Tief verschneite Wälder, tanzende Nordlichter am Himmel, viel Ruhe und Dunkelheit – in den Wintermonaten geht die Sonne in den Regionen am Polarkreis nie richtig auf. Im Sommer hingegen wird die Nacht zum Tag – lebendige Küstenstädtchen, sonnenbaden rund um die Uhr, endlose Tage.

Dieser Wechsel bringt den Schlaf-Wach-Rhythmus der Bewohnerinnen und Bewohner nachhaltig durcheinander. Im dunklen arktischen Winter und während der Monate der Mitternachtssonne fallen selbst die Rentiere beim Schlafen, Fressen und bei ihren Schaukämpfen aus dem 24-Stunden-Takt. 

«Die Verschiebung der inneren Uhr bedeutet immer Stress für den Körper»

Jens G. Acker, Schlafmediziner

 

Auch in unseren Breitengraden gilt: Wer über längere Zeit dem natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus entgegenwirkt, riskiert ernsthafte gesundheitliche Probleme. Die Folgen können Depressionen, Appetitlosigkeit, Störungen des Magen-Darm-Traktes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schlafstörungen sein. Egal, ob Mensch oder Tier: «Die Verschiebung der inneren Uhr Gesundheit Im Takt der inneren Uhr bedeutet immer Stress für den Körper», sagt Jens G. Acker, Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin Bad Zurzach.

Innere Uhr wird von der Sonne gesteuert

Verantwortlich dafür sind die biologischen Rhythmen, also die Abläufe im Körper, die sich täglich wiederholen. Sie folgen dem gleichbleibenden Takt der inneren Uhr. Dieser hätte allerdings nicht 24, sondern 25 Stunden, liesse man die Uhr einfach laufen. Das konnten Wissenschaftler feststellen, indem sie freiwillige Testpersonen beobachteten, die für längere Zeit in einem lichtlosen Bunker ohne jeglichen Kontakt zur Aussenwelt eingeschlossen waren.

Es ist die Sonne, die dafür sorgt, dass der interne Zeitmesser der Menschen mit dem 24-Stunden-Takt einer Erdumdrehung gleichgeschaltet wird: «Das Licht gibt der Uhr den Impuls, die zur Tageszeit passenden Körpervorgänge in Gang zu setzen», sagt Acker. Die innere Uhr bestimme somit, was unser Körper und unser Gehirn wann machen. So lässt sie nachts den Blutdruck sinken, den Atem flacher werden und die nächtlichen Reparatur- und Erholungsprogramme starten.

«Deshalb sind Körper und Geist nachts nur schlecht dazu zu bewegen, zu arbeiten», sagt Acker. Den absoluten Tiefpunkt erreiche unsere Leistungskurve zwischen drei und vier Uhr nachts. Am produktivsten seien die meisten Menschen von zehn bis zwölf Uhr sowie gegen fünf Uhr nachmittags. 

Nachtarbeit ist für Schlafrhythmus schlecht

Unter den Menschen gibt es Lerchen und Eulen. Die Ersteren sind früh morgens topfit, die Letzteren finden ihre Form erst am Abend richtig. «Ob wir Eulen oder Lerchen sind, ist genetisch festgelegt und entzieht sich weitgehend unserem Einfluss. Aus einer Lerche kann man keine Eule machen und umgekehrt auch nicht», sagt Jens G. Acker. Man könne den Schlaf-Wach-Rhythmus um ein, zwei Stunden auf Dauer verschieben, aber mehr gehe nicht. «Reisende mit Jetlag spüren das ebenso wie Schichtarbeiter. Das macht die Nachtarbeit so ungesund. 20 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Schweiz zu atypischen Zeiten.»

Es gibt Tests, mit denen man den Melatoninspiegel, das heisst die Konzentration des Schlafhormons im Blut, erfassen kann. Und es wird erforscht, ob sich die Eulen-Lerchen-Veranlagung aufgrund eines DNA-Nachweises feststellen lässt. Für die Wissenschaft ist das zwar interessant, dem Schlafspezialisten bringt das allerdings nicht viel, weil der Schlafrhythmus Schlaflosigkeit Schlaf, wo bleibst du? grösstenteils fremdbestimmt ist: «Was nützt es mir, zu wissen, dass ich eine Eule bin, wenn ich täglich um acht Uhr morgens am Arbeitsplatz oder in der Schule sein muss? In Mitteleuropa werden die meisten Leute ohne Wecker gar nicht wach.» 

Ist Schlaf vor Mitternacht am erholsamsten?

