Liebe Leserinnen und Leser

Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Es sind diesmal ziemlich viele. Denn gerade tagt das Parlament zur Sommersession. Wir haben Ihnen darum eine Handvoll weitere Nachrichten am Schluss kurz zusammengefasst.

Die Themen diesmal:

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Mindestlöhne: Der Nationalrat will kantonale Abstimmungen kippen

Darum gehts: Gesamtarbeitsvertrag vor Mindestlohn? Die grosse Parlamentskammer hat entschieden, dass Mindestlöhne aus allgemein verbindlichen GAV höher gewichtet werden als kantonale Mindestlöhne. Aktuell kennen die fünf Kantone Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, Jura und Tessin kantonale Mindestlöhne. Betroffen sind aber nur Genf und Neuenburg – in den anderen Kantonen gelten die Mindestlöhne nur für jene Branchen, für die kein GAV besteht.

Warum das wichtig ist: Zu reden gibt der Entscheid einerseits, weil der Nationalrat damit kantonale Volksentscheide kippt. Andererseits müssen Arbeitnehmende in den betroffenen Kantonen eventuell mit Lohnverlusten rechnen. Nach Zahlen der Gewerkschaft Unia gehören etwa im Kanton Genf Coiffeure, ungelernte Beschäftigte in der Gastronomie, in Tankstellenshops oder in Wäschereien zu den potenziellen Verliererinnen und Verlierern. Die befürchteten monatlichen Lohnverluste in diesen Berufen bewegen sich zwischen etwa 200 und 500 Franken. Extrembeispiel: In Genf könnten ungelernte Coiffeure im ersten Berufsjahr künftig bis zu 878 Franken im Monat weniger verdienen.

Das sagt der Beobachter: Im Vorfeld der Ratsdebatte sagte Arbeitgeberverbands-Direktor Roland A. Müller, ein existenzsichernder Lohn sei nicht Aufgabe der Arbeitgeber – und sorgte damit für Entrüstung. Auch in der reichen Schweiz leben viele am Existenzminimum. Knapp 8 Prozent der Bevölkerung sind von Armut betroffen. Dazu kommen sogenannte Working Poor, bei denen der Lohn trotz Arbeit nicht wirklich zum Leben reicht. Der Entscheid des Nationalrats ist nicht nur demokratiepolitisch bedenklich, weil er Volksentscheide übersteuert. Er trifft auch die Schwächsten der Gesellschaft.

Stalking: Opfer können sich künftig besser wehren

Darum gehts: Soll Stalking explizit bestraft werden? Ja, finden das Parlament und der Bundesrat – aber nicht von Amtes wegen. Opfer von Stalking können in Zukunft Anzeige erstatten. Dies haben National- und Ständerat in einer Einigungskonferenz am Mittwoch beschlossen. Der Bundesrat will diese Strafbestimmung zusammen mit den Kantonen nun möglichst rasch in Kraft setzen. 

Warum das wichtig ist: Bislang konnten Stalker nur wegen anderer Delikte verurteilt werden. Beispielsweise für Nötigung, wenn sie dem Opfer auf dem Arbeitsweg auflauern, oder für Missbrauch einer Fernmeldeanlage, wenn das Opfer wiederholt Anrufe erhält, bei denen es am anderen Ende der Leitung nur jemanden atmen hört. Die direkte strafrechtliche Verfolgung von Stalking kann Menschen davon abhalten, anderen nachzustellen.

Das sagt der Beobachter: Wer ständig mit einem neuen, unerwünschten Überfall rechnen muss, büsst enorm viel Lebensqualität ein. Opfer fühlen sich in dieser vermeintlich ausweglosen Situation oft hilflos und verzweifelt. Die neue Strafbestimmung ist ein wichtiges Signal. Wer die persönlichen Grenzen anderer durch Nachstellung nicht respektiert, kann nun verfolgt und bestraft werden. Damit diese Form der Belästigung abnimmt, bleibt zu hoffen, dass der Beschluss Betroffene zur Anzeige ermutigt und potenzielle Stalker einschüchtert.

Über «Das war richtig wichtig»

Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.

Psychiatrieheim Ansbach Care: Angehörige von Bewohnern berichten von unwürdigen Zuständen

Darum gehts: Im Pflegeheim Ansbach Care kam es zu Zwangsmedikationen ohne Gefährdungssituation. Das berichtete der Beobachter Ende April – und löste damit viel Echo aus. Nun berichten Angehörige von Einwohnern des Pflegeheims von Unordnung, verpieselten Betten und verschimmelten Lebensmitteln. Und wir dokumentieren einen Fall, wo eine Bewohnerin aufgrund der Unachtsamkeit einer Pflegerin die Chance hatte, aus einem Fenster zu springen. 

Warum das wichtig ist: Die Bewohner von Ansbach Care sind psychisch schwer angeschlagene, verhaltensauffällige Personen, oft befinden sie sich im fürsorgerischen Freiheitsentzug. Die Institution betreibt drei geschlossene Stationen mit je rund 15 Bewohnern, die das Haus nicht verlassen dürfen, zumindest nicht ohne Aufsicht. Pflegeplätze für solche Menschen sind Mangelware. Entsprechend gross ist die Nachfrage. Und die Angst der Angehörigen, dass ihre Liebsten den Platz verlieren, sollten sie die Betreiber der Institution kritisieren. Das für Ansbach Care zuständige Zürcher Gesundheitsdepartement will sich nicht konkret zur Recherche äussern.

Das sagt der Beobachter: Wir haben mit dem Soziologen Dirk Richter über die Vorwürfe an Ansbach Care gesprochen – und den Umgang mit psychisch Kranken im Allgemeinen. Laut Bundesamt für Statistik gibt es keine Zahlen darüber, wie viele Menschen in der Schweiz in geschlossenen Einrichtungen leben, ohne eine Straftat begangen zu haben. Schon das allein, sagt Richter, sei ein Skandal.

Die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP scheiterte vor einem Jahr an der Urne. Jetzt versuchen die Befürworter dasselbe eine Stufe tiefer. Im Kanton Basel-Stadt sollen die Krankenkassenprämien nicht mehr als 10 Prozent des Haushaltseinkommens betragen. Was darüberliegt, soll der Kanton bezahlen. Das hat das Parlament der Stadt diese Woche knapp beschlossen. 

«Wir müssen endlich akzeptieren, dass die finanzielle Belastung durch die Prämien für viele einfach zu hoch ist.» – Ismail Mahmoud, SP-Grossrat Basel-Stadt

Derzeit gibt die Basler Bevölkerung im Durchschnitt 17 Prozent des Einkommens für Krankenkassenprämien aus. Auch in anderen Kantonen will die SP jetzt Druck machen: etwa im Tessin, in Neuenburg und Freiburg.

Auch sonst war diese Woche viel los.

Das war sonst noch wichtig:

  • Die Nationalbank senkt den Leitzins erstmals in ihrer Geschichte auf null. Sie tut das, weil die Teuerung im Moment sehr tief ist und sie einen zu starken Franken verhindern will.
  • Das Parlament will, dass mehr junge Männer ins Militär und in den Zivilschutz gehen statt in den Zivildienst. Neu soll es eine Pflicht zur Armee oder zu einem neuen Katastrophendienst geben. Der Bundesrat wollte im Moment nichts ändern – jetzt muss er.
  • Der Bund muss nochmals überprüfen, ob das Pflanzenschutzmittel Tefluthrin breiter gespritzt werden darf als jetzt. Greenpeace hatte gegen eine Ausweitung geklagt und vor Bundesgericht recht bekommen.

Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs, Valentin Grünig und Luc Ruffieux.

Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.