Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 19. Oktober 2025.

Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein.
Die Themen diesmal:
-
Hickhack um die AHV: Die Finanzierung der 13. Rente steckt fest – was jetzt?
-
Drohungen und Hass: Muss das einfach akzeptieren, wer heute in die Politik geht?
-
Pharmagelder: Ärzte und Spitäler kassieren so viel Geld wie noch nie
-
Neuer Ärger mit Temu und Co: Vergiftete Päckli aus China?
-
Und das Zitat der Woche ist deutlicher als erwartet
Sie können diese Nachrichtenübersicht auch als E-Mail abonnieren. Damit haben Sie «Das war richtig wichtig» immer pünktlich im Postfach.
Melden Sie sich doch gleich an:
Hickhack um die AHV: Die Finanzierung der 13. Rente steckt fest – was jetzt?
Darum gehts: Der Ständerat vertagt den Entscheid, woher das Geld für die 13. AHV-Rente kommen soll, auf kommendes Jahr. Das hat die zuständige Sozialkommission entschieden – und verlangt von der Bundesverwaltung weitere Abklärungen und Berechnungen. Unabhängig davon wird die «Dreizehnte» im Dezember 2026 zum ersten Mal ausbezahlt.
Warum das wichtig ist: National- und Ständerat sind sich einig, dass ein Teil der Rente über die Mehrwertsteuer finanziert werden soll. Das ist allerdings jene Steuer, die Menschen mit tiefem Einkommen am stärksten trifft. Der Ständerat hat sich darum für eine Mischung ausgesprochen: aus zusätzlichen Lohnbeiträgen und höherer Mehrwertsteuer. Der Nationalrat war dagegen. Ein bisschen verkürzt: Wer soll zurückstecken, Arm oder Jung? Und als wäre das alles nicht schon verzwickt genug, beeinflussen die Abschaffung der lebenslangen Witwenrente und die anstehende Initiative für bessere Ehepaarrenten das Budget der AHV.
Das sagt der Beobachter: Es war ein geschickter Schachzug der Initianten, offenzulassen, wie die 13. AHV-Rente finanziert werden soll – so bot sie weniger Angriffsfläche. Jetzt rächt er sich allerdings. Die Fronten im Parlament sind verhärtet. Wir bleiben dabei: Die beste Lösung (weil effizient und gerecht) wäre eine nationale Erbschaftssteuer.
⇒ Jetzt lesen: 13. AHV-Rente: Wie finanzieren?
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Drohungen und Hass: Muss das einfach akzeptieren, wer heute in die Politik geht?
Darum gehts: Wer im Bundeshaus oder in den Kantonen politisiert, braucht ein dickes Fell. Das zeigt eine Umfrage der Uni Zürich im Auftrag des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements. 3500 Parlamentarierinnen und Parlamentarier aller Stufen berichteten über ihre Erfahrungen mit Anfeindungen. Das alarmierende Ergebnis: 98 Prozent der National- und Ständeratsmitglieder haben bereits Drohungen, Diffamierungen, Hassrede, Stalking oder Gewalt erlebt. Am häufigsten im Kreuzfeuer stehen die Polparteien, also Mitglieder von SVP und Grünen.
Warum das wichtig ist: Einschüchterungsversuche bedrohen die Mandatsausübung, die freie Rede und damit auch die Demokratie. Überdurchschnittlich oft sind Frauen und Minderheiten betroffen. Die Folgen sind starker Stress und hohe Belastung. Im schlimmsten Fall führen Anfeindungen aber auch dazu, dass sich qualifizierte Personen aus der Politik zurückziehen. Die Gesellschaft ist offensichtlich abgestumpft, sonst würde diese fundamentale Bedrohung für das demokratische System breitere Bestürzung auslösen.
Das sagt der Beobachter: Die Bundesverfassung garantiert: Jede Person darf ihre Meinung frei bilden und verbreiten. Dazu gehören auch unanständige, beleidigende oder provozierende Äusserungen. Doch es gibt klare Grenzen. Angriffe – ob auf Politikerinnen oder andere Personen – sind oft keine «Meinungen» mehr, sondern strafrechtlich relevante Handlungen.
Pharmagelder: Ärzte und Spitäler kassieren so viel Geld wie noch nie
Darum gehts: Pharmaunternehmen bezahlten 2024 Ärzten, Spitälern und anderen Einrichtungen der Gesundheitsbranche 262 Millionen Franken – ein neuer Höchststand. Das zeigt die Datenauswertung von Ringier Medien Schweiz im Rahmen von Pharmagelder.ch. Die Gelder fliessen als Kongressgebühren an Ärztinnen und Ärzte, als Beratungshonorare, als Sponsoring, in Form von Spesen oder Spenden.
