Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 9. Juni 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Es sind diesmal ziemlich viele. Denn gerade tagt das Parlament zur Sommersession. Wir haben Ihnen darum eine Handvoll weitere Nachrichten am Schluss kurz zusammengefasst.
Die Themen:
- Wohnen: Der Eigenmietwert kommt an die Urne, und die Mieter starten eine Initiative
- Opferhilfe: Immer mehr suchen Unterstützung – aber vor allem Frauen
- Unbezahlte Arbeit: Immer noch auf dem Buckel der Frauen
- Und das Zitat der Woche dreht sich um die AHV
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Wohnen: Der Eigenmietwert kommt an die Urne, und die Mieter starten eine Initiative
Darum gehts: Am 28. September wird das Stimmvolk entscheiden, ob es den sogenannten Eigenmietwert abschaffen oder behalten will. Den müssen Hausbesitzer in der Steuererklärung als «Gewinn» angeben. Der Mieterverband hat derweil eine neue Initiative lanciert, die die erlaubte Rendite eng begrenzen und strikte Kontrollen einführen will.
Warum das wichtig ist: Die Schweiz ist ein Volk von Mieterinnen und Mietern. Grob gesagt, wohnen zwei Drittel der Bevölkerung zur Miete und ein Drittel im Eigenheim. Trotzdem muss der Mieterverband, der letzte Woche mit der Unterschriftensammlung begonnen hat, mit heftiger Gegenwehr rechnen. Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit und neue Kontrollmechanismen haben es an der Urne meistens schwer. Auch beim Eigenmietwert bahnt sich ein hitziger Abstimmungskampf an. Bei dieser Vorlage ist ein Ständemehr nötig. Und gerade die Bergkantone fürchten um grosse Steuerausfälle, wenn Hauseigentümer dieses «fiktive» Einkommen nicht mehr versteuern müssten.
Das sagt der Beobachter: Für Hausbesitzer ist der Eigenmietwert ein Ärgernis, für Mieterinnen eine gerechte Sache. Und obwohl es in der Schweiz viel mehr Mieterinnen gibt, wagen wir jetzt schon die Prognose: Wenn überhaupt, wird es nur eine hauchdünne Mehrheit für eine Abschaffung geben.
⇒ Jetzt lesen: Eigenmietwert – die Abschaffung wird wohl abgeschafft
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Opferhilfe: Immer mehr suchen Unterstützung – aber vor allem Frauen
Darum gehts: Die Zahl der Beratungen durch Opferhilfestellen ist letztes Jahr um fünf Prozent gestiegen. Das vermeldet das Bundesamt für Statistik (BFS). Fast drei Viertel der Opfer oder deren Angehörigen waren Frauen, etwa jede fünfte Person war minderjährig. In einem Jahr soll eine zentrale dreistellige Telefonnummer für Opfer von Straftaten aufgeschaltet werden, die rund um die Uhr erreichbar ist – analog zu Feuerwehr oder Polizei.
Warum das wichtig ist: Gemäss dem Opferhilfegesetz, das 1993 in Kraft trat, haben Opfer von Straftaten Anspruch auf Beratung sowie finanzielle und juristische Unterstützung. Diese nehmen aber bis jetzt viel mehr Frauen in Anspruch als Männer. Gerade im Verhältnis dazu, wie häufig Männer gemäss Kriminalstatistik selbst Opfer von Gewaltstraftaten werden.
Das sagt der Beobachter: Ganz offensichtlich haben viele Männer Hemmungen, sich Hilfe zu holen. Und so ist es auch ganz generell bei alten Menschen. Gewalt im Alter ist ein stark tabuisiertes Thema mit grosser Dunkelziffer. Fachleute schätzen, dass es in der Schweiz jährlich 300’000 bis 500’000 Fälle von Gewalt gegen Betagte gibt. Wie man bei der Opferhilfestelle in Zürich diese Zahlen einordnet, lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Männer wollen keine «Opfer» sein
Unbezahlte Arbeit: Immer noch auf dem Buckel der Frauen
Darum gehts: In der Schweiz besteht (immer noch) ein grosses Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern, was die Haus- und Familienarbeit anbelangt. Laut dem Bundesamt für Statistik verbringen die Frauen 61 Prozent ihrer Arbeitszeit mit unbezahlten Tätigkeiten, namentlich dem Haushalt und der Betreuung. Bei den Männern liegt der Anteil an Arbeit ohne Lohn nur bei 42 Prozent. Bedeutet: Frauen arbeiten pro Woche 57,2 Stunden, davon 35 unbezahlt.
Warum das wichtig ist:Unbezahlte Arbeit hat vielschichtige Auswirkungen. Diese betreffen nicht nur einzelne Personen, sondern sind gesamtgesellschaftlich relevant. So führt die ungleiche Verteilung von Gratisarbeit zu einer geringeren Erwerbsbeteiligung von Frauen. Das beeinträchtigt ihre Altersvorsorge. Ebenso werden sie dadurch in ihrer beruflichen Entwicklung zurückgebunden, was den Fachkräftemangel verstärkt. Zugleich ist unbezahlte Arbeit ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, da sie die Grundlage für die Erwerbsarbeit bildet. Ein besseres Gleichgewicht bei der Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern zu finden: Dazu gibt es aktuell etliche politische Vorstösse für Erleichterungen bei der familienergänzenden Kinderbetreuung. Im April wurde ausserdem die Familienzeit-Initiativelanciert, die eine Verlängerung der gemeinsamen Elternzeit fordert.
Das sagt der Beobachter: Wenn sich an einem Problem ewig nichts ändert, kann es nützlich sein, es auch einmal plakativ zu benennen. Das hat der Beobachter getan und mit den aktuellen BFS-Zahlen gerechnet und geschätzt. Ergebnis: Die Gratisarbeit von Frauen ist 322 Milliarden Franken wert. Ein Statement gegen die etwas abgenutzte Weisheit, wonach etwas, das nichts kostet, auch nichts wert sei.
⇒ Jetzt lesen: So viel ist Gratisarbeit von Frauen wert
Das Zitat der Woche
Woher soll das Geld für die 13. AHV-Rente kommen? Immerhin vier bis fünf Milliarden Franken wird sie kosten – jedes Jahr. Jetzt hat sich der Ständerat für eine gemischte Variante entschieden.
«Wenn wir nur auf die Mehrwertsteuer setzen und das Volk sagt Nein, dann haben wir ein Fiasko.» – Mitte-Ständerat Erich Ettlin
Ab 2028 soll vom Lohn ein bisschen abgezwackt werden (0,2 Prozent) und die Mehrwertsteuer in einem ersten Schritt um 0,5 Prozent hochgehen. Damit hat sich Mitte-Links durchgesetzt. Der Bundesrat wollte nur die Mehrwertsteuer anheben. Und SVP und FDP finden, eigentlich müsste man die AHV zuerst reformieren.
Ausserdem wichtig
- Der Schweizerfranken soll neu in der Verfassung verankert werden. So wollen es das Parlament und der Bundesrat.
- Der Bundesrat muss eine Auslegeordnung über Chemikalien in der Umwelt machen. Damit hat ihn der Ständerat beauftragt.
- Krankenkassen müssen komplementärmedizinische Behandlungen weiterhin für alle übernehmen. Der Ständerat hat eine Wahlfreiheit für Versicherte diese Woche abgelehnt.
Geschrieben haben diesen Überblick Daniel Benz und Oliver Fuchs.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.