Wie der Beobachter die Welt ein bisschen besser machte
Der Beobachter deckt auf, kritisiert, bleibt dran, regt an: zehn Beispiele, wie wir 2025 mit unserer journalistischen Arbeit Wirkung erzielt haben.
Veröffentlicht am 31. Dezember 2025 - 06:00 Uhr

Zehn Menschen, zehn Geschichten aus diesem Jahr, die in Erinnerung bleiben.
Zugegeben: Insgesamt war 2025 kein gutes Jahr. Vordergründig dominierten Krisen und Konflikte das Weltgeschehen. Um Dinge zu erkennen, die sich zum Guten entwickelten, musste man schon hinter die Kulisse der grossen Bühne schauen.
Und siehe da: In unserer kleinen Schweizer Welt bekam eine Frau nach langem Kampf recht vor dem höchsten Gericht. Wurde ein Mann davor bewahrt, ungerechtfertigterweise Arbeitslosengelder zurückzahlen zu müssen. Erhielten Menschen Genugtuung für früher erlittenes Leid. Und Politik und Behörden gingen gegen Missstände vor, die längst hätten behoben werden müssen.
Hinter diesen Erfolgsmeldungen steht die journalistische Arbeit des Beobachters. Eine Auswahl unserer Geschichten, die Wirkung erzielten – und die Welt ein klein bisschen besser machten.
- Besserer Opferschutz
- Die Tierspital-Recherche
- Der 20-Millionen-Franken-Brief
- Afghane darf Lehre beenden
- Witwe erhält Ergänzungsleistungen
- Säntis-Brunch fand doch noch statt
- Wiedergutmachung für Adoptionsopfer
- Der Casinoaufsicht Beine gemacht
- Arbeitslosenkasse räumt Fehler ein
- Opernsängerin hilft Whistleblower
Besserer Opferschutz
2007 wurde Nicole Dill Opfer eines schweren Gewaltverbrechens. Ihr Partner folterte die damals 38-jährige Frau während Stunden, sie überlebte nur knapp. Später zeigte sich: Die Tat war ein Lehrstück von verpasstem Opferschutz. Denn was Dill nicht wusste, war einem Netz von Leuten bekannt: Der Täter war ein früher verurteilter Mörder, von dem grosse Rückfallgefahr ausging. Doch Polizei und Ärzte versteckten sich hinter Amtsgeheimnis und Datenschutz.
Dagegen wehrte sich Nicole Dill mit einer Staatshaftungsklage, blitzte jedoch bis vor Bundesgericht ab. Klein beigeben? Kein Thema. Und ihr langer Kampf sollte sich lohnen. Anfang April rügte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Schweiz für ihre tragischen Versäumnisse.
Der Beobachter hatte zuerst über die Hintergründe der Gewalttat berichtet und Nicole Dills Anliegen immer wieder thematisiert: Opfer müssen in der Schweiz besser geschützt werden.

«Es kann nicht sein, dass der Täterschutz über das Leben eines möglichen Opfers gestellt wird», sagte Nicole Dill.
Die Tierspital-Recherche
Im November 2024 enthüllte der Beobachter gravierende Missstände am Zürcher Tierspital. Heimlich aufgenommene Bilder und Videos aus dem Innern der Kleintierklinik sowie interne Unterlagen dokumentierten mutmasslich tierschutzwidrige Bedingungen für verletzte Hunde und Katzen. Mehr als 4000 Menschen unterzeichneten daraufhin eine Onlinepetition zur «Verbesserung der Zustände im Zürcher Tierspital». Das Spital versprach daraufhin Anpassungen der internen Arbeitsprozesse.
Der Whistleblower hingegen, Jorge Pereira, musste sein Engagement teuer bezahlen. Der Familienvater wurde entlassen und arbeitet nun als Reinigungskraft. Er war für den diesjährigen Prix Courage des Beobachters nominiert und kämpft bis heute juristisch um Genugtuung.

Die Zustände am Tierspital sorgten für Entsetzen.
Der 20-Millionen-Franken-Brief
Andrea Ludwig wollte nicht aufgeben. Als Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen kämpfte sie für eine gerechte Wiedergutmachung. Denn nur aufgrund ihres früheren Wohnorts erhält sie heute 25’000 Franken weniger an Solidaritätsbeiträgen als Betroffene aus dem Kanton Schaffhausen oder aus der Stadt Zürich. Der Beobachter lancierte deshalb gemeinsam mit Ludwig eine Briefaktion. Die Briefe gingen an Zürcher Kantonsräte, um auf die Ungleichbehandlung aufmerksam zu machen.
Einer der Briefe erreichte eine Politikerin, die Engagement zeigte. Kantonsrätin Lisa Letnansky reichte einen Vorstoss ein, der zum entscheidenden Durchbruch führte: Der Zürcher Kantonsrat hat kurz vor Weihnachten den Rahmenkredit dafür gesprochen. Alle Zürcher Opfer sollen ab 2026 kantonale Solidaritätsbeiträge von je 25’000 Franken erhalten, insgesamt rund 20 Millionen Franken.

