Bei der IV scheint man bis heute nicht zu wissen, dass CBD keine berauschende Droge ist. Obwohl die Substanz seit mehreren Jahren legal im Handel erhältlich ist. CBD wird aus der Cannabispflanze gewonnen. Im Gegensatz zum Kiffen hat CBD-Rauchen aber keine psychoaktive Wirkung. CBD untersteht deshalb nicht dem Betäubungsmittelgesetz. Es ist ganz offiziell kein Rauschmittel.

Bei der IV sah man das bisher jedoch anders, wie der Fall von Andrea Huber zeigt.

Zu ehrlich geantwortet

Die 25-jährige Bernerin wollte ein Gesuch für eine Umschulung stellen, weil sie ihren gelernten Beruf als Malerin nicht mehr ausüben kann. Sie träumt von einer Ausbildung zur Tierpflegerin. Beim Eintrittsgespräch mit der Invalidenversicherung wurde sie gefragt, ob sie Drogen konsumiere oder in der Vergangenheit konsumiert habe. Andrea Huber antwortete wahrheitsgetreu: «In meiner Lehrzeit habe ich sehr viel gekifft. Seit zwei Jahren aber rauche ich nur noch CBD CBD Gibts bald ein Cannabis-Label?

Für die IV war das Anlass genug, Andrea Huber zu einem Drogentest zu schicken. Sie müsse eine «Suchtmittelabstinenz» über mindestens drei Monate nachweisen, sonst könne man ihr Gesuch nicht prüfen. Denn: «Unter dem anhaltenden Cannabiskonsum kann die Arbeitsfähigkeit nicht beurteilt respektive kein aussagekräftiges psychiatrisches und rheumatologisches Gutachten erstellt werden.»

Ein halbes Jahr lang Urinproben

Andrea Huber tat wie geheissen und gab über sechs Monate hinweg in unregelmässigen Abständen Urinproben ab. Sie konsumierte weiterhin CBD, weil ihr das guttue, «aber nie richtiges Gras», versichert sie. Das wenig überraschende Ergebnis der Tests: Es fanden sich Spuren von THC Cannabis Sechs Antworten gegen das Halbwissen – wie üblich beim Konsum von CBD-Produkten. Diese dürfen maximal ein Prozent THC enthalten, um nicht berauschend zu wirken.

Die IV lehnte Andrea Hubers Gesuch ab. «Die durchgeführten Laborkontrollen haben ergeben, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem anhaltenden Konsum von Cannabinoiden auszugehen ist. Unter dieser Voraussetzung ist eine Begutachtung nicht angezeigt, da keine ausreichend validen Gutachterergebnisse zu erzielen sind», so die Behörde.

Andrea Huber kann den Entscheid nicht nachvollziehen. «Warum soll das Gutachten keine Aussagekraft haben, wenn ich CBD konsumiere? Niemand würde auf die Idee kommen, man könne kein Gutachten machen, weil jemand Zigaretten raucht.» Unterstützung erhält sie von neutraler Seite. «Der Nachweis einer geringen Menge von THC im Urin sagt noch nichts darüber aus, ob die Arbeitsfähigkeit dieser Person beurteilt werden kann oder nicht», sagt Toxikologe Hugo Kupferschmidt, Direktor von Tox Info Suisse.

Korrektur des Bundesgerichts

Die IV-Stelle Kanton Bern wollte aus Datenschutzgründen keine Stellung zum Fall von Andrea Huber nehmen. Ob man CBD-Konsumentinnen und -Konsumenten grundsätzlich eine Begutachtung verweigere, könne man nicht sagen. Jeder Fall werde einzeln entschieden.

