Der Vegi-Burger ist eben doch gesünder
Burger, Fisch oder Wurst: Der Beobachter-Vergleich zeigt, was gesünder ist – das Ersatzprodukt oder das Original. Und checkt auch gleich die Ökobilanz.
Veröffentlicht am 16. Mai 2025 - 11:23 Uhr
Fleisch oder Vegi? Ein Blick auf die Zutaten zeigt, was gesünder ist.
Immer mehr vegetarische Fleischersatzprodukte kommen auf den Markt – und sorgen für hitzige Debatten. Tier- und Umweltschützer feiern die Alternativen, doch es werden kritische Stimmen laut, die vor gesundheitlichen Risiken warnen. Die «NZZ am Sonntag» titelte zuletzt gar: «Ungesunder Vegi-Burger». Was ist dran an den Vorwürfen?
Im Zentrum der Kontroverse stehen sogenannte hochverarbeitete Lebensmittel, auch als «ultra-processed foods» (UPF) bekannt. Studien zeigen: Wer häufig Hochverarbeitetes konsumiert, hat ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depression.
«Ziemlich absurd»
Allerdings ist die Definition von UPF so unscharf, dass pauschale Aussagen über die gesundheitlichen Auswirkungen kaum möglich sind. «Hochverarbeitete Lebensmittel sind angeblich allein deshalb ungesund, weil sie hochverarbeitet sind – unabhängig vom Nährstoff- oder Kaloriengehalt», sagt Martin Smollich, Professor am Institut für Ernährungswissenschaft der Uni Lübeck. «Das ist ziemlich absurd.»
Nach einer gängigen Einteilung, der sogenannten Nova-Klassifikation, gilt etwa Vollkornbrot als hochverarbeitet – reiner Zucker dagegen nicht.
Entscheidend sind die Zutaten
Tatsächlich gibt es keine Studien, die eine generelle Verurteilung pflanzenbasierter Fleischalternativen rechtfertigen. Vielmehr zeigt sich ein differenziertes Bild: Wurstverzehr ist mit einem erhöhten Sterblichkeitsrisiko verbunden, aber beim Konsum von Frühstückscerealien – ebenfalls ein hochverarbeitetes Produkt – ist es verringert.
Die Gleichung «Fleisch ungesund, Vegetarisches gesund» ist zu einfach.
Dennoch ist die Gleichung «Fleisch ungesund, Vegetarisches gesund» zu einfach. Entscheidend sind die Zutaten. «Produkte mit langen Zutatenlisten, auf denen Zusatzstoffe stehen, sehen wir kritisch», sagt Sabine Rohrmann, Ernährungswissenschaftlerin am Unispital Zürich. «Einige sind in Beobachtungsstudien mit schädlichen Gesundheitswirkungen verbunden, auch wenn wir noch nicht im Detail wissen, welche Zusatzstoffe warum schädlich sind.»
Gesättigt oder ungesättigt?
Grundsätzlich punkten Fleischalternativen mit ungesättigten Fettsäuren – Fleisch dagegen enthält vor allem gesättigte. Allerdings werden auch in vegetarischen Produkten teils gesättigte Fette aus Kokos- oder Palmöl verwendet, um die Konsistenz zu verbessern. Hier lohnt sich der Blick aufs Etikett.
«In Rapsöl sind besonders Omega-3-Fettsäuren enthalten – dagegen finden sich etwa in Sonnenblumenöl vor allem Omega-6-Fettsäuren, die als entzündungsfördernd gelten.» Das muss man allerdings wissen – auf Etiketten gibt es nur die Unterteilung in gesättigt und ungesättigt, auch bei vegetarischen Produkten.
Wenn man Fleisch oder Fisch am Stück mit Ersatzprodukten auf Pflanzenbasis vergleicht, können die Originale gesünder sein. Bei verarbeiteten Fleischprodukten wie Wurst ist dagegen meist die vegetarische Alternative die gesündere Wahl. Sie hat häufig weniger Fett und Kalorien, dafür oft ähnlich viel Salz wie die Originale mit Fleisch. Doch: «Auch vegetarische Fleischalternativen sind eher etwas für eine Grillfeier und sollten nicht in grossen Mengen Grundnahrungsmittel sein», warnt Rohrmann.
