Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 22. September 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Das sind mal wieder ziemlich viele, denn gerade tagt das Parlament zur Herbstsession. Wir haben Ihnen darum am Schluss einige weitere Nachrichten knapp aufgelistet.
Ausserdem hat der US-Präsident zusätzliche Zölle angekündigt: Auf Arzneimittelimporte sollen ab nächster Woche 100 Prozent Zoll erhoben werden. Wie unterdessen gewohnt, ist bei seiner Ankündigung vieles noch unklar. Darum mehr dazu hier dann kommende Woche.
Die Themen:
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Krankenkassenprämien steigen wieder: Was der Beobachter jetzt unternimmt
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Individualbesteuerung: Zehn Kantone erzwingen eine Abstimmung
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Homeoffice: Nationalrat will 17-Stunden-Arbeitstage erlauben
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Und das Zitat der Woche erweist einem Unbeugsamen die Ehre
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Krankenkassenprämien steigen wieder: Was der Beobachter jetzt unternimmt
Darum gehts: Der Bundesrat hat am Dienstag die Prämien für 2026 bekannt gegeben. Und diese steigen wieder einmal stärker als die Löhne: Wer nicht im Kanton Zug wohnt, muss tiefer in die Tasche greifen. (Dort sinken sie für einmal, weil der Regierungsrat entschieden hat, temporär die Kosten für stationäre Spitalbehandlungen fast komplett zu übernehmen.) 4,1 Prozent steigen die Erwachsenenprämien im nationalen Schnitt, bei Kindern sind es sogar 4,9 Prozent.
Warum das wichtig ist: Wer sein Portemonnaie entlasten will, ist gut beraten, einen Prämienrechner aufzurufen. Es geht nicht nur um einen Wechsel der Krankenkasse. Die Franchise kann ebenfalls jedes Jahr geändert werden. Wer 2026 einen teuren Wahleingriff machen muss oder eine Therapie beginnen will, sollte durchrechnen, ob eine höhere Franchise sich lohnt. Wer genug auf der hohen Kante hat und glaubt, 2026 kaum je zum Arzt zu gehen, sollte die Maximalfranchise wählen.
Das sagt der Beobachter: Es ist ein Trauerspiel. Im September überbieten sich die Parteien mit Empörungsbekundungen über den Prämienanstieg und Rezepten dagegen. In den anderen elf Monaten des Jahres produzieren sie keine Lösungen. Dabei könnte das Gesundheitswesen 20 Prozent günstiger sein – ohne Qualitätseinbusse, wie der Beobachter soeben gezeigt hat. Der Beobachter hat davon genug. Und hat eine Petition lanciert, die verlangt, dass die Prämienzahler an den Tarifverhandlungen dabei sind.
⇒ Jetzt lesen: Prämienzahlende an den Verhandlungstisch!
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Individualbesteuerung: Zehn Kantone erzwingen eine Abstimmung
Darum gehts: Diese Woche haben die Kantone Aargau, Nidwalden und Uri ebenfalls das Kantonsreferendum gegen die Individualbesteuerung beschlossen. Damit wehren sich nun zehn Kantone gegen eine Änderung des Steuersystems durch die Abschaffung der sogenannten Heiratsstrafe. Und damit erzwingen die Kantone ein Kantonsreferendum. Das bedeutet: Jetzt kommts zur Volksabstimmung.
Warum das wichtig ist: Das Kantonsreferendum gegen die Individualbesteuerung ist erst das zweite seit 1874. Ein historischer Moment also! Der breite Widerstand zeigt, wie gross der Unmut unter den Kantonen ist. Denn die Vorlage produziert nicht nur Gewinner-Ehepaare und Verlierer-Familien, die mehr oder weniger Steuern bezahlen müssen. Sondern Bund, Kantone und Gemeinden erhalten voraussichtlich auch massiv weniger Steuereinnahmen durch die Reform. Zudem müssen sie mehr Leute einstellen, um Steuererklärungen zu bearbeiten. Deshalb sagen viele Kantone: gute Idee, schlechte Umsetzung.
Das sagt der Beobachter: Die Vorlage erhitzt offensichtlich die Gemüter. In so einem Fall ist es am besten, abzustimmen. Deshalb ist es gut, wenn das Volk das letzte Wort hat.
