Fast acht Jahre lang lebte Daniel Gerber* mit Frau und Kindern in einer Vierzimmerwohnung in Zürich. Dann erhielt er völlig unerwartet die Kündigung. «Infolge Eigenbedarfs des Vermieters wird der mit Ihnen abgeschlossene Mietvertrag gekündigt», teilte ihm die Verwaltung mit.

Gerber zweifelte an der Begründung. «Den Nachbarn war vor drei Jahren aus demselben Grund gekündigt worden. Kurze Zeit darauf war die Wohnung wieder ausgeschrieben, allerdings mit einer viel höheren Miete.» Tatsächlich kostete die Nachbarwohnung plötzlich 3650 statt 2584 Franken brutto, zeigen dem Beobachter vorliegende Dokumente – bei gleichem Ausbaustandard.

Gerber entschied sich, die Kündigung anzufechten. Er machte sich aber zugleich auf die Suche nach einer neuen Wohnung. «Mit viel Glück fanden wir ein ähnliches Zuhause im Quartier», erzählt er. «Wegen der heiklen Wohnungslage wollten wir kein Risiko eingehen und haben die Kündigung letztendlich akzeptiert, ohne einen Vergleich anzustreben.»

«Erhöhung ist nicht gerechtfertigt»

Wenige Wochen nach seinem Auszug entdeckt Gerber seine alte Wohnung auf dem Immobilienportal Homegate. Sie kostet nun statt 2490 Franken brutto plötzlich 3690 Franken, eine Erhöhung von 1200 Franken oder 48 Prozent. «Gemäss den verwendeten Bildern wurden nur die Wände neu gestrichen und eine Spülmaschine installiert», sagt Gerber. «Da hat es mir den ‹Deckel gelupft›. Solche Spielchen dürfen nicht toleriert werden.»

Tatsächlich kann bei einem Mieterwechsel nur schon eine leichte Zinserhöhung missbräuchlich sein – je nach Standard und Lage der Wohnung. «Eine Erhöhung um fast 50 Prozent ist nicht gerechtfertigt», sagt Patrick Strub, Experte für Mietrecht im Beobachter-Beratungszentrum. «Sonst hätte der Vermieter mit dem alten Mietzins ja einen erheblichen Verlust erzielen müssen.»

Eine Anfechtungsklage vor Mietgericht wäre höchstwahrscheinlich zu Gerbers Gunsten ausgefallen, sagt Strub.

«Eine Erhöhung um fast 50 Prozent ist nicht gerechtfertigt.»

Patrick Strub, Beobachter-Experte

Die Verwaltung – in diesem Falle ist es der Hauseigentümerverband HEV in Zürich – bestätigt die Kündigung. Er betont aber auch den tatsächlich vorhandenen Eigenbedarf: «Uns liegt ein unterschriebener Vertrag eines Familienmitglieds vor», sagt Albert Leiser, Direktor des HEV Zürich. «Persönliche Gründe haben dazu geführt, dass vom Mietvertrag wieder zurückgetreten werden musste.» Welche, will Leiser nicht erläutern. Er kann auch nicht sagen, ob beim Nachbarn dieselben Gründe vorgelegen hatten.

«Die Miete war jahrelang zu tief»

Falls der Hauseigentümer ein solches Vorgehen wünscht, ist es dann nicht Aufgabe der Verwaltung, das zu unterbinden? «Wir sind Dienstleister, wir haben gegenüber dem Eigentümer einen Auftrag zu erfüllen», sagt Albert Leiser. «Der in der Ausschreibung genannte Mietpreis ist in diesem Fall marktüblich, die Miete war all die Jahre zuvor zu tief.»

Um diese «Marktüblichkeit» festzulegen, beziehe man sich unter anderem auf das «Immo-Monitoring» der Beratungsfirma Wüest & Partner. Gemäss dem Monitoring gehört die betreffende Wohnung nun plötzlich zu den teuersten 10 Prozent im Quartier – also in den Bereich von Luxuswohnungen. Zuvor war sie im «oberen Mittelfeld» gelegen.


*Name geändert

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