Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 08. September 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Das sind mal wieder ziemlich viele, denn gerade tagt das Parlament zur Herbstsession. Wir haben Ihnen darum am Schluss einige weitere Nachrichten knapp aufgelistet – anstelle des Zitats der Woche.
Die Themen diesmal:
- Finanzierung der AHV: Das Gerangel geht weiter
- Gewaltfreie Erziehung im Gesetz: Mehr als nur Symbolik
- Porno-Falle: Wir decken auf, wer hinter dem System Obligo steckt
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Finanzierung der AHV: Das Gerangel geht weiter
Darum gehts: Am Mittwoch hat der Nationalrat über die Finanzierung der 13. AHV-Rente entschieden. Die Mehrwertsteuer soll um 0,7 Prozentpunkte erhöht werden. Befristet bis Ende 2030. Der Ständerat wollte eine Mischung aus Lohnabzügen und Mehrwertsteuer. Nun wird sich zeigen, welche Variante sich durchsetzt.
Warum das wichtig ist: Nächstes Jahr wird die 13. AHV-Rente zum ersten Mal ausgezahlt. Pro Jahr kostet sie zwischen vier und fünf Milliarden Franken. Wo diese genau herkommen sollen, dazu gibt es zig Konzepte. Ganze sechs verschiedene Finanzierungsvarianten hat der Nationalrat diese Woche diskutiert. Geeinigt hat er sich jetzt auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Erst mal die ersten paar Jahre finanzieren, und alles weitere (zum Beispiel ein höheres Rentenalter) diskutieren wir dann später.
Das sagt der Beobachter: Beim Thema Altersvorsorge stehen grosse Baustellen an. Und der Nationalrat greift zur Gartenschaufel statt zum Bagger. Dass er sich nur auf das absolute Minimum einigen konnte und alles Weitere vertagt hat, verheisst nicht Gutes. Zumal er jetzt die Variante gewählt hat, die Menschen mit niedrigem Einkommen steuerlich am stärksten belastet.
⇒ Jetzt lesen: 13. AHV-Rente: Wie finanzieren?
Porno-Falle: Wir decken auf, wer hinter dem System Obligo steckt
Darum gehts: Seit mehr als zehn Jahren verschickt die Obligo AG Rechnungen und Mahnungen für angeblich abgeschlossene Pornoabos. Eine Recherche des Beobachters deckt auf, wer im «System Obligo» aktiv ist – und damit Geld verdient.
Warum das wichtig ist: Kaum ein Thema sorgt beim Beratungszentrum des Beobachters für mehr Verunsicherung und Frust. In den vergangenen Jahren gingen bei ihm zu Obligo über 700 Anfragen ein. Nach eigenem Bekunden hatten diese Personen nie ein entsprechendes Abonnement abgeschlossen. Dennoch verliefen alle juristischen Anstrengungen gegen Obligo bislang erfolglos. Nun hat die Staatsanwaltschaft Schwyz die Verantwortlichen von vier Firmen, die über die Obligo AG ihre Dienstleistungen abrechnen, zu Bussen verurteilt. Hier lesen Sie, was in den rechtsgültigen Strafbefehlen steht.
Das sagt der Beobachter: Unsere Recherchen zeigen, dass das «System Obligo» aus einem verschachtelten Netzwerk von Firmen mit verschiedenen Aufgaben besteht. Wer die Betroffenen mit Mahnungen und Betreibungsandrohungen behelligt, lesen Sie hier:
⇒ Jetzt lesen: Wer hinter der fiesen Porno-Falle steckt
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Gewaltfreie Erziehung im Gesetz: Mehr als nur Symbolik
Darum gehts: Nach dem Nationalrat hat diese Woche auch der Ständerat seine Zustimmung gegeben, das Prinzip der gewaltfreien Erziehung im Gesetz zu verankern. Das Zivilgesetzbuch (ZGB) wird es künftig ausdrücklich verbieten, Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen anzuwenden. Zugleich stellt der neue Artikel niederschwellige Unterstützungsangebote für Familien sicher.
Warum das wichtig ist: Fast die Hälfte aller Kinder in der Schweiz erlebt zu Hause physische oder psychische Gewalt. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter mehr als 1000 Eltern, die letztes Jahr von der Universität Freiburg durchgeführt wurde. Knapp 40 Prozent der Befragten gaben an, schon einmal eine Körperstrafe gegenüber ihren Kindern angewendet zu haben. Und jeder sechste Elternteil übt regelmässig psychische Gewalt aus – besonders verbreitet sind heftige Beschimpfungen und Liebesentzug. Ein bedenklicher Befund, wenn man weiss, dass Gewalterfahrungen in der Kindheit unter anderem das Risiko für Depressionen, Bindungsstörungen und Lernschwierigkeiten erhöhen.
Das sagt der Beobachter: Gewaltfreiheit in der Erziehung gilt in der Schweiz als Grundsatz schon lange. Die Bundesverfassung garantiert Kindern und Jugendlichen den Schutz ihrer Unversehrtheit, auch die Uno-Kinderrechtskonvention stellt das Kindeswohl ins Zentrum. Doch diese Bestimmungen sind schwammig. Indem nun im ZGB explizit formuliert wird, dass alle Gewaltformen ausgeschlossen sind, wird die nötige Rechtsklarheit geschaffen. Das ist mehr als nur Symbolik. Denn die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen: Wo Gewalt eindeutig als verboten gilt und die Bevölkerung entsprechend sensibilisiert ist, nimmt sie ab.
Ausserdem
- Die ärztliche Schweigepflicht gilt auch nach dem Tod. Angehörige haben kein Recht auf Einsicht in die Krankenakte von Verstorbenen, hat das Bundesgericht diese Woche entschieden. Warum der Beobachter den Entscheid kritisiert, lesen Sie hier.
- Auslandadoption soll legal bleiben. Der Nationalrat stellt sich gegen die Pläne des Bundesrats und will stattdessen Kontrollen und Transparenz verstärken. Der Bundesrat will Alternativen zum Verbot prüfen, dieses aber nicht ausschliessen. Nun liegt die Entscheidung beim Ständerat. Unseren Kommentar zur Kontroverse lesen Sie hier.
- Das Bundesamt für Polizei will, dass die Hautfarbe bei Fahndungen nicht mehr verwendet wird. International werde diese schon länger nicht mehr verwendet, begründet es den Schritt. Es hat die Kantonspolizeien entsprechend instruiert.
- Briefe, Pakete und Zeitungen sollen auch weiterhin so pünktlich ankommen wie jetzt. Das hat der Nationalrat entschieden – und stellt sich damit gegen die Sparpläne des Bundesrats bei der Post. Nun ist der Ständerat an der Reihe.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Daniel Benz und Oliver Fuchs.
Bis nächste Woche. Wir bleiben für Sie dran.