Convenience Food boomt. Wurden im Jahr 2000 noch etwas über 65'000 Tonnen Fertigteigwaren, Dosenfrüchte oder Kartoffelkonserven verkauft, waren es im Jahr 2017 bereits 82'372 Tonnen, wie die Statistik der Swiss Convenience Food Association zeigt, der Vereinigung der Fertigprodukthersteller. Um diese Halbfertig- und Fertigprodukte würzig Safran In der Würze liegt Gesundheit zu machen, verwenden die Hersteller häufig Geschmacksverstärker wie Glutamate. Diese stehen im Verdacht, das Sättigungsgefühl zu hemmen: Die Konsumenten überessen sich.

Das hat Michael Hermanussen, Kinderarzt und Medizinprofessor an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, herausgefunden. Er beschäftigt sich seit 2002 mit der Wirkung von Glutamat auf den Appetit. Glutamat ist ein Botenstoff des zentralen Nervensystems mit direktem Kontakt zum Gehirn, wo das Sättigungsgefühl reguliert wird.

In Tierversuchen stellte der Forscher fest, dass Glutamat die Appetitregulation zerstört. Tiere, die Glutamat statt Kochsalz im Futter hatten, waren deutlich gefrässiger. Versuche zeigten auch: Glutamat tötet Nervenzellen und führt in Rattenhirnen zu dauerhaften Schädigungen.

Erhellende Versuche mit Übergewichtigen

Bei der Ernährung spielt Glutamat eine Doppelrolle: Einerseits sorgt es für vollmundigen Geschmack, anderseits funktioniert es als Sättigungsregulator. Zu viel Glutamat setzt diese Regulierung ausser Kraft. Das bestätigt auch ein Versuch mit fettleibigen Patienten. Ihnen gab Hermanussen ein Medikament, das den Glutamat-Rezeptor blockiert. Der Erfolg war überwältigend, denn die Versuchspersonen legten Messer und Gabel früher zur Seite und nahmen rasant ab Abnehmen Wie man wirklich Gewicht verliert . Ab welcher Menge das Glutamat bei einem Menschen das Sättigungsgefühl ausser Kraft setzt, ist individuell verschieden.

Glutamat gilt als Geschmacksverstärker, doch das ist nicht ganz richtig: Glutamat verbreitet die eigene Geschmacksnote «umami», für die die Geschmacksknospen der Zunge empfänglich sind (siehe Infobox unten «Umami – die fünfte Geschmacksrichtung»). Mit der Beimischung künstlichen Glutamats werden kostengünstigere Produkte geschmacklich aufgepeppt.

Bei der Schweizer Orior-Gruppe, zu der die Grossmetzgerei Spiess, aber auch Convenience-Food-Produzenten wie Le Patron gehören, wird weiterhin Glutamat verwendet. Immerhin will man aber vermehrt das künstliche Glutamat durch natürliches ersetzen. Bei den Tochterfirmen Fredag (Geflügel-, Fleisch-, Fisch- und vegetarische Kühlprodukte) und Le Patron (Pasteten, Terrinen, Snacks und Burger) setze man so wenig Glutamat wie möglich ein, verkündete der Konzern bereits im Geschäftsbericht 2014.

Der Bund sieht keinen Handlungsbedarf

Auch wenn bei einzelnen Produktlinien der Glutamateinsatz tatsächlich sinkt, zeigen die globalen Absatzzahlen einen anderen Trend. 2002 betrug die weltweite Glutamatproduktion 1,5 Millionen Tonnen. 2014 waren es bereits rund drei Millionen Tonnen.

Für die Schweiz gibt es keine genauen Zahlen, aber auch hier nimmt der Absatz weiter zu. Dennoch spielen Glutamate auch im sechsten und bisher letzten Schweizer Ernährungsbericht des Bundesamts für Gesundheit, der Ende 2012 erschien, keine Rolle. Für die Kantonschemiker sind Glutamate ebenfalls kein Thema; sie kümmern sich vor allem darum, dass die Deklaration korrekt ist. Und auch die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) hat die Geschmacksverstärker nicht im Fokus – auch wenn Ernährungsberaterin Marion Wäfler empfiehlt, möglichst oft mit frischen Zutaten selber zu kochen.

«Fettleibigkeit war in Asien bis vor kurzem kein Problem – trotz Glutamat»

David Fäh, Ernährungsexperte

 

David Fäh, Dozent für Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule, glaubt nicht, dass Geschmacksverstärker wesentlich verantwortlich sind für die Zunahme der Übergewichtigen BMI Bin ich übergewichtig? . Die Hauptursache für Fettleibigkeit sieht er im Mangel an Bewegung: «Glutamat hat in der asiatischen Küche eine lange Tradition. Doch Fettleibigkeit war dort bis vor kurzer Zeit kein Problem.»