Warum das wichtig ist: Wer schon mal in Amerika war oder US-Fernsehen geschaut hat, kennt sie: die offensive Werbung für rezeptpflichtige Medikamente. Die Abnehmspritze Ozempic hat dort zum Beispiel den bekannten Jingle des Songs «Magic» der Band Pilots («Oh Oh Oh Ozempic»). Das ist in Europa und der Schweiz verboten. Die Pharmakonzerne gehen darum einen Umweg: Sie beeinflussen statt der Patientinnen die Verschreiber und Fachorganisationen. Der gewünschte Effekt ist derselbe: möglichst viele von ihren Produkten zu verkaufen.
Das sagt der Beobachter: Verschreibt meine Ärztin mir ein bestimmtes Medikament, weil sie es für das beste hält – oder weil der Hersteller sie auf einen Kongress im Fünf-Sterne-Hotel eingeladen hat? Die meisten Mediziner würden den Vorwurf natürlich weit von sich weisen. Trotzdem bleibt die Frage: Wenn diese Masche nicht funktionieren würde, warum hat die Pharmabranche dann in den letzten zehn Jahren fast zwei Milliarden Franken dafür ausgegeben? Mit Pharmagelder.ch wollen wir zumindest Transparenz schaffen – und den Patientinnen die Möglichkeit geben, ihre Ärzte im Zweifelsfall auf mögliche Interessenskonflikte abzuklopfen. Wie lukrativ dieses System für manche Ärzte sein kann, lesen Sie in dieser Recherche:
⇒ Jetzt lesen: Ein Arzt als Werber der Pharmaindustrie
Neuer Ärger mit Temu und Co: Vergiftete Päckli aus China?
Darum gehts: 300’000 bis 400’000 Päckli werden im Paketzentrum Frauenfeld TG täglich sortiert. Nun leiden Angestellte vermehrt unter Hautausschlägen an Händen und Unterarmen. Scheinbar treten die Probleme erst auf, seit Zehntausende Sendungen der chinesischen Versandhändler Temu, Shein oder Wish verarbeitet werden, wie der «Blick» berichtet.
Warum das wichtig ist: Die Anzahl Bestellungen bei chinesischen Billiganbietern nimmt seit längerem explosiv zu und stellt die Logistik vor Herausforderungen. Dieser Fall wirft erstmals ein Schlaglicht auf mögliche Gesundheitsrisiken. Die Suva konnte zwar keine Mängel oder Probleme feststellen. Im «St. Galler Tagblatt» fordert SP-Kantonsrätin Edith Wohlfender zusätzlich eine Untersuchung durch das Arbeitsinspektorat. Die Pakete könnten ihr zufolge eine Zeitbombe sein – an Kontaktallergien oder Asthma erkranke man nicht von heute auf morgen.
Das sagt der Beobachter: Was die Hautausschläge auslöst, bleibt vorerst offen. Der Beobachter hat aber wiederholt vor chinesischen Billigprodukten gewarnt. So schnitten zum Beispiel Spielwaren von Temu bei Tests miserabel ab. Auch die aggressiven Marketingmethoden waren Thema: Jüngst intervenierte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und verbot Temu manipulative Taktiken wie künstliche Verknappung («Fast ausverkauft!»).
⇒ Jetzt lesen: Temu unter Druck: Schweiz verbietet Psycho-Werbetricks
Das Zitat der Woche
Die Zeiten, als die FDP die mächtigste Partei der Schweiz war, sind lange vorbei. Es ist nicht mal mehr sicher, dass sie auf Dauer zwei Sitze in der Regierung wird halten können. In einer Frage aber hat sie noch immer viel mehr Einfluss als alle anderen: der Beziehung zu Europa. An ihrer Haltung wird sich wohl entscheiden, ob die neuen Verträge zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU gelingen oder scheitern. Jetzt ist klar – deutlicher als erwartet: Die FDP ist dafür.
«Von jedem Zweifränkler, den wir in der Tasche haben, hängen fünfzig Rappen von Europa ab.» – Aussenminister Ignazio Cassis
Am Wochenende hat sich die Basis der FDP im Grundsatz für die neuen Verträge ausgesprochen, die «ihr» Aussenminister ausgehandelt hat. Und sie war dagegen, dass es bei den Abstimmungen dazu auch ein Ja der Mehrheit der Kantone brauchen würde. Offenbar hat der Aussenminister mit dem Argument, dass die EU mit Abstand wichtigste Partnerin sei, seine Parteigenossen überzeugt.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs und Jasmine Helbling.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.

