Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 13. Oktober 2025.
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Das sind diese Woche einige. Wir haben Ihnen darum am Schluss einige weitere Nachrichten knapp zusammengefasst.
Die Themen:
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Halbtax-Abo: Die angebliche Abschaffung sorgte für breite Empörung in der Bevölkerung. Aber das Abo soll bleiben.
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Unbezahlte Care-Arbeit: Die AHV-Betreuungsgutschriften erfüllen ihren Zweck nicht – was jetzt?
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Nesthocker: Junge leben länger bei den Eltern als vor 20 Jahren.
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Das Zitat der Woche handelt von abgeschriebenen Kapitalinstrumenten (ja, wirklich).
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Halbtax-Abo: Die angebliche Abschaffung sorgte für breite Empörung in der Bevölkerung. Aber das Abo soll bleiben.
Darum gehts: Der «K-Tipp» vermeldete am Mittwochmorgen die baldige Abschaffung des beliebten Halbtax-Abos. Der Verkehrsverbund Alliance Swiss Pass plane ein neues Tarifsystem, in dem das Abo nicht mehr vorgesehen sei. Noch am gleichen Morgen dementierte Alliance Swiss Pass: Das Abo werde auch im neuen Tarifsystem bestehen bleiben. Daran wird man Swiss Pass künftig messen.
Warum das wichtig ist: Die Aufregung war am Mittwoch gross, das zeigten auch Befragungen von Pendlern an Bahnhöfen. Schweizerinnen und Schweizer schätzen das Halbtax. Obwohl sich die «K-Tipp»-Geschichte als irreführend und zugespitzt herausstellte, zeigt die Debatte, wie wichtig den Kundinnen und Kunden ein transparentes Rabattsystem ist. Swiss Pass wird das berücksichtigen müssen, auch wenn eine vollständige Umstellung auf ein neues Preissystem erst für das Jahr 2035 anvisiert ist.
Das sagt der Beobachter: In zehn Jahren wird die Welt eine andere sein. Auch die der Pendler und Ausflügler. Dass der Verkehrsverbund heute Varianten der Preisgestaltung auslotet und testet, die künftig für faire Preise sorgen, ist richtig. Dass auch effektiv zurückgelegte Kilometer Preise und Rabatte mitbestimmen, ist nichts als fair. Und um Strecken zu erfassen, sind Smartphones und eine zuverlässige App geeignete Instrumente. Aber auch in zehn Jahren wird es Menschen geben, die das nicht wollen oder können. Auch sie haben Anspruch auf faire Preise. Zum Beispiel mit einem Halbtax-Abo im Portemonnaie. So ähnlich, wie wir es heute kennen.
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Unbezahlte Care-Arbeit: Die AHV-Betreuungsgutschriften erfüllen ihren Zweck nicht – was jetzt?
Darum gehts: Angehörige, die pflegebedürftige Familienmitglieder unterstützen, tun das meist ohne Entschädigung. Sie leisten damit unbezahlte Arbeit, die Abermilliarden Franken wert ist. Als Anerkennung dieser Arbeit führte der Bund 1997 die Betreuungsgutschriften in der AHV ein. Doch nur die wenigsten machen davon Gebrauch, wie Auswertungen des Bundesamts für Sozialversicherungen für die SRF-Sendung «Rendez-vous» zeigen. Weniger als ein Prozent aller Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz erhalten die Gutschrift.
Warum das wichtig ist: Eigentlich wäre diese Gutschrift eine gute Sache. Besonders Menschen, die wenig Geld fürs Alter auf die Seite legen können, könnten so ihre Vorsorge ein wenig aufbessern. Doch die Auswertung zeigt: Das System funktioniert nicht. Die Hürden sind hoch: So müssen die Berechtigten die Gutschrift zum Beispiel jedes Jahr neu bei der Ausgleichskasse beantragen. Und dazu müssten sie erst einmal wissen, dass es den Anspruch überhaupt gibt. «Betroffene müssten viel aktiver informiert werden», sagt Corinne Strebel vom Beratungszentrum des Beobachters.
