Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 21. Juli 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
Die Themen:
- Klimaschutz: Internationaler Gerichtshof nimmt Staaten in die Pflicht – was bedeutet das für die Schweiz?
- Medikamente: Pharma will höhere Preise und droht, Mittel vom Markt zu nehmen
- Hakenkreuze in den Bergen: Wandergruppe trägt Nazisymbole zur Schau – ist das legal?
- Und das Zitat der Woche kommt besser spät als nie.
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Klimaschutz: Internationaler Gerichtshof nimmt Staaten in die Pflicht – was bedeutet das für die Schweiz?
Darum gehts: Länder, die zu wenig fürs Klima tun, verletzen das Völkerrecht. Das hat diese Woche der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag in einem Gutachten festgehalten. Allerdings lässt er offen, was «ausreichend» genau wäre. Das Gutachten stützt die Argumente der Schweizer Klimaseniorinnen, die vor einem Jahr in Strassburg erfolgreich gegen die Schweiz klagten.
Warum das wichtig ist: Das Gericht hat keinen konkreten Fall geprüft, sondern Grundlagenarbeit gemacht – die wichtig wird, wenn es zu neuen Klagen kommt. Den Auftrag dazu hat ihm die Uno-Vollversammlung gegeben. Darum ist das Gutachten so gewichtig. Erstmals sagt das wichtigste internationale Gericht, beauftragt von der Staatengemeinschaft: Ja, das Völkerrecht kann ein Instrument sein, um Staaten zum Klimaschutz zu zwingen. Obendrauf macht der IGH klar: Es geht darum, wer heute am meisten Treibhausgas ausstösst. Mit dem Argument, dass sie historisch weniger Industrie hatten und jetzt halt «nachholen», können sich Staaten nicht aus der Verantwortung ziehen.
Das sagt der Beobachter: Wir haben mit Andreas Müller, Völkerrechtsprofessor an der Universität Basel, über das Gutachten und seine möglichen Folgen gesprochen. Seine Einschätzung: «Der IGH gilt als eher konservativ. Dass alle 15 Richterinnen und Richter – auch jene aus China und Russland – den Klimawandel einstimmig zum Gegenstand des Völkerrechts erklären, ist äusserst bemerkenswert.» Den ganzen Hintergrund gibts hier:
⇒ Jetzt lesen: «Das ist ein Gutachten für Generationen»
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Medikamente: Pharma will höhere Preise und droht, Mittel vom Markt zu nehmen
Darum gehts: Novartis-CEO Vas Narasimhan sprach an der Präsentation der Halbjahreszahlen diese Woche eine Drohung aus. Zukünftig werde es wohl öfter vorkommen, dass Novartis ein Produkt vom Markt nehmen müsse – ausser Europa reformiere seine Systeme. Sprich: lässt höhere Medikamentenpreise zu. Roche ist schon einen Schritt weiter: Wie der «Tages-Anzeiger» publik machte, hat der zweite Basler Pharmariese ein hochwirksames Krebsmedikament vom Markt genommen, weil das Bundesamt für Gesundheit (BAG) einen höheren Preis ablehnte.
Warum das wichtig ist: In Europa und in der Schweiz sind die Medikamentenpreise klar reglementiert und reguliert. Nicht so in den USA – dort können die Hersteller die Preise selbst bestimmen. Doch das sehr profitable US-Geschäft steht unter Druck: US-Präsident Trump will die Medikamentenpreise deutlich senken. Diesen Druck geben die Pharmaunternehmen jetzt an europäische Regierungen weiter. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, wirft Novartis dem BAG vor, deutlich tiefere Preise als andere Länder zu verlangen. Das BAG widerspricht: Die Preisforderungen der Pharma stiegen stetig. Die Arzneimittelkosten seien ein wichtiger Treiber für die Krankenkassenprämien
Das sagt der Beobachter: Die Entgegnung des BAG ist korrekt: Die Medikamentenpreise sind ein wichtiger Treiber für die Krankenkassenprämien. Roche und Novartis verfügen durch ihre Marktmacht über viel Einfluss und verhindern so oft erfolgreich Preissenkungen und andere Sparmassnahmen. In dieser Übersicht erfahren Sie, wie:
⇒ Jetzt anschauen: Prämienticker Pharma
Hakenkreuze in den Bergen: Wandergruppe trägt Nazisymbole zur Schau – ist das legal?
Darum gehts: Am Wochenende wanderte im Berner Oberland eine Gruppe Männer, komplett in alte Wehrmachtsuniformen gekleidet, durch das Wildhornmassiv. Dies berichtete SRF am Dienstag. Eine Augenzeugin habe an manchen Uniformen Hakenkreuze und andere Nazisymbole erkannt. Laut der Berner Kantonspolizei handelte es sich um 25 Personen aus verschiedenen europäischen Ländern und den USA.
Warum das wichtig ist: Der Historiker Damir Skenderovic erklärte im «Tages-Anzeiger», dass die Schweiz ein beliebter Treffpunkt für Rechtsextreme sei, weil in der Szene bekannt sei, dass hierzulande Zurückhaltung herrsche. Die Polizei liess die Gruppe denn auch gewähren, wies sie aber an, die Jacken mit den Nazisymbolen auszuziehen – aber nur um zu verhindern, dass es zu Auseinandersetzungen mit Dritten kommt. Die Wandergruppe bezeichnet sich selbst als apolitisch. Es gehe ihr bloss darum, historische Ereignisse rund um die Gebirgsdivisionen der Wehrmacht möglichst authentisch nachzuspielen.
Das sagt der Beobachter: Die Ausbildung von Nazi-Gebirgsdivisionen, die nachweislich an Kriegsverbrechen beteiligt waren, lässt sich kaum apolitisch nachspielen. Wehrmachtsuniformen und Hakenkreuze lassen wenig Fragen über die politische Gesinnung der Gruppe offen. Die Schweiz dürfte sie sich nicht zufällig ausgesucht haben – hierzulande sind nationalsozialistische Symbole nicht explizit verboten. Das soll sich in Zukunft ändern. Wieso das komplizierter ist als gedacht, lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Nazi-Wanderer riskieren bald auch in der Schweiz Strafen
Das Zitat der Woche
Diese Woche haben 30 Staaten, überwiegend aus Europa, in einer Erklärung Israel scharf kritisiert und ein sofortiges Ende des Gazakriegs gefordert. Das Leid der Zivilbevölkerung habe ein neues Ausmass erreicht, der Tod von mehr als 800 Palästinensern «auf der Suche nach Hilfe» sei entsetzlich:
«Wir verurteilen die tröpfchenweise Lieferung von Hilfsgütern und die unmenschliche Tötung von Zivilisten, darunter Kinder, die nur ihre grundlegendsten Bedürfnisse nach Wasser und Nahrung stillen wollen.» – Occupied Palestinian Territories: Erklärung vom 21. Juli
Einer der 30 Unterzeichner ist die Schweiz. Das ist bemerkenswert, da es sich um das deutlichste Statement dieser Art seit dem Ausbruch des Kriegs handelt. In den letzten Monaten war Aussenminister Cassis im eigenen Departement zunehmend unter Druck geraten, weil er gegenüber Israel zu zögerlich und zurückhaltend auftrete.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs und Luc Ruffieux.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.