Mutter verliert vor Bundesgericht – Gipsbein reicht nicht für Betreuungsurlaub
Nach einem Sturz pflegt eine Mutter ihren verletzten Sohn drei Monate lang zu Hause. Geld erhält sie dafür nicht. Wie der Anspruch auf Betreuungsurlaub für Eltern geregelt ist.
Veröffentlicht am 31. Oktober 2025 - 14:46 Uhr
Ein schwerer Bruch reicht für den Betreuungsurlaub nicht aus. (Symbolbild)
Ein Sturz von der Schaukel endete für einen dreijährigen Jungen im Spital. Anschliessend musste er einen Becken-Bein-Gips tragen und war wochenlang stark eingeschränkt. Für die Mutter bedeutete dies intensive Pflege – an Arbeit war nicht mehr zu denken. Also pflegte sie ihren Sohn drei Monate zu Hause.
Dass ihr Fall rund zwei Jahre später vor Bundesgericht landen würde, ahnte sie damals noch nicht.
Der Fall ging durch alle Instanzen
Im November 2023 beantragte die Mutter einen Betreuungsurlaub bei der Ausgleichskasse. «Dieser kommt zum Zug, wenn ein Kind so schwer krank oder verunfallt ist, dass es auf die Eltern angewiesen ist. Während maximal 14 Wochen erhält die pflegende Person 80 Prozent ihres Lohnes», erklärt Katharina Siegrist, Rechtsexpertin beim Beobachter. Arbeiten beide Eltern, können sie je sieben Wochen beziehen.
Im konkreten Fall lehnte die Ausgleichskasse den Antrag ab – die Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Arbeitgeberin und Kinderärztin intervenierten vergeblich. Im November stützte das Kantonsgericht Luzern den Entscheid. Doch die Mutter gab nicht auf und zog bis vor Bundesgericht.
Diese Kriterien müssen erfüllt sein
Grundsätzlich haben Eltern Anspruch auf einen Betreuungsurlaub, wenn ihr Kind schwer krank oder verunfallt ist – das war im Luzerner Fall gegeben. Das Gesetz verlangt aber zusätzlich, dass
- der Zustand des Kindes kritisch ist,
- der Krankheitsverlauf über längere Zeit ungewiss bleibt,
- eine bleibende Beeinträchtigung zu erwarten ist und
- das Kind im schlimmsten Fall sterben könnte.
«Gerade die letzten zwei Punkte schliessen viele Krankheiten und Unfälle aus», sagt Katharina Siegrist. «Ein Bruch gilt in der Regel nicht als derart schwerwiegend.»
Die Mutter argumentierte, ohne eine monatelange Ruhigstellung wäre mit einer bleibenden Beeinträchtigung zu rechnen gewesen. Das Bundesgericht sah das anders: Man könne nicht von einem hypothetischen Verlauf ohne Behandlung ausgehen – sonst müsste auch bei einer Lungenentzündung ein Anspruch bestehen.
Die behandelnde Kinderärztin bestätigte zudem, dass die Behandlung planbar und der Verlauf positiv war. Damit war der Fall nicht schwer genug. Die Mutter erhält keine Entschädigung für ihre Pflegezeit und muss zusätzlich Gerichtskosten von 500 Franken bezahlen.
- Bundesgericht: Urteil vom 15. September 2025