Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die 11. «Conference of the Parties» (COP11) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs ausgerechnet in Genf stattfindet. Schliesslich ist die Schweiz eines der wenigen Länder weltweit, die das Abkommen nicht ratifiziert haben. Die Schweiz gilt damit immer noch als sicherer Hafen für die Tabakindustrie – und diese hat wenig Freude an den Themen, die an der COP11 diskutiert und beschlossen werden sollen. 

Partnerinhalte
 
 
 
 

Die Delegierten aus über 180 Ländern werden unter anderem darüber reden, ob das Rahmenübereinkommen – kurz FCTC – auf Vapes und Nikotinbeutel ausgedehnt werden soll. Das will jedoch die Tabak- und Nikotinlobby unter allen Umständen verhindern. Die Tabakmultis haben in den vergangenen Jahren ihr Geschäftsmodell umgestellt und propagieren jetzt sogenannt «rauchfreie» Alternativen.

Lobby organisiert zwei Gegenkonferenzen 

Das Narrativ dazu lautet: Nikotinbeutel, Vapes und erhitzte Tabakprodukte wie Iqos helfen Raucherinnen und Rauchern, von der Zigarette wegzukommen. Präventionsfachleute kritisieren dies heftig: «Studien belegen, dass bei Jugendlichen, die Vapes nutzen, die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher ist, dass sie später einmal mit dem Rauchen anfangen», sagt etwa Luciano Ruggia, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention.

Zur COP11 selbst haben die Lobbyistinnen und Lobbyisten der Tabakindustrie keinen Zugang. Doch sie wissen sich zu helfen. Gleich zwei Organisationen halten während der COP11 Konferenzen ab, die sich explizit gegen die Aktivitäten der WHO richten. 

Keine neutrale Organisation

Die amerikanische Taxpayers Protection Alliance (TPA) hält während dreier Tage ein öffentliches Onlinemeeting ab, das vollständig auf Youtube gestreamt wird. Der Name des Events: «Good Cop 2.0». Die einzelnen Veranstaltungen tragen Titel wie «Das Rahmenübereinkommen funktioniert nicht» oder «Untergräbt die Sturheit des FCTC-Sekretariats das Vertrauen in das öffentliche Gesundheitswesen?».

Die TPA ist keine neutrale Organisation: Sie hat sich etwa 2018 für die Zulassung des Philip Morris Produkts Iqos in den Vereinigten Staaten ausgesprochen. Einer der Mitorganisatoren schreibt zudem als Pro-Tabak-Blogger über Zigarettenalternativen und war Vorsitzender der New Nicotine Alliance in Grossbritannien, einer Lobbyorganisation der Nikotinindustrie.

Am letzten Tag der COP11 organisiert zudem das «Forum de la francophonie sur la nicotine» eine Konferenz im noblen Hotel Intercontinental. Das Thema: «Gesundheit und Reduktion der mit Tabak verbundenen Risiken». Auch hier sind die Experten nicht wirklich unabhängig. Finanziert wird die Konferenz von der Firma Nicoswitch, einer französischen Herstellerin von E-Liquids und Nikotinbeuteln.

Interessant ist die Teilnahme des Genfer Professors Jean-François Etter: Er lässt in einem Beitrag auf Substack kein gutes Haar an der Konferenz: Die WHO und das Sekretariat des Rahmenübereinkommens würden Desinformation verbreiten und mit dem geplanten Einbezug von Vapes und Nikotinprodukten in das Rahmenübereinkommen ihre eigentliche Mission unterlaufen, kritisiert er.

«Ich habe keinen Interessenkonflikt»

Jean-François Etter, Professor und Keynote Speaker

Etter gilt unter Präventionsfachleuten seit langem als rotes Tuch, weil er sich für elektronische Zigaretten einsetzt und Kontakte zur Industrie nicht scheut. So liess er sich unter anderem von einem Hersteller von E-Liquids nach China einladen und sprach an einem Event der «Foundation for a Smoke-Free World» (heute: «Global Action to End Smoking»), die vom Tabakmulti Philip Morris ins Leben gerufen und finanziell unterstützt wurde.

Auf seine Nähe zur Industrie angesprochen, schreibt Etter: «Ich stehe der Industrie nicht nahe, werde für diese Konferenz nicht bezahlt und habe keinen Interessenkonflikt.» Die Vorwürfe der Tabakpräventionsfachleute seien «ein Versuch, die Verfechter einer Schadensreduktion zu diskreditieren, indem man ihnen Nähe zur Industrie unterstellt».

Ihre Meinung ist gefragt!

Was denken Sie über die Massnahmen der Tabaklobby? Sind die neuen Produkte hilfreich, um vom Rauchen wegzukommen? Oder machen sie einfach noch mehr Leute von Nikotin abhängig? Diskutieren Sie in der Kommentarspalte.

Quellen