Sechs mutige Taten – welche wollen Sie ehren?
Wir haben Ihnen in den letzten Wochen beherzte Menschen vorgestellt. Jetzt sind Sie dran: Wer soll den Beobachter Prix Courage 2025 erhalten? Stimmen Sie ab!
Veröffentlicht am 26. September 2025 - 16:59 Uhr
Prix Courage 2025: Das sind die Nominierten.
Redon Cacaj und Kevin Kieffer retteten Verletzte aus einem Postauto
Nominiert für den Prix Courage 2025: Kevin Kieffer (links) und Redon Cacaj
Das Drama ereignete sich an einem nebelverhangenen Novembermorgen bei Koblenz AG. Ein junger Autofahrer geriet, vermutlich wegen übersetzter Geschwindigkeit, auf die Gegenfahrbahn und krachte frontal in ein entgegenkommendes Postauto.
Durch den Aufprall stürzte der zwölf Tonnen schwere Bus eine steile Böschung hinunter und blieb auf der Seite liegen.
Redon Cacaj, 19, und Kevin Kieffer, 29, waren an diesem Morgen zu einer Baustelle unterwegs, als sie den schwer beschädigten Personenwagen entdeckten. Während andere Autofahrer die Unfallstelle einfach passierten, hielten sie an und schauten nach. Im Unfallauto fanden sie den blutüberströmten und eingeklemmten Autofahrer. Mit einem Teppichmesser konnten sie ihn aus dem Sicherheitsgurt befreien.
Daraufhin entdeckte Kevin das abgestürzte Postauto. Mit Spanngurten sicherten sich die Handwerker und stiegen die Böschung hinab, schlugen eine Scheibe des Busses ein und befreiten die eingeschlossenen Kinder und Erwachsenen. Insgesamt retteten sie neun Personen. Den Busfahrer, dessen Fuss eingeklemmt war und blutete, beruhigten sie und leisteten Erste Hilfe, bis die Feuerwehr eintraf.
Die beiden Männer zeigten Zivilcourage, indem sie genauer hinschauten, wo andere einfach weiterfuhren. Sie sind heute glücklich darüber, in einem entscheidenden Moment das Richtige getan zu haben. Das Erlebnis wirkte nachhaltig auf Kevin – er engagiert sich nun in der freiwilligen Feuerwehr.
Das Porträt von Redon Cacaj und Kevin Kieffer mit Podcast und Video finden Sie hier. Und hier können Sie abstimmen.
Jorge Pereira deckte Missstände am Tierspital auf
Nominiert für den Prix Courage 2025: Jorge Pereira
Jorge Pereira erträgt es nicht, wenn Lebewesen schlecht behandelt werden. Doch mutmasslich genau das beobachtete der 55-jährige Portugiese bei seiner Arbeit als Pflegehelfer in der Kleintierklinik des Universitären Tierspitals Zürich: «Es gab verdreckte Boxen, die nicht sauber geputzt wurden, verschimmeltes Essen, Blut am Boden, das nicht aufgewischt wurde, offene Wunden und schmutzige Verbände.»
Belastet hat ihn auch die schlechte Arbeitsmoral. Viele hätten nur das getan, was minimal nötig war, sagt Pereira. «Betroffen sind Lebewesen, die sich nicht wehren können. Nur darum ist es überhaupt möglich, sie so zu behandeln.»
Das wollte er ändern. Nachdem er intern monatelang kein Gehör gefunden hatte, spielte er dem Beobachter heimlich mit dem Handy aufgenommene Bilder und Videos zu.
Die Enthüllung sorgte für Aufruhr. Im vergangenen Dezember verabschiedete der Zürcher Kantonsrat einen Vorstoss, der den Regierungsrat zum Handeln aufforderte. Noch immer ist die Aufarbeitung nicht abgeschlossen.
Jorge Pereira musste sein Whistleblowing teuer bezahlen. Der Familienvater wurde entlassen und arbeitet nun als Reinigungskraft. Pereira hofft, dass seine Prix-Courage-Nomination dazu beiträgt, die Zustände im Tierspital weiter zu verbessern.
Das Porträt von Jorge Pereira mit Podcast und Video finden Sie hier. Und hier können Sie abstimmen.
Mahbube Ibrahimi kämpft für Mädchenbildung in Afghanistan
Nominiert für den Prix Courage 2025: Mahbube Ibrahimi
Mahbube Ibrahimi war ein Baby, als Extremisten auf ihren Vater schossen. Die Familie flüchtete in den Iran und lebte 15 Jahre in Sicherheit – bis alte Feinde zurückkehrten. Die Flucht führte weiter in die Türkei, dann nach Griechenland. Mit 16 Jahren reiste Mahbube alleine in die Schweiz.
Hier wollte sie neue Wurzeln schlagen, doch im Durchgangszentrum fiel ihr das Ankommen schwer. Psychisch war sie an einem Tiefpunkt – und doch lernte sie über Youtube Deutsch.
Über ein Förderprogramm kam sie ans Gymi und fand langsam Anschluss. Schrieb, malte, schloss Freundschaften. Nebenbei unterrichtete sie zwei Mädchen im fernen Afghanistan übers Handy.
Bald wurden es mehr, und Mahbube Ibrahimi gründete «Wild Flower», eine Onlineschule für junge Afghaninnen. Sie lernen im Verborgenen, über Whatsapp oder Zoom. In kleinen Gruppen, möglichst unauffällig. Denn seit der Machtübernahme durch die Taliban dürfen über zwei Millionen Mädchen nur noch bis zur siebten Klasse zur Schule.
