Still ist es hier oben, auf 1800 Metern, kurz nach Weihnachten. Nur das leise Plätschern des Schmelzwassers ist vernehmbar, dann und wann das ferne Kirchengeläut aus dem Tal. Bruder Markus legt ein Schaffell auf die Sitzbank vor seiner Scheune, verschränkt die Beine und schliesst die Augen. Dann tut er nichts.

Das war nicht immer so. Bruder Markus, der sein Alter nicht verrät, weil es sich ja doch jedes Jahr ändere, fuhr einmal BMW, hatte einen Job als Wirtschaftsinformatiker, eine Partnerin. Jetzt lebt er als Einsiedler-Mönch irgendwo im Oberwallis.

Den genauen Ort seiner Klause hält Bruder Markus geheim. Er mag keinen unangekündigten Besuch. Es reicht, dass die Heli-Piloten der Air Zermatt wissen, wo sie bei ihren Überflügen eine Zwischenlandung einlegen müssen, um den Eremiten mit dem Nötigsten zu versorgen.

«Es gibt gar keinen Grund, etwas zu tun», sagt er.

Bruder Markus suchte 15 Jahre lang im Dschungel, in der Wüste und in den Bergen nach einem geeigneten Rückzugsort. «Diese Scheune zu finden – war das ein grosser Segen.» Über seiner Haustür hängt der Bibelvers «Dominus Providebit», Gott wird vorsorgen. Neben seiner Haustür der Hinweis auf seine Internetseite: «eremo.ch». Der Einsiedlermönch ist auf Spenden angewiesen.

Seit 2012 meditiert Bruder Markus auf der Alp und liest die Heiligen Schriften, die Bibel Glauben «Die Bibel ist voll von Versagern» und die Bhagavad Gita. «Würde ich etwas erarbeiten, würde ich nichts gewinnen. Selbst wenn ich nichts tue, verliere ich nichts.» Das Auf und Ab, das unser Leben bestimme, glätte sich, bis eine gleichmässige Ebene entstehe – und völlige Ruhe einkehre.

«Wer sehnt sich denn nicht nach innerer Ruhe?», fragt der Mönch. Zwischen seinen Sätzen macht er lange Pausen. Das menschliche Dasein sei geprägt von zwei Bewegungen: jene Dinge anzuziehen, die man mag – und jene Dinge abzustossen, die man nicht mag. «In diesem Spannungsfeld von Zuneigungen und Abneigungen kommt man nie zur Ruhe, sondern ist ständig im Stress Stress Wenn man ständig auf der Überholspur lebt

Sich von allem lossagen, die bewusste Einsamkeit Einsamkeit Wege aus der Isolation wählen – ist das vielleicht das Mittel gegen Überforderung?

«Nein, man kann nicht einfach davonlaufen. Jeder Mensch ist an seinem Platz am richtigen Platz», sagt er.

Fünf Gründe für Überforderung

Es gebe fünf Gründe für Überforderung. Die ersten vier haben mit äusseren Umständen zu tun: zu wenig Zeit, das falsche Material, mangelnde Fähigkeiten und fehlendes Wissen. Beim fünften Grund wird die Sache komplizierter. Bruder Markus spricht vom eigenen Denken, dem englischen «Mind». Unruhe und Unkonzentriertheit führten zu Überforderung. «Der Mensch ist nicht mehr bei sich.»

Man müsse aber nicht unbedingt meditieren, um seine innere Ruhe zu finden. Einen Moment innehalten Positive Psychologie Warum man Glücksmomente intensiv geniessen sollte reiche oft, ein kurzes Durchatmen. Fokussieren auf die eigentliche Tätigkeit, auch wenn die äusseren Umstände nicht ideal sind. Damit sei die Welt zwar noch nicht gerettet, aber ein Anfang getan. Denn: «Wer ganz bei sich ist, handelt langsamer, kauft besonnener ein, spricht weniger.» Alles geschehe dann mit einer kleinen Zeitverzögerung, die es einem ermögliche, bessere Entscheidungen im Leben zu treffen. Ja, ich kaufe es. Nein, ich sage es nicht. Umweltverschmutzung, sagt Bruder Markus, verursachten auch Worte, die wir achtlos wegwerfen. «Es wird zu viel geredet.»

Auf die Frage, ob er optimistisch sei für die Zukunft unseres Planeten, antwortet er: «Wenn ich Kinder sehe, die in einem Sandkasten spielen, Burgen bauen und Tunnel untendurch, und du mich fragst, ob das gut kommt, dann sage ich: Was spielt es für eine Rolle? Wenn du mich aber fragst, ob dieses Kind, das konzentriert und ganz bei sich ist, ein Loch buddelt und etwas dabei lernt, dann bin ich sehr optimistisch Positive Psychologie Nur Mut zum Glück

Damit seien wir beim Kern der Sache angelangt, sagt der Mönch. Es gehe nicht darum, was erarbeitet werde, was hinten rauskomme. Ob jemand eine Burg baue oder einen Tunnel grabe. Denn all das sei vergänglich, nur für den Moment da und nur für den Moment gültig. Es lebe ein paar Tage, ein paar Jahre, vielleicht auch ein paar Jahrtausende. Aber nicht ewig. «Also kann das Resultat nicht wirklich wichtig sein.»

Das grosse Schweigen

Wichtig sei, wie eine Tätigkeit ausgeführt werde, sagt der Mönch: «Aufmerksam, konzentriert. Kein Multitasking!» Bruder Markus nennt es: Yoga im Alltag Yoga Wo es hilft – und wann es schadet .

In ein paar Tagen beginnt der Eremit zum zweiten Mal seine Grosse Meditation. Sie wird drei Jahre, drei Monate, drei Wochen und drei Tage dauern. In dieser Zeit empfängt er keinen Besuch, spricht mit niemandem.

«Worauf freust du dich am meisten?»

«Das ist die schwierigste Frage, die du mir heute gestellt hast.»

«Du musst sie nicht beantworten.»

«Die Antwort habe ich dir bereits gegeben.»

«Auf weniger Gerede?»

Der Einsiedler-Mönch lächelt. Von weitem hört man die Rotoren des herannahenden Helikopters.

«Worte verursachen auch Umweltverschmutzung. Es wird zu viel geredet.»

Einsiedlermönch Bruder Markus

Bruder Markus, Einsiedler-Mönch

Quelle: Thomas Egli
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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