Bei den Begutachtungen gehe es darum, die Leistungsfähigkeit der Gesuchsteller abzuklären. Sei eine Suchtmittel-Abstinenz zumutbar, müsse die IV darauf bestehen, «sofern der Suchtkonsum die Arbeitsfähigkeit beeinflussen könnte». Das sei eine medizinische Frage. Weiter schreibt die IV: «Hier ist man offensichtlich zum Schluss gekommen, dass ohne Abstinenz keine validen Ergebnisse für die Begutachtung erzielt werden können.» Die IV wies Andrea Huber ab, weil sie eine legale, nicht berauschende Substanz Hanfsamen Monatelanges Hickhack mit der Justiz – wegen eines Samenkorns eingenommen hat.

Doch zwei Bundesgerichtsurteile ändern nun alles. Das erste vom Juli hielt fest, die IV müsse Suchterkrankungen als psychische Erkrankungen beurteilen. Sie müsse «in einem strukturierten Beweisverfahren» abklären, ob sich eine Drogenabhängigkeit auf die Arbeitsfähigkeit einer Person auswirke. Anfang November präzisierten die Richter in einem zweiten Urteil: Wer ein Gesuch für eine IV-Leistung stellt, darf im Vorfeld einer Begutachtung nicht mehr zu einem Drogenentzug verpflichtet werden.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat reagiert und am 28. November die IV-Stellen über diesen Entscheid informiert. Sie müssen ihre Praxis ändern.

Neues Vorgehen der IV

Für Andrea Huber kommt die Kehrtwende gerade noch rechtzeitig. Sie hatte gegen den Vorentscheid der IV-Stelle Einsprache erhoben. Auf bereits rechtskräftige Entscheide muss die IV dagegen nicht zurückkommen.

Wie viele Menschen von der IV in der Vergangenheit abgewiesen wurden, die nur CBD konsumiert haben, kann weder die IV-Stelle Bern noch das Bundesamt für Sozialversicherungen sagen. Darüber gebe es keine Zahlen.

Die IV darf auch in Zukunft einen Drogenentzug anordnen – aber erst wenn die Begutachtung ergeben hat, dass der Drogenkonsum die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und ein Entzug zumutbar ist. THC-Rückstände im Blut allein werden kaum ausreichen, um solche Entscheide zu begründen. Ob «Gras» oder CBD – die IV muss berücksichtigen, wie es wirkt Drogen legalisieren Wie schlimm sind Drogen wirklich? .

Darf man mit CBD Auto fahren?

Wer CBD raucht und Auto fährt, riskiert eine Busse und den Entzug des Fahrausweises Fahrausweisentzug So schnell ist das Billett weg . Grund ist der Wirkstoff THC, der in geringer Menge auch in CBD-Produkten enthalten sein kann.

Gegenüber THC herrscht in der Strassenverkehrsgesetzgebung keine Toleranz. Autofahrerinnen und Autofahrer dürfen nicht mehr als 1,5 Mikrogramm pro Liter Blut aufweisen. Diesen Wert erreicht man auch, wenn der letzte Konsum mehrere Tage zurückliegt.

Anders als die 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol Alkoholkontrolle Wie viel Promille liegen drin? orientiert sich der THC- Grenzwert nicht daran, wie sich die Droge auf das Fahren auswirkt. Faktisch bedeutet diese Regelung für Autofahrer ein Verbot, THC-haltige Produkte zu konsumieren.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hält diese Regelung für unbefriedigend. «Konsumenten von legalem Cannabis haben Mühe, zu verstehen, warum sie angezeigt werden, obwohl sie bei einer Kontrolle nicht berauscht waren.»

Das BAG schlägt vor, neu auch für THC eine sogenannte Wirksamkeitsschwelle festzusetzen. Eine Studie der Uni Basel soll im nächsten Jahr aufzeigen, wo diese Schwelle liegen soll. Um einen neuen Grenzwert festzulegen, wäre allerdings eine Gesetzesrevision nötig. SVP-Exponenten haben sich bereits dagegen ausgesprochen. Ein THC-Grenzwert für den Strassenverkehr, der sich an der Wirksamkeit orientiert, sei ein Schritt in Richtung Legalisierung von Cannabis.

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Quelle: Beobachter Edition
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