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Besonders gesund soll es sein, vor Mitternacht zu Bett zu gehen, sagen viele. Falsch, sagt Dr. Twerenbold – und erklärt, worauf es wirklich ankommt.
Quelle: Beobachter Bewegtbild
Schlaf während der Ferien nachholen

Etwa zwei Drittel der Bevölkerung würden entsprechend ihrer inneren Uhr lieber später ins Bett gehen, als sich das mit unseren gesellschaftlichen Zeiten vertrage. «Über Wochen und Monate entsteht so chronische Übermüdung. Oder anders ausgedrückt: Die ganze Gesellschaft hat Schlafentzug und ist in ihrer geistigen Leistungsfähigkeit eingeschränkt.»

Jens G. Acker empfiehlt, wenigstens während der Ferien die innere Uhr bestimmen zu lassen: «Keinen Wecker stellen, sich auch nicht wegen des Frühstücksbuffets im Hotel stressen lassen– einfach nur ausschlafen. Dann pendelt sich die innere Uhr ein.» Nur sonntags auszuschlafen Schlaf Darf ich am Wochenende ausschlafen? , genüge dafür nicht. Schlafe man dann tatsächlich lange aus, sei dies ein Indiz für Schlafmangel. 

Rituale sind gut für den Schlafrhythmus

Mitteleuropäerinnen und -europäer schlafen durchschnittlich sieben Stunden pro Nacht. Doch der Schlafbedarf ändert sich im Lauf des Lebens. So sind Kleinkinder oder Kranke Langschläfer Schlafmangel Wenn die Nacht zu kurz ist . Während ältere Personen immer mehr zu Lerchen werden. 

Die meisten Menschen können ihr Leben nicht optimal der inneren Uhr folgend einrichten. «Aber eine Verbesserung ist immer möglich», sagt Schlafmediziner Acker. Eine solche beginne damit, zu verstehen, was ein zeitgebender Rhythmus bedeutet: Wie ist mein Tag strukturiert, wie viel Zeit nehme ich mir fürs Essen, für soziale Kontakte, für Tätigkeiten im Freien, wie lasse ich den Tag ausklingen?

Acker empfiehlt, eine Stunde vor dem Schlafengehen eine elektronikfreie Zeit Digital Detox So reduzieren Sie Ihre Zeit am Smartphone einzuschalten. Der inneren Uhr würden auch Rituale gefallen, also vor dem Zubettgehen immer das Gleiche zu tun. Man schlafe auch besser, wenn man sich tagsüber ausreichend bewegt habe – nach Möglichkeit im Freien bei Tageslicht. 

Umstellung von Winter- auf Sommerzeit verursacht Jetlag

Ein wichtiger Faktor im Zusammenspiel des Schlaf-Wach-Rhythmus ist der Hell-Dunkel-Zyklus. Fehlt es an Tageslicht, können Depressionen die Folge sein: «Im Winter Winterdepression Keine Lust auf gar nichts sind wir kaum natürlichem Licht ausgesetzt. Die Beleuchtung in den Wohnungen oder am Arbeitsplatz reicht nicht aus, um den Mangel an Tageslicht wettzumachen», weiss Jens G. Acker. Vor allem in der Weihnachtszeit komme es deshalb zu depressiven Verstimmungen, wenn man länger schlafe, mehr esse, es sich zu Hause gemütlich mache. «Der Körper reagiert auf solche Veränderungen. Er braucht den zeitgebenden Rhythmus aus Licht, sozialen Kontakten und angemessener Ernährung.» 

Allein durch die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit Zeitumstellung Ab Ostern ticken die Uhren anders und umgekehrt erfährt der Körper einen Mini-Jetlag. Es dauert meist zwei bis zehn Tage, bis die innere Uhr sich angepasst hat.

«Die ewige Winterzeit liegt näher am natürlichen Rhythmus der Menschen.»

Jens G. Acker, Schlafmediziner

 

Kein Wunder, warnt Jens G. Acker vor der Einführung der ewigen Sommerzeit: «Die meisten Befürworter haben sich kaum mit den Konsequenzen für den Winter auseinandergesetzt. Falls die Sommerzeit zum Dauerzustand wird, muss sich die Schweiz auf morgendliche Verhältnisse einstellen, wie sie etwa in Skandinavien herrschen.» Die Leute müssten an deutlich mehr Tagen im Dunkeln zur Arbeit gehen und bekämen weniger Tageslicht ab. 

Wie am Polarkreis müssten wir Wohnungen und Arbeitsplätze mit hellen Lampen ausstatten, um die Sonne zu imitieren . Und hätten trotzdem keine Garantie, dass dies genügt, um Winterdepressionen zu vermeiden. Denn wir haben keine Nordlichter, die die Dunkelheit zum Spektakel machen. Es wäre einfach zappenduster. «Die ewige, also ursprüngliche Winterzeit liegt deutlich näher am natürlichen Rhythmus der Menschen und wäre für uns Mitteleuropäer die bessere Wahl», meint Professor Acker.

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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