Wie die Politik auf das Preischaos bei Implantaten reagiert
Herzschrittmacher kosten in der Schweiz bis zu sechsmal mehr als in Deutschland. Die Parteien anerkennen das Problem, doch Lösungen zu finden, fällt ihnen schwer.
Veröffentlicht am 13. Oktober 2025 - 16:39 Uhr
Wer in der Schweiz einen Herzschrittmacher braucht, muss viel tiefer in die Tasche greifen als in Deutschland. (Symbolbild)
Ein Herzschrittmacher von Abbott kostet in Deutschland 860 Franken, in der Schweiz hingegen 5100 Franken. Beim Medtronic-Modell liegt der Unterschied bei 2500 Franken. Diese krassen Preisunterschiede deckte die NZZ kürzlich auf und bestätigte damit erneut einen Missstand, der das Schweizer Gesundheitswesen seit Jahren belastet.
Schon im Februar hatte der Preisüberwacher ähnliche Unterschiede aufgezeigt: Spital A zahlt für den gleichen Einkammer-Herzschrittmacher 1200 Franken, Spital B 5405 Franken. Am Ende zahlen die Prämienzahler die Zeche.
SP fordert Transparenz
Eine Beobachter-Umfrage bei den Parteien zeigt: Alle anerkennen das Problem, doch nur die SP handelt. Sie wird vom Bundesrat einen Bericht verlangen, der Preisbildung, Lieferketten und Produktionskosten offenlegt. Die SP will auch wissen, welche Rabatte Leistungserbringer und Versicherer in den letzten zehn Jahren ausgehandelt haben – und warum diese nicht vollständig an die Patienten weitergegeben wurden.
Auf der anderen Seite des politischen Spektrums denkt die EDU Schweiz über einen Vorstoss nach. Parteipräsident Daniel Frischknecht kündigt an, eine Motion für transparente Implantatepreise in die Geschäftsleitung einzubringen. Diese soll Spitäler verpflichten, ihre Einkaufspreise dem Bundesamt für Gesundheit zu melden.
SVP und FDP setzen auf Wettbewerb
Die SVP verweist auf ihr Positionspapier vom September. Sie fordert mehr Transparenz und Wettbewerb, bleibt aber konkrete Vorstösse schuldig. Stattdessen macht sie die Spitäler verantwortlich: «Die oft fehlende Beschaffungsstrategie erklärt einen Grossteil der Preisunterschiede.» Zudem müssten die Krankenversicherer aus dem «Korsett des Vertragszwangs» befreit werden. Heute müssen die Krankenkassen jeden Leistungserbringer unter Vertrag nehmen, wenn er die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.
Auch die FDP setzt auf Wettbewerb. Sie fordert erleichterte Parallelimporte medizinischer Produkte. Swissmedic solle technische Hürden abbauen, wenn Produkte bereits in der EU oder den USA zugelassen sind.
Grüne fordern Sondersteuer
Die Grünen schlagen einen anderen Weg ein. Sie wollen sogenannte Übergewinne der Pharmaindustrie zum Beispiel aufgrund von künstlich aufgeblähten Preisen mit einer Sondersteuer belegen. «Die Schweiz hat die höchsten Preise in Europa», sagt Nationalrätin Manuela Weichelt. Der Bundesrat müsse Druck auf die Pharmaunternehmen ausüben. Auf die Implantatepreise bleibt dies allerdings ohne Wirkung.
Ihre Parteikollegin Greta Gysin sieht den «grassierenden Lobbyismus» als Ursache. Mehr als jeder zehnte Parlamentarier habe Verbindungen zu Krankenkassen oder Pharmafirmen. Sie fordert, dass alle Nebeneinkünfte offengelegt und bezahlte Mandatsträger von Kommissionssitzungen ausgeschlossen werden.
Die Mitte hat auf die Anfrage nicht reagiert.
Prämienzahlende müssen weiter zahlen
Die Reaktionen der Parteien zeigen: Die Prämienzahlenden werden auf absehbare Zeit weiterhin überhöhte Implantatepreise finanzieren müssen.
Die überrissenen Einkaufspreise von Implantaten sind auch bei der Tagung «Faire Prämien jetzt!» ein Thema, die der Beobachter Ende Oktober gemeinsam mit Pro Salute organisiert. Dieter Zocholl vom Beratungsunternehmen XMED iQ wird ein Referat halten zum Thema: «Die Schweiz – Zahlmeister Europas bei medizinischen Implantaten?»
- NZZ-Recherche: Geheime Preisdaten zeigen: Herzschrittmacher kosten in der Schweiz bis zu fünfmal so viel wie in Deutschland
- «Infosperber»: Abzockerei im Gesundheitswesen und alle schauen zu
- Preisüberwacher: Analyse zu den Implantatepreisen