Dem Mann wurde im Mai 2020 gekündigt, nach fast 19 Dienstjahren. Dies, obwohl er laut dem Arbeitgeber ein ausgezeichneter Fachmann war, nie gefehlt hatte und geschätzt wurde – von Kollegen wie von Vorgesetzten.

Der Chef zitierte den Bäcker in sein Büro, gleich am ersten Tag, als er wieder normal arbeitete. Zuvor hatte der Betrieb Kurzarbeit wegen der Corona-Pandemie angemeldet. Der Grund für die Kündigung: Weil weniger Kunden in die Verkaufsstellen kamen, musste weniger produziert werden und darum wurde die Zweigstelle vorübergehend geschlossen. Der Bäcker war so schockiert, dass er psychisch krank wurde.

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Der Betrieb sei rücksichtslos vorgegangen, entschied das kantonale Gericht. Der Arbeitgeber hätte zuerst mit dem Angestellten die geplante provisorische Umstrukturierung besprechen und mit ihm schauen müssen, welche alternativen Lösungen es gibt – und die habe es gegeben. Die Kündigung ist missbräuchlich, entschied das Gericht. Zudem bekommt der Bäcker eine Entschädigung von drei Monatslöhnen, das sind 15’000 Franken. Das Bundesgericht bestätigte den Entscheid am 8. Oktober 2024.

Wie sieht die rechtliche Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in solchen Fällen aus? Der Beobachter geht auf die wichtigsten vier Fragen ein.

Wann ist eine Kündigung missbräuchlich?

Grundsätzlich dann, wenn sie aus missbräuchlichen Motiven ausgesprochen wird. Etwa, wenn einer Angestellten nur deshalb gekündigt wird, weil sie sich auf anständige Weise für ihre Rechte wehrt oder weil ein Arbeitnehmer in die RS muss.

Auch bei langjährigen, älteren Angestellten kann die Kündigung missbräuchlich sein. Sie ist trotzdem gültig, der Arbeitsvertrag wird aufgelöst. Aber Entlassene können eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen fordern. Mehr dazu in der nachfolgenden Checkliste des Beobachters.

Rechtsratgeber
Checkliste «Missbräuchliche Kündigung des Arbeitsvertrags»

Welche Gründe für eine Kündigung werden als missbräuchlich erachtet? Mitglieder des Beobachters erfahren in der Checkliste «Missbräuchliche Kündigung des Arbeitsvertrags» alle Details dazu. Sie gibt ausserdem Tipps, wie man sich gegen eine Kündigung wehren kann.

Was gilt bei älteren Angestellten?

Auch ihnen darf man kündigen, es gilt die Kündigungsfreiheit. Aber wenn Arbeitnehmerinnen kurz vor der Pensionierung stehen und viele Jahre für den Betrieb gearbeitet haben, kann es missbräuchlich sein. Fixe Altersgrenzen gibt es aber nicht – etwa ab 58 bis 60 Jahren gelten Angestellte als «älter». Und wann eine Dienstzeit lang ist, steht auch nicht fest: generell ab 12 bis 15 Dienstjahren. Das Gericht prüft alle Umstände, in jedem Einzelfall.

Ein paar Anhaltspunkte gibt es aber. Missbräuchlich ist es, wenn der Arbeitgeber rein aufgrund des Alters kündigt. Ausser die Angestellte hat das Pensionsalter schon erreicht. Oder wenn er nur kündigt, damit er das kurz bevorstehende Dienstaltersgeschenk nicht zahlen muss.

Nicht missbräuchlich ist die Kündigung grundsätzlich dann, wenn der ältere Arbeitnehmer seine Leistung nicht mehr erbringt oder fachlich oder technisch den Anschluss verloren hat.

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Was bedeutet «erhöhte Fürsorgepflicht»?

Arbeitgebende haben zwar eine grössere Fürsorgepflicht gegenüber langjährigen älteren Angestellten. Was das genau heisst, hängt aber auch wieder vom Einzelfall ab.

2014 entschied das Bundesgericht noch, dass Betriebe rechtzeitig informieren, Angestellte anhören und nach anderen Lösungen suchen müssen. Davon kam das höchste Gericht aber immer mehr ab. Im neuesten Entscheid sagt es klar, dass Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet sind.

Aber: Unternehmen müssen besonders Rücksicht nehmen – wie genau und stark, hängt aber wieder vom Einzelfall ab.

Rechtsratgeber
Musterbrief «Protest gegen missbräuchliche Kündigung»

Halten Sie die Kündigung Ihres Arbeitsvertrags für missbräuchlich, sollten Sie unbedingt während der Kündigungsfrist schriftlich dagegen protestieren. Beobachter-Mitglieder erhalten mit dem Musterbrief «Protest gegen missbräuchliche Kündigung» eine hilfreiche Vorlage, wie dieses Schreiben verfasst sein könnte.

Was sollen Arbeitnehmende tun, wenn ihnen gekündigt wird?

Gegen die Kündigung protestieren, noch während der Kündigungsfrist. Etwa mit dem Musterbrief des Beobachters oben und auf jeden Fall eingeschrieben.

Wer das nicht macht, kann später nicht mehr argumentieren, die Kündigung sei missbräuchlich gewesen. Wenn es dann keine Einigung mit der Chefin gibt, können Betroffene sich immer noch beraten lassen und allenfalls innert 180 Tagen seit Ende der Anstellung wegen der Entschädigung ein Schlichtungsgesuch einreichen.

Verwendete Quellen
  • Bundesgerichtsentscheid 4A_617/2023 vom 8. Oktober 2024
  • Aufsatz zur Präzisierung der Alterskündigung aus «Arbeitsrecht aktuell»
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