Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 15. September 2025
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Das sind mal wieder ziemlich viele, denn gerade tagt das Parlament zur Herbstsession. Wir haben Ihnen darum am Schluss einige weitere Nachrichten knapp aufgelistet – anstelle des Zitats der Woche.
Die Themen:
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Menschenrechte: Auch kognitiv Behinderte dürfen abstimmen
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Handelskrieg: Tiefere Zölle dank Chlorhühnern
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Klimapolitik: Wir zeigen, wie die Auslandsstrategie scheitert
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Menschenrechte: Auch kognitiv behinderte Bürger dürfen abstimmen
Darum gehts: Der Ständerat musste als Zweitrat darüber entscheiden, ob zukünftig auch Schweizerinnen und Schweizer mit einer kognitiven Behinderung abstimmen dürfen. Artikel 136 der Bundesverfassung besagt, dass Menschen, die «wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind», das nicht dürfen. Betroffen davon sind rund 16’000 Menschen.
Mit 29 zu 13 Stimmen mit 2 Enthaltungen stimmte die kleine Kammer am 15. September für die Änderung des Artikels. Ein wichtiger Schritt hin zum Stimmrecht für alle Menschen mit Behinderungen.
Warum das wichtig ist: Die heutige Regelung – der Ausschluss von 16’000 Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung von den politischen Rechten – widerspricht der von der Schweiz ratifizierten Uno-Behindertenrechtskonvention. Sie verlangt von den Staaten, die politischen Rechte aller Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Einige Kantone erfüllen diese Vorgabe bereits: Genf, Appenzell-Innerrhoden und Glarus haben die Diskriminierung aus den kantonalen Verfassungen gestrichen. Auch in Zürich, Zug und Solothurn wird eine solche Lösung angestrebt.
Der Bundesrat muss den Entscheid nun umsetzen. Da dafür eine Verfassungsänderung nötig ist, wird es eine Volksabstimmung geben.
Das sagt der Beobachter: Menschen mit Behinderung wollen an der Schweizer Politik teilhaben, das zeigte auch die Behindertensession 2023. Es kann sein, dass man Unterstützung beim Verwalten von Finanzen braucht, aber man kann sich trotzdem eine politische Meinung bilden. Das Parlament hat mit seinem Entscheid eine klare Botschaft an die Bevölkerung gesendet: Mitbestimmung von allen Stimmbürgerinnen und -bürgern ist wichtig und gehört zu einer modernen Demokratie.
⇒ Jetzt lesen: Wahlrecht für alle – Schweiz korrigiert historischen Fehler
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Handelskrieg: Tiefere Zölle dank Chlorhühnern
Darum gehts: Der Bundesrat ist nicht zu beneiden: Die amerikanischen Strafzölle auf Schweizer Produkte in der Höhe von 39 Prozent machen der Wirtschaft zu schaffen. Nun erwägt er laut der «NZZ am Sonntag», den US-Präsidenten unter anderem damit milde zu stimmen, dass mit Chlor behandelte Poulets in die Schweiz importiert werden dürften. In den USA ist die chemische Behandlung von Geflügel nach der Schlachtung eine gängige Methode, um krank machende Keime wie etwa Salmonellen abzutöten.
Warum das wichtig ist: Schweizerinnen und Schweizer lieben Poulet und Truthahn. Zwischen 2003 und 2023 stieg der Konsum von Geflügel von 9,5 auf 14,7 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Dabei stammen knapp zwei Drittel aus einheimischer Produktion. Chemisch behandeltes Geflügel war bisher ein Tabu – und ist es in den benachbarten Ländern auch weiterhin. Die EU hat eine Zulassung von Chlorhühnern kategorisch ausgeschlossen.
Das sagt der Beobachter: Pouletmast gibt selbst unter den als relativ strengen geltenden Bedingungen in der Schweiz immer wieder zu reden. Die USA gelten dabei immer wieder als abschreckendes Beispiel für Massentierhaltung. Mit dem Vorschlag, chemisch behandeltes Geflügel aus den USA in Schweizer Verkaufsregalen zuzulassen, überschreitet der Bundesrat eine rote Linie. Geflügelproduzenten, Bauern und Konsumentenorganisationen sind empört – zu Recht.
⇒ Jetzt lesen: Das Problem mit der Pouletmast
Klimapolitik: Wir zeigen, wie die Auslandsstrategie scheitert
Darum gehts: Die Schweiz muss gemäss CO₂-Gesetz bis 2030 im Ausland 34 Millionen Tonnen CO₂ einsparen, um das Pariser Klimaziel zu erreichen. Doch die Zeit rennt davon – und das Ziel ist heute völlig ausser Reichweite. Erst 0,04 Prozent der nötigen CO₂-Kompensationen im Ausland sind bisher erreicht. Das zeigt eine Recherche des Beobachters.
Warum das wichtig ist: Letzte Woche hat der Bundesrat über die Eckwerte der Schweizer Klimapolitik bis 2040 informiert. Er will, dass Kompensationen im Ausland weiterhin eine grosse Rolle spielen. Ob die dafür nötigen Projekte tatsächlich liefern, was sie sollen, ist deshalb höchst relevant.
Das sagt der Beobachter: Diese Bilanz ist verheerend. In Bundesbern muss man dringend über die Bücher, bevor man sich im nächsten Jahrzehnt wieder derart stark auf diese Massnahme abstützt. Wieso das klimapolitische Sonderzügli mit den CO₂-Kompensationen im Ausland nicht aufgeht, lesen Sie hier:
Ausserdem
Auch sonst war diese Woche viel los. Hier lesen Sie, was sonst noch wichtig war:
Tschüss Tiger. Der Ständerat groundet den Kultflieger der Schweizer Armee, mit dem die Patrouille Suisse ihre Luftshows fliegt. Ende 2027 soll Schluss sein.
Taschenmunition soll wieder zu Hause gelagert werden. Der Ständerat lässt prüfen, ob Armeeangehörige wieder Munition mit nach Hause nehmen sollen. Das Hauptargument der Befürworter in der kleinen Kammer: Angesichts der weltpolitischen Lage sei es wichtig, dass Soldatinnen und Soldaten im Ernstfall sofort wehrbereit seien. Der Bundesrat hatte die Abgabe der sogenannten Taschenmunition 2007 unterbunden, nachdem es mehrere tödliche Vorfälle mit Armeewaffen gegeben hatte.
Beim öffentlichen Verkehr soll nicht gespart werden. Der Ständerat will in den Jahren 2026 bis 2028 rund 3,5 Milliarden Franken für den öffentlichen Verkehr zur Verfügung stellen. Das sind 160 Millionen mehr, als der Bundesrat beantragt hatte. Eine Koalition aus Mitte- und Linksparteien hatte sich erfolgreich gegen die Kürzungen gewehrt. Nun muss noch der Nationalrat entscheiden.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Thomas Angeli, Tina Berg und Birthe Homann.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.