Als Isabelle Wildhabers Vater vor einigen Jahren an Krebs erkrankt, will er zu Hause sterben. Seine Tochter will ihm diesen letzten Wunsch erfüllen.

Wildhaber stösst auf eine Firma, die Live-in-Betreuende verleiht. Also Arbeitnehmende, die in einem Privathaushalt wohnen und dort einer zu betreuenden Person im Alltag helfen. Dabei realisiert sie: «Ich hatte wenig Ahnung, welche konkreten Bestimmungen hier anwendbar sind.» Isabelle Wildhaber ist Professorin für Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Universität St. Gallen.

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Besserer Schutz – aber nicht für alle

Tatsächlich war und ist die Rechtslage rund um Live-in-Betreuende verwirrend. Ein Flickenteppich, so Wildhaber, die aufgrund ihrer eigenen Geschichte zu recherchieren beginnt. 2021 urteilt das Bundesgericht: Wer durch einen Personalverleih angestellt ist, für den gilt unter anderem das Arbeitsgesetz. Also das Gesetz, das gewisse Schutzvorschriften für Arbeitnehmende enthält. Wer direkt angestellt ist, untersteht explizit nicht dem Arbeitsgesetz, aber den Normalarbeitsverträgen für das Hauspersonal, die es auf Bundes- und kantonaler Ebene gibt. Auch diese legen Mindeststandards fest, etwa Mindestlöhne. 

Für Live-in-Betreuende hat der Bundesrat nun strenge Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten, zu den Pausen und zum Bereitschaftsdienst erlassen. Sie treten am 1. Dezember 2025 in Kraft. Wildhaber begrüsst das. Auch sie hatte das schon gefordert. Allerdings gelten die neuen Regeln nur, wenn die Betreuenden von einer Firma angestellt sind – und nicht direkt von der Person, welche ihre Unterstützung in Anspruch nimmt. Man habe es versäumt, für alle die gleichen Bedingungen zu schaffen. «Diese Uneinheitlichkeit hätte man vermeiden können», so Wildhaber. 

Personalverleiher kassieren eine riesige Marge

Was die Personalverleiher mit den Angestellten – häufig Frauen aus dem Ausland, die sich mit den hiesigen Arbeitsbedingungen nicht auskennen und auf den Lohn angewiesen sind – aushandeln, bleibt geheim. Den Frauen wird im Vertrag mit dem Personalverleiher oft verboten, darüber zu sprechen.

«Als ich nach dem Tod meines Vaters trotzdem erfuhr, dass die Angestellte von fast 10’000 Franken, die ich pro Monat bezahlte, nur rund 3000 Franken ausbezahlt erhielt, war ich schockiert über die Marge.» Vom Lohn wurden der Frau zugunsten des Personalverleihs sogar Kost und Logis abgezogen – Leistungen, die Wildhabers Vater erbrachte. «Die Personalverleiher müssten verpflichtet werden, bestimmte Informationen gegenüber der Kundschaft offenzulegen», fordert Wildhaber deshalb.

Von heute auf morgen auf der Strasse

Weiter stossend sind laut Wildhaber die Kündigungsfristen. Personalverleiher können ihre Angestellten innert weniger Tage auf die Strasse stellen – etwa dann, wenn die zu betreuende Person doch noch ins Pflegeheim muss. «Für die betreuenden Frauen ist das hart. Denn ihr Wohnrecht im Haushalt und allenfalls das Aufenthaltsrecht in der Schweiz hängen davon ab.»

Bei den Live-in-Betreuenden besteht also weiterhin viel Intransparenz und Regelungsbedarf.

Quellen