Unternehmen können Staat nicht mehr prellen
Wenn Unternehmen die Rechnungen des Staates nicht bezahlen, droht ihnen neu der Konkurs. Der Beobachter erklärt, warum das so ist und was es bedeutet.
Veröffentlicht am 26. Juni 2025 - 16:58 Uhr
Seit dem 1. Januar 2025 werden Unternehmen immer auf Konkurs betrieben, auch für Schulden beim Staat.
Bis anhin konnten Unternehmen Rechnungen des Staates, etwa für Steuern, getrost ignorieren – in Konkurs gingen sie deshalb nicht. Das Ziel war, die Wirtschaft zu stärken. Doch einige Unternehmen haben das Privileg missbraucht und so Löcher in die Staatskasse gerissen. Damit ist nun Schluss.
Was das bedeutet, erklärt der Beobachter:
Wer ist betroffen?
Unternehmen, die im Handelsregister eingetragen sind: juristische Personen wie Aktiengesellschaften, GmbHs oder Genossenschaften. Oder Einzelfirmen, die mehr als 100’000 Franken Umsatz jährlich machen und sich deshalb ins Handelsregister eintragen müssen. Oder Vereine, die ein kaufmännisches Gewerbe betreiben. Für Privatpersonen ändert sich nichts, die werden weiterhin auf Pfändung betrieben, wenn sie Rechnungen nicht zahlen.
Um welche Schulden geht es?
Um alle möglichen öffentlich-rechtlichen Forderungen, also Forderungen des Gemeinwesens. Wie Steuern, Verkehrsabgaben, Gebühren von Notaren und Grundbuchämtern, Bussen, Serafe-Gebühren sowie Sozialversicherungsabgaben. Welche Forderungen die Unternehmen am häufigsten nicht bezahlen können, dazu gibt es keine Zahlen, wie das Bundesamt für Statistik dem Beobachter schreibt.
Was ist neu?
Neu werden alle Forderungen gegen Unternehmen auf Konkurs betrieben – auch die öffentlich-rechtlichen. Beim Konkurs steht für die Unternehmen immer gleich viel auf dem Spiel, denn es bedeutet das Ende der Firma. Alle Forderungen werden auf einen Schlag fällig und mit dem Vermögen der Firma bezahlt, am Schluss wird sie aus dem Handelsregister gelöscht. Abwenden kann das ein Betrieb nur, wenn er sofort bezahlt. Oder Rechtsvorschlag erhebt und dem Gericht klarmacht, dass nichts an der Forderung dran ist.
Wie war es bisher?
Bis Ende 2024 wurden öffentlich-rechtliche Forderungen auf Pfändung betrieben. Das Verfahren drehte sich nur um eine einzelne Forderung und schickte nicht gleich die ganze Firma bachab. Zum Beispiel: Wenn ein KMU die Steuern nicht bezahlte, wurde es vom Steueramt betrieben. Dann war nichts mit Konkurseröffnung, sondern das Betreibungsamt pfändete das Unternehmen. Heisst: Es prüfte, ob es Vermögenswerte gibt, um die einzelne Steuerschuld zu begleichen. Wenn nicht genug da war, bekam das Steueramt einfach einen Verlustschein, fertig.
Was ist der Grund für die neue Regelung?
Sie ist ein Puzzleteil im Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses. Es will verhindern, dass Unternehmen das Konkursrecht dazu missbrauchen können, Konkurrenten zu unterbieten und Gläubigerinnen zu schädigen. In der Botschaft steht: «Konkrete Missbrauchsfälle zeigen, dass Unternehmen nach geltendem Recht trotz chronischer Nichtzahlung öffentlich-rechtlicher Schulden wie beispielsweise Steuern oder Prämien für die obligatorische Unfallversicherung weiterexistieren können.»
Was bedeutet die Neuerung für die Konkursämter?
Konkursverfahren sind komplexer als Pfändungen. Der Kanton Zürich rechnet mit einer erhöhten Arbeitslast und hat 30 zusätzliche Stellen geschaffen, schreibt das Notariatsinspektorat dem Beobachter. Anders im Kanton Aargau. Es sei noch zu früh, die Auswirkungen der Gesetzesänderung abzuschätzen, neue Stellen wurden noch nicht geschaffen.
Was bedeutet die Neuerung für die öffentlich-rechtlichen Gläubiger, etwa die Steuerämter?
Ein Konkursverfahren kostet mehr als ein Pfändungsverfahren. Und: Die Konkursverfahrenskosten muss ein Gläubiger vorschiessen, sonst wird der Konkurs schon gar nicht eröffnet. Im Kanton Zürich sind das durchschnittlich 1800 Franken, im Kanton Bern etwa 2500 Franken. Falls am Schluss Geld rausspringt, bekommt der Gläubiger den Vorschuss zurück.
Auch der administrative Aufwand sei höher, schreiben die Finanzdirektionen des Kantons Zürich und des Kantons Bern dem Beobachter. Ihnen sind die kantonalen Steuerämter angegliedert.
Das Departement Finanzen und Ressourcen Aargau differenziert: Kurzfristig sei der Aufwand für das Steueramt zwar grösser, weil das Verfahren kompliziert ist. Aber das gleiche sich wieder aus – weil nur noch eine Betreibung pro Firma nötig ist. Vorher musste der Staat Unternehmen für jede offene Rechnung wieder von neuem betreiben. Heute muss er nur einmal das Konkursverfahren anstossen, dann wird die Firma liquidiert. Und: «Aufgrund des drohenden Konkurses gibt es einige Firmen, welche neu die Steuern bezahlen», heisst es im Aargau.
Die Expertinnen und Experten des Beobachter-Beratungszentrums haben auf fast alles eine Antwort und helfen gern weiter. Hier finden Sie unser Angebot.
- Beobachter-Rechtsratgeber: Betreibung – das Wichtigste in Kürze
- Beobachter-Rechtsratgeber: Betreibung fortsetzen – Pfändung oder Konkurs?
- Beobachter-Rechtsratgeber: Konkurs eröffnet – Rechte der Gläubiger
- Bundesgesetz über die Bekämpfung des missbräuchlichen Konkurses
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