Auf der Brust der schlafenden Frau sitzt ein dämonisches Wesen, der Alb, hämisch auf sie herabgrinsend. Von hinten glotzt ein Geisterpferd. Als der Zürcher Maler Johann Heinrich Füssli 1781 «Der Nachtmahr» in der Londoner Royal Academy erstmals präsentierte, sorgte er für einen Skandal. Denn im Bild des «wilden Schweizers» verschwammen erstmals Traum und Wirklichkeit.

«So ein Alb stört nicht selten den Traum», sagt der Düsseldorfer Psychologe und Albtraumexperte Reinhard Pietrowsky. Bei Kindern gehöre das zur Entwicklung, und auch Erwachsene berichten oft davon.

Dabei ist ein Albtraum in den seltensten Fällen die Reaktion auf einen Horrorfilm im Fernsehen oder auf Katastrophenmeldungen in den Nachrichten. Auch der Vollmond ist als Ursache nicht wissenschaftlich überführt. «Albträume haben immer etwas mit uns selbst zu tun. Sie spiegeln auf verfremdete Art Ängste aus unserem Alltag Chronische Angst Wenn es mehr als nur Sorgen sind », sagt Pietrowsky. Die Psychologie nutzt das: Aus Albträumen lässt sich gut schliessen, was einen belastet oder stark beschäftigt (siehe Bildergalerie «Worüber träumen wir»). «Es lohnt sich daher schon, über einen Albtraum nachzudenken.»

Emotionale Verarbeitung im Albtraum

Ähnlich sieht es der Neurologe und Schlafmediziner Johannes Mathis vom Neurozentrum Bern. «Albträume beleuchten quasi die Lebenssituation, ein konkretes Problem im Leben. Sie ermöglichen der Psyche, ein Warnsignal abzusetzen, etwas im Leben zu überdenken oder zu verändern.»

Ein Albtraum erscheint oft deshalb so bizarr, weil uns die abgebildeten Themen auch im Alltag sehr emotional beschäftigen. Gleichzeitig seien Albträume nichts weiter als ein fortgesetztes Denken, das jedoch zeitlich und örtlich ungeordnet sei, sagt Mathis. «Daher dieses beeindruckende Chaos.» Menschen mit einem ruhigen und regelmässigen Schlaf bekommen davon wenig mit, sie verschlafen die meisten Träume und können sich am Morgen höchstens an den letzten erinnern. Das ergibt auch Sinn, denn wahrscheinlich ist der Zweck des Träumens Träume Was uns nachts durch den Kopf geht , dass das Gehirn aus dem Erlebten etwas lernt, Wichtiges von Unwichtigem unterscheidet und Letzteres im geistigen Papierkorb entsorgt.

Dass Albträume aber auch nach dem Aufwachen in den Tag hineinhallen, hat damit zu tun, dass Betroffene sie nicht in der Tiefschlafphase, sondern in der REM-Phase erleben. «Dann sind die Muskeln zwar entspannt, aber das Gehirn ist so aktiv wie im Wachzustand», sagt Psychologe Pietrowsky. Deshalb nehme man die starken Emotionen auch so intensiv wahr. «Wenn man dann aufwacht, erscheint der Traum fast real und erzeugt im ersten Moment Angst und Panik.»

Ein dämonisches Wesen sitzt auf der Brust einer schlafenden Frau, im Hintergrund grinst ein weisser Pferdekopf hämisch herab. Das Bild «Der Nachtmahr» von Johann Heinrich Füssli wurde 1781 erstmals an der Londoner Royal Academy präsentiert.

Sorgte 1781 in London für einen Skandal: «Der Nachtmahr» des Zürchers Johann Heinrich Füssli

Quelle: Oxford Science Archive / Heritage Images / Keystone

Wer für Albträume anfällig ist

Ein schlimmer Traum bleibt im Gedächtnis gespeichert, manchmal über Tage hinweg. Manchmal wiederholt er sich sogar. Falls das häufiger vorkommt, kann darunter die Lebens- und Schlafqualität leiden. Dann ist ärztliche oder psychologische Abklärung ratsam. «Zumal Albträume, sobald sie gehäuft vorkommen, nur selten wieder von allein gehen.»