Dem widerspricht Experte Hermanussen: «Traditionell ist die asiatische Küche eiweissarm und damit auch arm an natürlichen Glutamaten. Das ändert sich nun, und damit steigen auch die Probleme mit Fettleibigkeit.» Dies habe auch eine Studie im ländlichen China bewiesen, wo der Bevölkerung mehr synthetisches Glutamat verabreicht wurde. «Die Teilnehmer nahmen sehr schnell an Gewicht zu.»

Der Trend zu gesunder Ernährung Ernährung Ohne Gewissensbisse geniessen könnte die Glutamatflut zwar etwas eindämmen – auch bei den Grossverteilern. So versucht die Migros laut Sprecherin Monika Weibel, die Fertigmenüs generell «gesünder, ausgewogener und natürlicher» zu gestalten. «Wo möglich, arbeiten wir mit authentischen Gewürzen.» Doch die Frage, wie sich die Nutzung der Geschmacksverstärker in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, beantwortet die Migros auch auf wiederholte Nachfrage nicht. Coop sagt, man verfüge über keine Zahlen, versichert aber ebenfalls, die Zahl der künstlichen Zusatzstoffe, also derjenigen mit E-Nummern, auf allen Lebensmitteln nach und nach senken zu wollen.

Verbotener Stoff in Schweizer Produkten?

Dennoch werden Glutamate in unzähligen Lebensmitteln wie Salatsaucen, Fertigpizzen, Fleischwaren oder Snacks weiterhin verwendet. Hermanussen ist bei seinen Glutamatstudien zudem auf einen weiteren interessanten Stoff gestossen: die Gamma-Aminobuttersäure, kurz GABA.

«Ich glaube, auch in der Schweiz könnte man in Fertigprodukten den verbotenen Zusatz Gamma-Aminobuttersäure finden.»

Michael Hermanussen, Medizinprofessor an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel

 

Seine Nachforschungen haben ergeben, dass sie auch in natürlicher Form in Lebensmitteln vorkommen kann. Doch seine Anfragen bei den Lebensmittelherstellern, ob sie natürlich oder künstlich in ihre Produkte komme, blieben unbeantwortet. Stattdessen fand er heraus, dass beim Europäischen Patentamt Patente – vor allem von asiatischen Firmen – auf GABA als Geschmacksverstärker registriert wurden. Er ist ebenfalls ein Botenstoff und wird in Bodybuilder-Foren Ernährung Müssen Sportler Chemie essen? im Internet angepriesen. Er soll entspannen und angstlösend wirken.

In der Schweiz ist der Zusatz von Gamma-Aminobuttersäure verboten. Hermanussen sagt aber: «Ich glaube, man könnte auch in der Schweiz in Fertigprodukten gewisse Mengen von GABA finden, bei denen nicht klar ist, wie sie hineingekommen sind.»

Umami – die fünfte Geschmacksrichtung

Mit Parmesan überbackene Tomaten, geräucherter Schinken oder in Butter gebratene Champignons: Viele lieben diese Speisen – wegen «umami». Es gibt viele Vorschläge, wie dieses japanische Wort zu übersetzen sei. Sie reichen von «pikant» über «süsslich-salziger Geschmack von eiweissreicher Nahrung» bis zu «besser als Sex».

  • Süss, salzig, sauer und bitter sind die vier bekannten Geschmacksrichtungen – umami ist die fünfte. Sie ist erst in den letzten Jahren in unser Bewusstsein gerückt. Der vollmundige Umami-Geschmack stammt vom Glutamat.
  • Synthetisches Glutamat wurde erstmals 1908 in Japan entwickelt. Glutamat ist der Säurerest der natürlichen Aminosäure Glutaminsäure, einem Zerfallsprodukt von Eiweiss.
  • In besonders grosser Menge kommt natürliche Glutaminsäure in Weizen-Vollkornmehl, Tomatenpüree, Kuhmilch oder getrocknetem Fleisch vor. Der spanische Schinken Jamón Ibérico verwandelt während seiner 12 Monate dauernden Reifung und Trocknung 6 Milligramm natürliches Glutamat pro 100 Gramm Fleisch in 300 Milligramm.
  • Unter den Bezeichnungen E 620 bis E 625 sind Glutamate als Geschmacksverstärker europaweit zugelassen: Glutaminsäure (E 620), Natriumglutamat (E 621), Monokaliumglutamat (E 622), Calciumdiglutamat (E 623), Monoammoniumglutamat (E 624) und Magnesiumglutamat (E 625). Es gibt für die Dosierung von Glutamaten keine Grenzwerte, in Babynahrung ist ihre Verwendung aber verboten.
Wissen, was dem Körper guttut.
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Chantal Hebeisen, Redaktorin
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