu klären. Im ganzen Land werden ständig neue Gebiete als verseucht ausgewiesen, die für viel Geld saniert werden müssen.

Gleichzeitig geht die Verschmutzung weiter. Die Chemikalien dürfen mit wenigen Ausnahmen heute noch ungehindert in industriellen Prozessen und in Produkten wie Bratpfannen, Textilien, Kosmetika oder Feuerlöschschaum verwendet werden. Die Stoffe sind so beliebt, weil sie sehr stabil sind und schmutz-, wasser- sowie fettabweisend. Eine Deklarationspflicht gibt es nicht. Über Böden und Gewässer gelangen sie schliesslich in Nahrungsmittel und ins menschliche Blut, wo sie sich anreichern und zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen können.

Nach der neusten Nachricht nur mit dem Finger auf St. Gallen zu zeigen und kein Fleisch mehr von dort zu kaufen, greift deshalb viel zu kurz.

Nicht überall wird die Belastung gemessen

Nicht nur in St. Gallen wurde mit PFAS-verseuchtem Klärschlamm gedüngt. Nicht nur in St. Gallen wird Landwirtschaft betrieben und werden Lebensmittel produziert.

Der Bund und der Kanton St. Gallen sind zwar geteilter Meinung darüber, ob das belastete Fleisch jetzt in einer Übergangszeit noch verkauft werden darf. Aber immerhin haben die Behörden in St. Gallen gemessen, wie stark Milch, Fleisch, Böden und Gewässer im Kantonsgebiet mit PFAS belastet sind. Und sie haben die Resultate publiziert. Nur deshalb weiss die Öffentlichkeit überhaupt über die Verschmutzung Bescheid.

Das machen bei weitem nicht alle. Das aktuelle Schweigen gewisser Kantone ist ohrenbetäubend.

Es steht ausser Frage, dass es noch viele böse Überraschungen geben wird. Nur: Wer nicht misst, muss auch keine aufgeschreckten Bürgerinnen und Bürger beruhigen. Muss nicht die Existenz von Landwirten riskieren, wenn deren Produkte aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Muss nicht riesige Geldsummen in Studien und Massnahmen investieren.

Das Problem bei der Wurzel packen

Eigentlich ist St. Gallen überall. Es gibt keinen Anlass zu glauben, dass nicht auch in anderen Regionen des Landes stark PFAS-belastete Nahrungsmittel produziert werden. Nur wissen das weder Landwirtinnen noch Konsumenten. 

Auch wenn Detailhändler jetzt verschärfte Kontrollen ankündigen wie etwa die Migros, wird das eigentliche Problem dadurch nicht kleiner.

Statt sich zu ducken und St. Gallen die Misere ausbaden zu lassen, sollten also auch diejenigen Kantone rigoros messen, die bisher wenig darin investiert haben. Sie müssen schnellstmöglich Klarheit schaffen über die PFAS-Belastung in ihrem Gebiet und die Resultate transparent machen. Erst dann kann man tatsächlich Massnahmen ergreifen, um die Sicherheit der Konsumenten zu gewährleisten. 

Vor allem aber: Nach jahrzehntelanger verantwortungsloser Verschmutzung müssen PFAS endlich als gesamte Stoffklasse verboten werden. Und zwar sowohl in der Industrie als auch in Konsumprodukten. Das wird momentan in der EU diskutiert. Aber Schweizer Firmen und die Chemie-Lobby bekämpfen diese Bemühungen aktiv. Auf dem Buckel unserer Gesundheit.