Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist in der Schweiz ungenügend. Zu diesem Schluss kommen Frauenrechtsorganisationen und Fachstellen in einem sogenannten Parallelbericht, der diese Woche veröffentlicht wurde. Der Bericht entstand im Rahmen der Istanbul-Konvention, einem Menschenrechtsabkommen des Europarats zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsbezogener, sexualisierter und häuslicher Gewalt. Diesem Übereinkommen hat sich die Schweiz im Jahr 2018 verpflichtet. Julia Meier von der NGO Brava hat den Bericht koordiniert. Was braucht es, damit Frauen und Mädchen in der Schweiz besser geschützt sind?

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Die Istanbul-Konvention

Beobachter: Julia Meier, der Parallelbericht gibt der Schweiz in der Umsetzung der Istanbul-Konvention die Note 3,0. Weshalb?
Julia Meier: Wir haben im Bericht verschiedene Aspekte der Umsetzung untersucht. Dabei sind uns drei Punkte besonders aufgefallen: Erstens gibt es grosse kantonale Unterschiede. Es hängt vom Wohnort der Frau ab, ob sie Zugang zu einem Frauenhaus oder zu einer Spurensicherung erhält. Zweitens fehlen finanzielle Ressourcen, sowohl bei zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in diesem Bereich arbeiten, als auch beim Staat, der für Massnahmen zur Umsetzung ein zu kleines Budget vorsieht. Erst kürzlich hat der Bundesrat im Rahmen des Entlastungspakets 2027 beschlossen, die Finanzhilfen für Ausbildungen im Bereich Opferhilfe zu streichen.

Zur Person

Und der dritte Punkt?
Bei der Umsetzung dieser Massnahmen gehen gewisse Gruppen schlicht vergessen. In der Schweiz gibt es beispielsweise nur ein Mädchenhaus, in Zürich, mit sieben Plätzen. Das sind viel zu wenige: Die Nachfrage nach solchen Schutzunterkünften für junge Frauen und Mädchen ist deutlich grösser.

Worin besteht der dringendste Handlungsbedarf?
Im Bereich Sorgerecht, Obhut und Trennungen gibt es noch viel zu tun. In der Schweiz hält sich die Vorstellung hartnäckig, dass eine alternierende Obhut immer das Beste für das Kindeswohl sei. Ein Problem, das dadurch entsteht: Opfer müssen den Kontakt zur Tatperson aufrechterhalten, was dazu führt, dass Kinder und Frauen immer wieder mit der Tatperson in Kontakt treten müssen. Ihr Schutz ist damit ungenügend.

Welche Massnahmen waren bisher erfolgreich?
Ein Beispiel ist das neue Sexualstrafrecht, das seit dem 1. Juli 2024 in Kraft ist. Auch die Änderung im Ausländergesetz war ein wichtiger Schritt: Sie erleichtert Betroffenen häuslicher Gewalt, sich zu trennen, wenn ihr Aufenthaltsstatus von der Tatperson abhängig ist.

Quellen