Dieser Beitrag ist Teil unserer Artikelserie «Was 2020 sonst noch geschah – 12 Geschichten über erfreuliche Entwicklungen». Alle Artikel der Serie finden Sie am Ende dieses Artikels oder hier.

Tobias Joos ging ein Licht auf, als er in Indien inmitten eines üppigen Waldes zwischen Zimt- und Muskatnussbäumen, Kakaopflanzen und Gemüsebeeten stand. Ökologische Anbausysteme mit Mischkulturen gibt es seit jeher. Aber direkte Vertriebskanäle zu Kunden – das ist es, was vielen Kleinbäuerinnen fehlt.

«Egal, ob in Indien, Peru oder der Schweiz, alle Betriebe mit solchen Methoden kämpfen mit dem gleichen Problem», sagt der 37-jährige Zürcher, der zuvor im Grosshandel tätig war. Die Mechanismen des Weltmarkts verhinderten, dass es die breite Produktepalette der Kleinbauern bis in die Ladenregale schafft. Dort zählen standardisierte Produkte in grossen Mengen zu kleinen Preisen.

Das wollen Tobias Joos und seine Mitstreiterinnen mit Crowd Container korrigieren. Kundinnen können sich gegen Vorauszahlung an Sammelbestellungen aus dem In- und Ausland beteiligen, zum Beispiel von Passata aus alten Tomatensorten der Kooperative Valdibella aus Sizilien. Valdibella ist seit der Gründung vor vier Jahren ein wichtiger Partner.

«Wir bauen in Sizilien einen mehrstöckigen Agroforst auf, die Kombination von Ackerbau und Forstwirtschaft. Damit erfüllt sich ein gemeinsamer Traum.»

Tobias Joos, Crowd Container

Crowd Container hat seither in der Schweiz eine stabile Basis aufgebaut – mit zuverlässigen Mitinhaberinnen, Angestellten und einem treuen Kundenstamm. Ermutigt von ihrem Erfolg, wagten die Partner diesen Herbst den Schritt in ein langfristiges Projekt: «Wir bauen in Sizilien einen mehrstöckigen Agroforst auf, die Kombination von Ackerbau und Forstwirtschaft. Damit erfüllt sich ein gemeinsamer Traum», sagt Joos.

Der Anbau von Valdibella ist zwar biologisch und vielfältig – doch der Boden leidet immer noch darunter, dass in den Fünfzigerjahren die Waldgärten der Grosseltern einträglicheren Kulturen weichen mussten. Das will die Kooperative zusammen mit Joos rückgängig machen. Den Agroforst planen auf Land, das die Gemeinde der Mafia enteignet hat. Mit Crowdfunding hat Crowd Container nun über 60'000 Franken für Setzlinge und Material gesammelt.

Mehrjährige Mischkulturen bieten grosse Vorteile: Sie verbrauchen weniger Wasser, steigern den Ertrag, binden im Boden mehr CO2 und fördern die Biodiversität. Doch sie sind im Unterhalt aufwendiger als Monokulturen – nur schon, weil man zum Ernten nicht einfach mit einem Mähdrescher durchrasen kann.

«Unser Preis ist etwas höher, dafür sind die Produkte hochwertig. Die Kundschaft schätzt es, wenn sie weiss, woher genau ihr Gemüse kommt», sagt Joos. Damit sich der Aufwand für die Produzenten auszahlt, erhalten sie das 2,7-Fache des üblichen Marktpreises und können gewinnbringend wirtschaften.

Eine mögliche Lösung

Die Vision von Tobias Joos geht weit über das Projekt in Valdibella hinaus. Wissenschaftlerinnen schätzen, dass bis in 60 Jahren die gesamte fruchtbare Biomasse weltweit weggespült sein könnte – falls wir im gleichen Stil mit Monokulturen weitermachen. Der Waldgarten in Sizilien soll aufzeigen, dass auch ökologische Landwirtschaft rentieren kann.

Genau das ist der Grund, warum Crowd Container das Projekt wissenschaftlich eng begleiten lassen will. «Es soll ein Modell entstehen, das leicht nachgeahmt und kopiert werden kann. Wir erhoffen uns eine Strahlkraft, die den dringend nötigen Systemwechsel in der Landwirtschaft einleitet.»

Artikelserie: «Was 2020 sonst noch geschah»
Beobachter-Titelgeschichte: Was 2020 sonst noch geschah
Quelle: Beobachter

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