Besonders anfällig für Albträume seien kreative Menschen Traumforschung «Viele Menschen haben kreative Träume» , aber auch emotional Labile oder solche mit Depressionen oder Angststörungen. «Sie nehmen zudem häufig auch Medikamente wie Antidepressiva, die ihrerseits Albträume begünstigen», sagt Pietrowsky.

Was hilft gegen Albträume?

Hilfreich gegen intensive oder häufig vorkommende Albträume sind sanfte Mittel, um den Schlaf zu beruhigen, zum Beispiel aus der Homöopathie, der Pflanzenkunde Heilpflanzen Kräuter gegen Schlafbeschwerden oder der Bachblütentherapie.

Der US-Psychologe Richard Wiseman hat sich von 500'000 Leuten Träume schildern lassen und diese ausgewertet. So fand er Hinweise, dass natürliche Geräuschkulissen wie Vogelzwitschern, Regen oder Meeresrauschen beim Einschlafen für positive Träume sorgen, hektische Klänge einer Grossstadt dagegen eher für bizarre. Der Schlafforscher Michael Schredl von der Uni Mannheim konnte in Versuchen zeigen, dass auch Gerüche Träume beeinflussen: Rosenduft neben dem Bett zum Beispiel bescherte seinen Probanden angenehmere Träume.

Die Psychologie empfiehlt zudem ein Traumtagebuch auf dem Nachttisch. «Wer seine Träume aufschreibt, beschäftigt sich automatisch auch mit seinen Problemen und Sorgen», sagt Schlafmediziner Mathis. Dadurch lassen sich mögliche Auslöser für böse Träume eruieren.

Träume positiv umschreiben

Auch die sogenannte Schlafhygiene ist wichtig: Empfohlen wird ein abgedunkeltes und ruhiges Schlafzimmer, ein bequemes Bett, eine angenehme Raumtemperatur. Meiden sollte man Alkohol, deftiges Essen, Sport, Büroarbeit oder aufregenden Medienkonsum direkt vor dem Schlafengehen. Besser: Gehen Sie mit einem guten Gefühl oder einer tollen Idee für den nächsten Tag ins Bett.

Wenn diese Mittel nicht helfen, lohnt sich ein Versuch mit der Imagery-Rehearsal-Therapie. Sie zeigt in Studien die besten Erfolge. Ziel ist, den Albtraum vor dem Schlafengehen positiv zu lenken, ein neues Drehbuch für ihn zu schreiben. «Einer meiner Patienten träumte, er werde von einem Mörder in einem Keller gefangen gehalten, der ihn foltere und ihm die Haut abziehe», erzählt Albtraumexperte Pietrowsky. Zusammen mit dem Betroffenen schrieb er den Traum in mehreren Sitzungen inhaltlich so um, dass der Mann in einem Tattoo-Studio sass. «So spürte er ebenfalls den Schmerz, aber er wusste: Das ist nicht schlimm, ich bekomme ja ein Tattoo, das ich schon lange wollte.» Der Raum wurde zudem mit Details ausgeschmückt, damit er besser vorstellbar wurde. «So war die Rahmenhandlung nahe am ursprünglichen Albtraum, hatte aber nichts Bedrohliches mehr und endete positiv. Der Patient konnte zwar mit Schmerzen, aber glücklich den Raum verlassen.»

Die Erfolgsquote der Imagery-Rehearsal-Therapie liegt Pietrowsky zufolge bei 95 Prozent. «Das Resultat sind weniger Albträume, bessere Kontrolle, weniger Angst. In der Regel brauche es dafür acht bis zehn Therapiestunden.

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Quelle: Beobachter Bewegtbild

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