Die Betroffenen haben sich gewehrt: Elisabeth Am Rhein, Daniela Gianola, Roland Rüedi, Manuela Betschart, Viola Gloor, Françoise (von hinten), Andrea Ludwig, Eugen Stampfli, Theresa Rohr, Renate Käser, Ivo Bamert (von links).
Afghane darf Lehre beenden
Im Frühjahr passte das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Asylpraxis für Afghanistan an. Wenn «begünstigende Faktoren» vorliegen, gilt für Geflüchtete eine Rückkehr als zumutbar. Auf Mohammad R., der seit bald fünf Jahren in der Region Winterthur lebt, trifft das nicht zu: Der 27-Jährige gehört der Volksgruppe der Hazara an, die im Talibanstaat besonders gefährdet ist.
Trotzdem erhielt R. im Mai unerfreuliche Post vom SEM: Seine vorläufige Aufnahme werde aufgehoben, er müsse zurück in die alte Heimat. Ein Schock für den Mann, der fliessend Deutsch spricht und eine Lehre als Metallbauer macht.
Ein Bericht im Beobachter brachte Bewegung in die Sache. Das SEM prüfte den Fall noch einmal vertieft – und änderte seine Einschätzung. Mohammad R. darf nun bis mindestens August 2026 in der Schweiz bleiben – so lange, wie seine Lehre dauert.

«Ich möchte der Schweiz etwas zurückgeben, etwas leisten», sagte Mohammad R. gegenüber dem Beobachter.
Witwe erhält Ergänzungsleistungen
Fünf Jahre kämpfte eine Witwe in der reichen Zürichseegemeinde Küsnacht um ihren Anspruch auf Ergänzungsleistungen zur AHV. Doch selbst nach ihrem Sieg vor dem Bundesgericht floss kein Geld: Die Gemeinde liess wochenlang nichts von sich hören und startete dann erneut Abklärungen, um die Leistungshöhe zu berechnen.
Erst als der Beobachter die Gemeinde mit dem Fall konfrontierte, erfolgte innert weniger Arbeitstage zumindest eine Teilauszahlung.
Das kantonale Sozialamt gab später einer Aufsichtsbeschwerde gegen die Gemeinde teilweise recht. Küsnacht hätte nach dem Bundesgerichtsurteil die Ergänzungsleistungen zumindest teilweise umgehend auszahlen müssen. Einzelne Abklärungen seien unverhältnismässig gewesen, «die Verfahrensführung der Gemeinde Küsnacht in diesem Fall war teilweise fehlerbehaftet».

Mehr als fünf Jahre lang zahlte die Zürcher Goldküstengemeinde Küsnacht der Witwe keine Ergänzungsleistungen aus.
Säntis-Brunch fand doch noch statt
Beat und Claude Merki hatten den Brunch auf dem Säntis bereits bezahlt. Früh am 17. August reisten sie per Auto an und wurden dort vom Schwägalp-Schwingfest überrascht. Der Parkplatz war deswegen voll und der Shuttlebus zur Bahnstation für Beat Merki zu weit weg. Er leidet an einer chronischen Lungenkrankheit.
Die Bitte, den Brunch zu stornieren, wurde vom Restaurant der Bergbahn unschön abgewiesen. Enttäuscht fuhr das Ehepaar wieder nach Hause: Geld weg und ums Erlebnis geprellt.
Die Merkis wandten sich an den Beobachter. Rechtlich war der Fall klar, die Bahn hatte korrekt gehandelt. Doch auf Nachfrage zeigte sie sich kulant und entschuldigte sich. Die Merkis durften an einem anderen Datum nochmals anreisen und ihren Gipfel-Zmorge doch noch geniessen.

Die Bahnstation war wegen des Schwingfests nicht erreichbar. Pech gehabt? Nein – dank dem Beobachter.
Wiedergutmachung für Adoptionsopfer
Im März erzählte der Beobachter die bewegende Lebensgeschichte von Christiane Weideli: wie sie nach der Geburt in Zürich ihrer Mutter weggenommen und mit Wissen der Behörde von der Adoptionsvermittlerin Alice Honegger nach Peru vermittelt wurde.
Platziert wurde das Baby dort bei einer schweizerisch-belgischen Familie. Rechtlich wurde die Adoption nie vollzogen, denn das Ehepaar gab das Kind als sein eigenes aus. Es wurde von den neuen Eltern jahrelang körperlich misshandelt und vom Adoptionsvater sexuell missbraucht. Von ihren Schweizer Wurzeln erfuhr Weideli erst im Erwachsenenalter.
Die Berichterstattung sorgte für etwas Gerechtigkeit. Christiane Weideli erhielt eine Wiedergutmachung – sowohl der Bund als auch die Stadt Zürich zahlten ihr für das erlittene Unrecht je 25’000 Franken. 64 Jahre nach ihrer Geburt kann sich die Frau mit der Schweiz versöhnen.