2024 gewann das Projekt den Young-Caritas-Award, seither wächst es. «Wir öffnen ein Fenster zur Welt», sagt Mahbube Ibrahimi. Ihre nächsten Pläne: Medizin studieren, Herzchirurgin werden, Hoffnung weitergeben.
Das Porträt von Mahbube Ibrahimi mit Podcast und Video finden Sie hier. Und hier können Sie abstimmen.
Ladina Christoffel zog die Notbremse für Patientinnen und Personal
Nominiert für den Prix Courage 2025: Ladina Christoffel
Ladina Christoffel kann nicht einfach schweigen, wenn Missstände unter dem Deckel gehalten werden. «Ich muss raus mit Dingen, die ich als ungerecht empfinde», beschreibt die 50-Jährige einen ihrer Charakterzüge.
Die problematischen Arbeitsbedingungen am Spital Oberengadin waren offensichtlich. Fehlende personelle Ressourcen führten zu systematischen Verstössen gegen das Arbeitsgesetz. Besonders während Bereitschaftsdiensten sah Christoffel die Patientensicherheit in Gefahr.
Mitte 2023 konnte die Chefärztin der Frauenklinik diese Zustände nicht länger mitverantworten und kündigte. Für das Wohl der Patientinnen und Angestellten liess sie es dabei aber nicht bewenden: Christoffel machte die Hintergründe ihres Abgangs öffentlich – ein Weckruf.
Die Gründung der Interessengemeinschaft IG Pro Medico Plus sorgte für die nötige Wucht, um Verbesserungen herbeizuführen. Im Oberengadin zeigt der organisierte Protest – eine Seltenheit in der hierarchischen Spitallandschaft – erste Wirkung: Zusätzliche Stellen wurden gesprochen, es entstanden eine Personalkommission sowie eine externe Meldestelle.
Ladina Christoffel engagiert sich bis heute in der IG. Denn die Arbeit ist noch längst nicht getan: «Es braucht bessere Strukturen im Gesundheitsbereich.»
Das Porträt von Ladina Christoffel mit Podcast und Video finden Sie hier. Und hier können Sie abstimmen.
Danica Zurbriggen Lehner legte Männer-Seilschaften offen
Nominiert für den Prix Courage 2025: Danica Zurbriggen Lehner
Als Yannick Buttet, früherer Nationalrat der CVP (heute Die Mitte), im Sommer 2024 zum Präsidenten der Walliser Tourismuskammer gewählt wurde, sagte sich die Zermatterin Danica Zurbriggen Lehner: «Das kann es ja nicht sein.»
Denn Yannick Buttet, 48, ist nicht irgendwer. Er war sieben Jahre lang Nationalrat – bis er im Dezember 2017 wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung zurücktrat. Ein halbes Jahr später wurde er wegen Nötigung seiner Ex-Freundin verurteilt. Im November 2021 folgte die zweite Verurteilung, diesmal wegen sexueller Belästigung. Angezeigt hatte ihn eine FDP-Lokalpolitikerin.
Als Präsident der Tourismuskammer wurde Buttet nun indirekt Chef jener Frau, die ihn angezeigt hatte. Danica Zurbriggen machte ihre Kritik in einem Leserbrief und in den sozialen Medien öffentlich. «Buttet lässt jegliche Lernkurve vermissen», schrieb sie. «Keine Anzeichen von Reue oder Wiedergutmachung.»
Darauf griffen nationale Medien den Fall auf, in den sozialen Medien formierte sich eine Welle der Empörung. Aktivistinnen lancierten eine Onlinepetition. Schliesslich forderten über 10’000 Personen seinen Rücktritt.
Sechs Wochen nach seiner Wahl gab Yannick Buttet seinen Rückzug bekannt. Heute sagt Zurbriggen: «Die Verantwortlichen dieser Wahl meinten, sie könnten die Kritik einfach aussitzen. Sie nahmen uns nicht ernst, aber wir liessen nicht locker.»
Das Porträt von Danica Zurbriggen Lehner mit Podcast und Video finden Sie hier. Und hier können Sie abstimmen.
Kurt Erni wurde als Kind gequält – heute redet er über weibliche Gewalt
Nominiert für den Prix Courage 2025: Kurt Erni
Kurt Erni, ein 76-jähriger Zürcher, wurde als Kind von seiner Mutter schwer misshandelt. Er erlitt Verbrennungen, musste Schläge und psychische sowie sexuelle Gewalt erdulden. Als junger Mann liess er sich bewusst unterbinden, um die Gewaltspirale in seiner Familie zu durchbrechen.
Trotz allem gelang ihm eine erfolgreiche Karriere bei der Polizei und später als Chef des Stadtzürcher Bestattungs- und Friedhofamts. Erst mit 50 Jahren holten ihn die Kindheitstraumata ein.
Nach einem schweren Zusammenbruch und mehreren Aufenthalten in der psychiatrischen Klinik wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Er wurde endlich angemessen behandelt.
Mit seinem Buch «Vom Nichts zum Ich» und dem Gang an die Öffentlichkeit bricht Erni das Tabu weiblicher Gewalt und verarbeitet seine Erlebnisse. Er will zeigen, dass auch Mütter Täterinnen sein können. Seine Partnerin Therese war ihm immer eine wichtige Stütze.
Erni appelliert an die Gesellschaft, bei Gewalt gegen Kinder genau hinzusehen.
Das Porträt von Kurt Erni mit Podcast und Video finden Sie hier. Und hier können Sie abstimmen.