Homeoffice: Nationalrat will 17-Stunden-Arbeitstage erlauben
Darum gehts: Der Nationalrat hat einer Änderung des Arbeitsgesetzes zugestimmt. Vordergründig geht es um eine Modernisierung des Rechts, um der heutigen Homeoffice-Welt Rechnung zu tragen. Laut den Gewerkschaften geht es aber gleichzeitig um eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Als Nächstes muss sich der Ständerat damit befassen.
Warum das wichtig ist: Mehr als zwei Millionen Arbeitnehmende sind von einer Änderung des Arbeitsgesetzes potenziell betroffen. Die Vorlage will die tägliche Höchstarbeitszeit auf 17 Stunden erhöhen, die Ruhezeiten zwischen zwei Arbeitstagen von 11 auf 9 Stunden senken und gelegentliche Sonntagsarbeit erlauben. Die grosse Frage dabei ist, wie die Arbeitgeber mit ihren neuen Möglichkeiten umgehen.
Das sagt der Beobachter: Ein moderneres Arbeitsrecht ist gut, aber das könnte man auch etwas ausgewogener machen. Sodass die Arbeitnehmenden sich nicht vor unfreiwilliger Sonntagsarbeit fürchten müssten. Gut wäre, wenn der Ständerat die Vorlage diesbezüglich nochmals überdenken würde, statt sie einfach durchzuwinken. Immerhin ist es nicht einfach so garantiert, dass die Änderung eine Referendumsabstimmung überstehen würde.
⇒ Jetzt lesen: Homeoffice: 17 Stunden pro Tag arbeiten?
Das Zitat der Woche
Dem unerwartet früh verstorbenen SVP-Nationalrat Alfred «Fredi» Heer gedenken wir an dieser Stelle mit dem Zitat der Woche. Über den Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch sagte Fredi Heer einmal:
«Einer, der für alle wählbar sein soll, ist für niemanden wählbar.»
Gemeint hatte Heer damit, dass Jositsch für die Verhältnisse seiner Partei überdurchschnittlich oft rechts ausschere, um zu versuchen, eine breite Mitte anzusprechen. Fredi Heer hatte dieses Problem nicht. Als pointierter SVPler verärgerte er viele ausserhalb seiner Partei (und als unabhängiger Geist auch viele innerhalb seiner Partei). Dennoch schaffte es Heer, dass die meisten politischen Gegner ihn mochten. Etwa die ehemalige GLP-Politikerin Sanija Ameti, die mit ihrer Operation Libero oft und hart gegen die SVP ankämpft. Sie schrieb nach Heers Tod auf der Plattform X: «Fredi Heer und ich hatten das Heu nicht auf derselben Bühne, das Menschsein hat uns verbunden.»
Ausserdem
Auch sonst war diese Woche einiges los. Das hier war ebenfalls wichtig:
- Der Nationalrat will die lebenslange Witwenrente abschaffen. Grundsätzlich sollen verwitwete Männer und Frauen nur noch eine Rente bekommen, bis das jüngste Kind den 25. Geburtstag erreicht hat. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Der kam zum Schluss, dass die Schweiz mit der jetzigen Praxis die Männer diskriminiert.
- Doppelnamen sollen wieder möglich werden, aber nicht frei nach Wahl. Das hat der Ständerat beschlossen. Geschiedene oder Verwitwete dürfen nach seinem Willen ihren früher getragenen Namen in einer neuen Ehe nicht mehr weiter benutzen. Die Weitergabe von Namen aus früheren Ehen wäre also nicht erlaubt. Nun ist wieder der Nationalrat dran.
- Bei 16 grossen Energieprojekten wird das Verbandsbeschwerderecht eingeschränkt, aber nicht ausgehebelt. Auf diesen Kompromiss haben sich die Räte an der Herbstsession geeinigt. Verbände können mit ihren Beschwerden nicht mehr bis vors Bundesgericht gelangen, sondern nur noch bis vors höchste Gericht im jeweiligen Kanton.
Geschrieben haben diesen Wochenrückblick Yves Demuth und Oliver Fuchs.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.