Das sagt der Beobachter: Es wäre wichtig, die Kriterien für diese Zulage so zu gestalten, dass möglichst niemand durch das Raster fällt. Im Parlament ist ein Antrag dazu hängig. Ausserdem würde es sicher helfen, wenn die Ausgleichskassen proaktiver dazu informieren. Am Ende des Tages wird aber das nicht reichen, das Problem der Altersarmut, besonders von Frauen, zu lösen:
⇒ Jetzt lesen: «Die AHV müsste die Existenz sichern können»
Nesthocker: Junge leben länger bei den Eltern als vor 20 Jahren
Darum gehts: Junge Menschen bleiben länger in ihrem Elternhaus wohnhaft. So ist bei den heutigen 20-Jährigen erst rund ein Fünftel ausgezogen. Bei den älteren Jahrgängen war in diesem Alter schon rund ein Drittel von zu Hause weg. Das zeigen neue Zahlen, die das Bundesamt für Statistik diese Woche veröffentlicht hat.
Warum das wichtig ist: Viele junge Menschen, die noch bei den Eltern wohnen, verdienen bereits ihr eigenes Geld. Es stellt sich die Frage, welche Rechnungen sie selbst bezahlen und welche Aufgaben sie im Haushalt übernehmen – und ob sie etwas für Kost und Logis abgeben müssen. Dieser Übergang von der klassischen Eltern-Kind-Beziehung zur gleichberechtigten Erwachsenen-WG ist für viele herausfordernd.
Das sagt der Beobachter: Wenn sich der Nachwuchs noch in einer Erstausbildung befindet, müssen die Eltern ihn finanziell unterstützen. Zumindest dann, wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht, um allein für sich aufzukommen. Dennoch können sie einen angemessenen Beitrag für den Unterhalt verlangen. Wenn die Erstausbildung abgeschlossen ist, müssen die Jungen grundsätzlich für sich selbst sorgen. Dann gilt bezüglich Wohnen, was man miteinander abmacht – vergleichbar mit Mitbewohnern in einer WG
⇒ Jetzt lesen: So klappts mit der Eltern-Kind-WG
Das Zitat der Woche
«Rechtswidrige Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten» heisst die Medienmitteilung des Bundesverwaltungsgerichts. Nicht gerade schlagzeilentauglich. Dahinter verbirgt sich aber ein Rechtsstreit, der für die Schweiz, ihre letzte Grossbank und die Steuerzahler zum Desaster werden könnte. Maximal verkürzt: Als die Credit Suisse unterging, entschieden Bundesrat und Firma, dass CS-Gläubiger mit AT1-Darlehen leer ausgehen würden. Die liessen sich das nicht gefallen. Und haben diese Woche einen grossen Etappensieg erreicht.
«[Es lag] ein schwerwiegender Eingriff in die Eigentumsrechte der Anleihensgläubiger vor, der nur auf einer klaren und formellen gesetzlichen Grundlage hätte abgestützt werden dürfen. Eine solche Grundlage bestand jedoch nicht.» – Bundesverwaltungsgericht
Das Gericht sagt im Wesentlichen: Die Behörden haben willkürlich gehandelt – ohne stichhaltige Argumente und ohne Rechtsgrundlage. Ein Scherbenhaufen! Wenn UBS oder Steuerzahler diese Gläubiger nun doch auszahlen müssten, könnte das Milliarden kosten. Ob es so kommt, ist noch unklar. Als Nächstes wird sich das Bundesgericht damit befassen. Und dann müsste auch noch geklärt werden, ob und wie die Rückabwicklung genau läuft. Streitsumme: 16,5 Milliarden Franken.
Ausserdem
Auch sonst war diese Woche einiges los. Das hier war ebenfalls wichtig:
- Die Zahl der Gesuche um Kostenübernahme für Abnehmspritzen setzt die Krankenkassen zunehmend unter Druck. Etwa weil die Prüfung der Kriterien für die Kostenübernahme sehr viel Zeit beansprucht. Das Bundesamt für Gesundheit prüft nun, ob die Kriterien «präzisiert» werden könnten, ohne die Bedingungen aufzuweichen.
- An der Urne soll entschieden werden, ob die Schweiz Palästina als unabhängigen und souveränen Staat anerkennt. Das will eine neue Volksinitiative, für die ein Komitee von Parlamentarierinnen der SP und der Grünen nun Unterschriften sammelt.
- Weist ein Land Asylsuchende ab, soll der Entscheid neu europaweit gelten. Mehr Menschen mit negativem Asylentscheid sollen den Schengen-Raum effektiv verlassen. Die Schweiz will am jetzigen System festhalten und selber entscheiden, welche EU-Ausschaffungsentscheide sie umsetzen will.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Oliver Fuchs, Peter Johannes Meier und Norina Meyer.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.