Manchmal sind die Kopfschmerzen so schlimm, dass es Mira Brunner* morgens kaum aus dem Bett schafft. Sie hat Sehstörungen, ans Arbeiten ist tagelang nicht zu denken. Die 42-Jährige hat vieles ausprobiert. Physiotherapie und Entspannungstechniken Kurieren mit Köpfchen Welche Hausmittel gegen Kopfschmerzen helfen , Schmerzmittel aller Art. Nichts hat geholfen.

Im Oktober 2017 schlug ihr der Arzt vor, einen Versuch mit Botox zu wagen. Sie erhielt 36 Injektionen über den Augen, in die Stirn und in den Nacken. «Danach war ich drei Monate schmerzfrei. Es war ein neues Lebensgefühl.»
 

«Ich ging davon aus, dass in der Grundversicherung einheitliche Regeln gelten.»

Mira Brunner*


Die rund 1000 Franken für die Botox-Behandlung übernahm Mira Brunners Grundversicherung. Der Arzt hatte bei der Groupe Mutuel einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Krankenkasse erklärte sich bereit, die Behandlung als sogenannte Off-Label-Therapie zu bezahlen. Off Label deshalb, weil Botox nicht als Migränemedikament zugelassen ist.

Doch Ende 2017 wechselte Mira Brunner die Grundversicherung . Denn die Groupe Mutuel hatte eine Prämienerhöhung angekündigt. Brunner unterschrieb bei der günstigeren ÖKK – im Glauben, diese würde weitere Botox-Behandlungen übernehmen. Sie sagt: «Ich ging davon aus, dass in der Grundversicherung einheitliche Regeln gelten.»

Krankenkassen haben erheblichen Spielraum bei Off-Label-Therapien

Die ÖKK beurteilte den Fall jedoch anders. Sie lehnte einen Antrag von Mira Brunners Arzt für die Kostenübernahme Krankenkasse Was, wenn die Kasse nicht zahlt? ab. Die Versicherung berief sich auf die gesetzlichen Rahmenbestimmungen. Die erforderlichen Bedingungen für eine Off-Label-Behandlung mit Botox seien nicht gegeben. 

Mira Brunner ist enttäuscht über diesen Entscheid. «Ich war mir nicht bewusst, dass es Unterschiede gibt. Sonst hätte ich die Kasse sicher nicht gewechselt.» Auf Nachfrage teilt die Groupe Mutuel mit, jeder Einzelfall werde eingehend geprüft. Ob eine Off-Label-Therapie einmalig übernommen werde, hänge von vielen Faktoren ab. Für jede weitere Behandlung hätte der Arzt einen neuen Antrag stellen müssen. Eine Garantie für künftige Kostenübernahmen hätte es auch hier nicht gegeben.

Mira Brunner sei kein Einzelfall, sagt Barbara Züst, Geschäftsführerin der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenschutz. «Ähnlich gelagerte Fälle kommen immer wieder vor. Bei Off-Label-Therapien besteht für die Krankenkassen ein erheblicher Spielraum.»

Der Ball liege bei den Vertrauensärzten . Sie prüfen für die Krankenkassen die Anträge für Off-Label-Therapien. Ihre Empfehlung geben sie an die Leistungsabteilungen weiter, die am Ende entscheiden. Die Schweizerische Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte (SGV) hat Leitlinien aufgestellt, um den Nutzen von Off-Label-Behandlungen zu beurteilen. Die Absicht dahinter: «Mit den Leitlinien wollen wir die Gleichbehandlung der Versicherten fördern», sagt SGV-Präsident Jürg Zollikofer.

Begründung vom Vertrauensarzt verlangen

Fälle wie jenen von Mira Brunner könne man nicht nach einem Schwarz-Weiss-Schema bewerten. Die Prüfung von Off-Label-Behandlungen sei vielschichtig, sagt Zollikofer. «Der Nutzen einer Therapie ist nicht immer klar. Bei der Beurteilung spielen das Wissen und die Persönlichkeit des Vertrauensarztes eine Rolle. Wir sind ja auch nur Menschen.» Strittig seien in der Praxis aber nur wenige Fälle.

Patientenschützerin Barbara Züst rät Versicherten, bei Unstimmigkeiten nachzuhaken und vom Vertrauensarzt eine Begründung zu verlangen. Migränepatientin Mira Brunner behilft sich vorläufig wieder mit Schmerzmitteln Aimovig Wundermittel gegen Migräne – oder perfekte PR? . Mehr schlecht als recht, sagt sie. «So effizient wie Botox hat bis jetzt nichts geholfen.»


*Name geändert

Mehr zu Krankenversicherung bei Guider

Was kann man tun, um sich gegen Entscheide der Krankenkasse zu wehren? Und was gibt es bei der Wahl der Krankenkasse oder der Franchise zu beachten? Guider informiert Beobachter-Abonnenten einfach und schnell bei Fragen zur Krankenversicherung und welche Kosten sie bezahlt.

Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
Der Gesundheits-Newsletter