Christiane Weideli wurde in Zürich geboren – und unter neuer Identität zu neuen Eltern nach Peru verfrachtet. Dann ging sie durch die Hölle.
Der Casinoaufsicht Beine gemacht
Anfang Juni veröffentlichte der Beobachter die bislang geheimen Schutzkonzepte des Grand Casinos Baden. Die Verschwiegenheit hatte einen Grund: Die Konzepte offenbarten gravierende Mängel im Spielerschutz. So konnte eine Pflegerin ihren ganzen Jahreslohn verspielen, ohne dass sie gesperrt wurde. Gar ein Tagesverlust von 24’000 Franken war möglich.
Der Artikel weckte auch die Aufsichtsbehörde aus ihrem offensichtlichen Tiefschlaf. Die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) hatte die fragwürdigen Konzepte bewilligt, untersucht nun aber den Fall genauer und hat interne Dokumente beim Casino Baden herausverlangt. Die Berichterstattung befeuerte zudem die Debatte um Schwellenwerte im Glücksspielgesetz: Eine Nationalrätin fordert verbindliche Richtlinien zur Festsetzung dieser Obergrenzen, bei deren Überschreitung automatisch Spielsperren ausgelöst werden.

Das Grand Casino Baden liess eine Frau ihren ganzen Jahreslohn verspielen. Nach der Beobachter-Recherche ermittelt die Aufsichtsbehörde und stellt sich der Kritik.
Arbeitslosenkasse räumt Fehler ein
Statt bis zu seiner baldigen Pensionierung Taggelder der Arbeitslosenkasse zu beziehen, arbeitete ein Mann aus dem Kanton Schwyz temporär für eine Nahrungsmittelfirma. Weil er nur in Teilzeit beschäftigt war, zahlte ihm die Kasse die Differenz zu seinem versicherten Lohn. Dieses Geld forderte sie später plötzlich zurück – insgesamt 16’000 Franken.
Der Grund: Obwohl mündlich abgemacht war, dass er nur nach Bedarf einspringt, war im Arbeitsvertrag des Mannes eine 40-Stunden-Woche festgelegt. Die Kasse fand, der Mann hätte seine Arbeitskraft in diesem Ausmass anbieten und den vollen Lohn einfordern müssen.
Nach der Anfrage des Beobachters entdeckte man bei der Arbeitslosenkasse den Fehler: Man räumte ein, den Mann nie darüber informiert zu haben, dass er die vertragliche Arbeitszeit hätte einfordern müssen. Die happige Rückforderung wurde prompt aufgehoben.

Als AHV-Bezüger könne er die Rückzahlung nicht stemmen, sagte Beobachter-Leser Franco Antonini.
Opernsängerin hilft Whistleblower
Adam Quadroni deckte illegale Preisabsprachen im Unterengadiner Baugewerbe auf. Dafür wurde er 2018 für den Prix Courage des Beobachters nominiert. Doch in seiner Heimat gilt er als Nestbeschmutzer und wird bis heute sozial und beruflich ausgegrenzt. Dieses Jahr nun hätten gar sein Haus und seine Jagdhütte zwangsversteigert werden sollen.
Doch die bekannte Opernsängerin Marion Ammann, die durch den Beobachter auf den Whistleblower aufmerksam geworden war, wehrte sich. «Es war klar für mich, dass Adam Quadroni es nicht verkraftet hätte, wenn man ihm auch das Letzte noch genommen hätte: sein Haus, das er selbst gebaut hat», sagte sie. Ammann nahm Hypotheken auf und sammelte zinslose Darlehen von rund zehn Personen, um das Haus zu kaufen – und Adam Quadroni weiter darin leben zu lassen.

«Whistleblower müssen endlich besser geschützt werden», sagte Marion Ammann gegenüber dem Beobachter.
So half die Beobachter-Hotline
Mit über 26’000 Anliegen wandten sich Ratsuchende dieses Jahr (Stand Mitte November) per Telefon oder Mail ans Beobachter-Beratungszentrum. Die zahlreichen Nachfragen zu bestehenden Fällen sind dabei nicht mitgezählt. Insgesamt decken rund 30 Beraterinnen und Berater fast alle Rechtsgebiete ab.
Rund 5500 Anfragen gingen allein zum Thema Wohnen ein – der gefragteste Bereich. Bei mehr als der Hälfte davon ging es um Rechte und Pflichten von Mieter und Vermieterin oder um Mängel. An zweiter Stelle folgte mit knapp 4800 Beratungen der Bereich Konsum. Im Zentrum standen dabei Fragen zu Kaufverträgen, vor allem bei Onlinebestellungen. Schulden und Betreibungen, Handwerkerleistungen oder Streitigkeiten mit Telekomanbietern sorgten für je rund 500 Anfragen.
Über 3500 Anliegen bearbeitete der Fachbereich Familienrecht. Thema Nummer eins mit rund 2200 Fragen: das Erbrecht. Etwa 3100 Anfragen erreichten die Hotline zum Bereich Arbeit, am häufigsten zu reden gaben hier Kündigungen.
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