Sabine Rohrmann erforscht an der Universität Zürich die Zusammenhänge zwischen der Ernährung und dem Risiko für chronische Krankheiten, vor allem Krebs. Für den Beobachter hilft sie, einzuschätzen, wie Fleisch oder Fleischersatz gesundheitlich zu bewerten sind. Matthias Meier, Professor für nachhaltige Lebensmittelwirtschaft an der Berner Fachhochschule, schätzt zudem die Klimabilanz der Produkte auf Basis aktueller wissenschaftlicher Studien ein.
Bratwurst
- Gesundheit: Unsere vegane Testbratwurst «Betty Bossi Plant Kitchen» ist der «Bell St. Galler Olma-Bratwurst», dem fleischlichen Testpendant, deutlich überlegen. Sie hat weniger Fett und erst noch mehr ungesättigte Fette aus Rapsöl; daneben weniger Kalorien, weniger Salz – und zusätzlich mehr Protein. Beide Produkte enthalten Zusatzstoffe.
- Klima: Eine vegane Bratwurst auf Weizenprotein- und Tofubasis hat im Vergleich zur Olma-Bratwurst eine zirka zehnmal so gute Klimabilanz.
Steak
- Gesundheit: Unser Testfleisch «Natura-Beef Rindshohrücken mariniert» und die Test-Fleischalternative «Planted veganes Steak» sind ähnlich zu bewerten, das Ersatzprodukt schneidet leicht besser ab. Denn das Fettsäurenprofil ist beim Planted Steak viel besser, da es nur Rapsöl enthält.
Der Gehalt an Energie und Protein ist ungefähr gleich, wobei die Wertigkeit des Proteins beim Planted Steak nicht angegeben ist. «Der Eisengehalt ist ähnlich, allerdings können wir Eisen aus pflanzlicher Quelle schlechter aufnehmen als aus tierischer», sagt Expertin Sabine Rohrmann. Das Planted Steak enthält sogar mehr Salz. Der Konsum von viel rotem Fleisch wird dagegen mit erhöhtem Krebsrisiko in Verbindung gebracht. - Klima: Das vegane Steak auf Sojaproteinbasis schneidet im Vergleich zum Rindersteak zirka zehnmal so gut ab.
Nuggets
- Gesundheit: Gesundheitlich steht das Test-Fleischprodukt «Don Pollo Chicken Nuggets paniert» besser da als die vegetarische Variante «V-Love Veggie Nuggets» – die enthält doppelt so viel Fett und einen Drittel mehr Kalorien als das Pendant aus Poulet. «Zumindest sind dem Ersatzprodukt als Ausgleich für fehlende Nährstoffe gegenüber Fleisch Eisen, B12, B2 und Zink zugesetzt», sagt Expertin Sabine Rohrmann.
- Klima: Vegane Chicken-Nuggets auf Sojaproteinbasis haben im Vergleich zu Geflügelfleisch-Nuggets eine etwa dreimal so gute Klimabilanz.
Burger
- Gesundheit: Der vegetarische Testburger «Garden Gourmet Sensational Burger» ist gesünder, aber nur geringfügig. Er hat etwas weniger Energie, dazu mehr ungesättigte Fettsäuren und deutlich weniger Salz als das Fleischpendant «M-Classic Rindsburger». «Beide Burger enthalten allerdings Zusatzstoffe, um sie haltbarer und optisch ansprechender zu machen», sagt Sabine Rohrmann.
- Klima: Ein veganer Burger auf Sojaproteinbasis ist im Vergleich zum Rindfleischburger etwa zehnmal weniger klimaschädlich.
Fischstäbchen
- Gesundheit: Unsere Test-Fischvariante «Free From Fischstäbchen MSC» ist gesünder als das vegane Pendant «Vivera Vissticks wie Fischstäbchen». Sie enthält weniger Energie, weniger Fett und erscheint sogar von der Fettsäure-Zusammensetzung her ebenbürtig, obwohl das die Domäne pflanzlicher Alternativen ist. Allerdings sind Fischstäbchen nicht die gesündeste Art, Fisch zu essen. Wegen der Panade haben sie mehr als doppelt so viel Energie wie ein Fischfilet.
- Klima: Vegane Fischstäbchen auf Weizenproteinbasis verursachen im Vergleich zu Fischstäbchen eine dreifach geringere Ausschüttung von Klimagasen. Die Überfischung der Meere ist dabei nicht berücksichtigt.
Hinweis: Dieser Artikel wurde erstmals am 1. Januar 2025 veröffentlicht.