Das war diese Woche richtig wichtig
Wurde die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher? Und wo gings rückwärts? Der Überblick des Beobachters für die Woche vom 29. September 2025
Liebe Leserinnen und Leser
Willkommen zu «Das war richtig wichtig». Hier ordnen wir immer freitags die wichtigsten Nachrichten der vergangenen Woche für Sie ein. Vorab zwei Nachträge zu den Abstimmungen vom vergangenen Sonntag: Die E-ID wurde angenommen. Hier erfahren Sie, was genau das für Sie bedeutet. Und der Eigenmietwert wird abgeschafft. Hier steht, was jetzt die Folgen für Mieter und Eigentümerinnen sind.
Die Themen diesmal:
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Inklusion: Wie der Bundesrat Menschen mit Behinderung abspeisen will
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Klima: Das Leben in Europa droht sich fundamental zu verändern
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Gesundheitskosten: Geheime Preisdaten bestätigen Kritik des Beobachters
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Und das Zitat der Woche verspricht Risiken und Nebenwirkungen
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Inklusion: Wie der Bundesrat Menschen mit Behinderung abspeisen will
Darum gehts: Der Bundesrat hat den indirekten Gegenvorschlag zur Inklusionsinitiative in die Vernehmlassung geschickt. Diese dauert noch bis zum 16. Oktober. Der Entwurf enthält zwar allgemeine Grundsätze, aber es fehlen konkrete Rechte, verbindliche Umsetzungsstrategien und ein inklusiver Geltungsbereich. Deshalb kritisieren ihn die Behindertenorganisationen scharf und werfen dem Bundesrat Verwässerung vor.
Warum das wichtig ist: Mit gut 108’000 Unterschriften kam die Inklusionsinitiative im September 2024 zustande. Die Schweiz hat zwar 2014 die Uno-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, erfüllt aber noch längst nicht alle Kriterien. Das ist äusserst stossend für die rund 1,9 Millionen Betroffenen in der Schweiz – und für alle anderen auch. Mit der Umsetzung der Inklusionsinitiative erhofften sich die Initianten eine Verbesserung. Nun droht das Gegenteil.
Das sagt der Beobachter: Der mutlose Gegenvorschlag verfehlt die Ziele der Inklusionsinitiative. Die wichtigsten Forderungen der Initiative – das selbstbestimmte Wohnen und angemessene Assistenzleistungen – werden nicht umgesetzt. Der Entwurf verharrt in bestehenden Strukturen und fördert den Ausbau von Institutionen statt alternative Lebensformen. Das muss verbessert werden.
⇒ Jetzt lesen: «Ich werde dafür bestraft, dass ich behindert bin»
Über «Das war richtig wichtig»
Was hat die Schweiz diese Woche gerechter, transparenter, fortschrittlicher gemacht? Und wo gings eher rückwärts? Wo weiterlesen, wenn Sie es genauer wissen möchten? Wir liefern Ihnen immer freitagmittags drei bis vier wirklich wichtige Nachrichten – kompakt, verständlich und mit Haltung aufgeschrieben. Auch als E-Mail abonnierbar.
Klima: Das Leben in Europa droht sich fundamental zu verändern
Darum gehts: Die Europäische Umweltagentur warnt in einem neuen Bericht, dass Artensterben und Klimaerwärmung die wirtschaftliche Basis des Kontinents zerstören. Die Staaten hätten es versäumt, sich früh genug angemessen auf die häufigeren Exremwetterereignisse vorzubereiten, und in wichtigen Sektoren seien die Emissionen seit 2005 kaum zurückgegangen – etwa Nahrung und Transport. Die Folgen spürt auch die Schweiz.
Warum das wichtig ist: Die Konsequenzen der Klimaerwärmung werden immer deutlicher und immer teurer. Unwetter haben 2024 hierzulande so viele Todesopfer gefordert wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr. Die Schäden durch Unwetterkatastrophen beziffern sich auf 904 Millionen Franken – so viel wie seit 2005 nicht mehr. Gleichzeitig wird immer deutlicher: Die aktuelle Schweizer Klimastrategie scheitert. Im Inland sinken die Emissionen nicht schnell genug. Und bei der Kompensation im Ausland ist die Bilanz katastrophal.
Das sagt der Beobachter: Die Schweiz will einen Drittel ihrer CO₂-Einsparungen mit Projekten im Ausland realisieren. Nur kommen diese nicht voran. Wie unsere Recherche ergeben hat, sind gerade einmal 0,04 Prozent des Zielwerts bis 2030 erreicht.
⇒ Jetzt lesen: Die Politik des Bundes ist fahrlässig
Gesundheitskosten: Geheime Preisdaten bestätigen Kritik des Beobachters
Darum gehts: Vor gut einer Woche hat der Beobachter eine Petition lanciert, die sich gegen Verschwendung und Intransparenz im Gesundheitswesen richtet. Sie fordert, dass die Prämienzahler an den Verhandlungen zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern über Tarife und Preise beteiligt werden. Nun stützt eine Recherche der NZZ die zentrale Kritik, die in der Petition zum Ausdruck kommt.
Warum das wichtig ist: Auch im kommenden Jahr wird die Grundversicherung wieder teurer; im Schnitt um 4,4 Prozent. Dabei kommt eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit zum Schluss: Rund ein Fünftel der Kosten könnte eingespart werden, ohne dass die Gesundheitsversorgung sich spürbar verschlechtern würde. Ein Beispiel für massive Verschwendung lieferte am Montag die NZZ. Sie hat geheime Preisdaten ausgewertet und kann belegen, dass Schweizer Spitäler für Herzschrittmacher bis zu fünfmal so viel wie deutsche bezahlen – für exakt dieselben Geräte.
Das sagt der Beobachter: «Unser Gesundheitssystem ist ausser Kontrolle»: So betitelten wir vor einigen Tagen die Bilanz unseres Prämienticker-Rechercheprojekts. Offenbar sehen das viele Bürgerinnen und Bürger ebenso. Über 7000 Menschen haben die Petition bereits online unterschrieben, unser physisches Postfach ist rappelvoll mit ausgefüllten Unterschriftenbögen.
⇒ Mehr zur Petition lesen Sie hier: Prämienzahlende an den Verhandlungstisch!
Unterschriebene Petionsbögen im Beobachter-Postfach.
Das Zitat der Woche
Geniessen Sie die Ruhe vor dem Sturm. In der Schweiz dominieren gerade andere Themen als die EU. Nächstes Jahr wird sich das ändern. Dann geht die grosse Debatte über die Verträge los, die die Schweiz mit dem grossen Nachbarn über die künftigen Beziehungen ausgehandelt hat. Sie wird lang und laut werden. Besonders bei der Frage, was es genau bedeutet, dass die Schweiz künftig deutlich mehr EU-Recht übernehmen soll.
«Bei einer Volksabstimmung werden wir der EU vorher klar sagen, dass sie uns erklären muss, mit welchen Schritten von ihrer Seite her zu rechnen ist.» – Bundesrat Ignazio Cassis
Aussenminister Ignazio Cassis hat nun in einem Interview in der NZZ in Aussicht gestellt, dass es bei Volksabstimmungen künftig jeweils eine Art Beipackzettel geben könnte. Sprich: Steht eine Initiative in Konflikt mit EU-Recht (oder wird gegen eine Rechtsübernahme das Referendum ergriffen), wird die EU vorab sagen, was für Gegenmassnahmen sie ergreifen würde, wenn das Stimmvolk anders als gewünscht entscheidet. Wie gesagt: Geniessen Sie die Ruhe. Sie wird so schnell nicht wiederkommen.
Geschrieben haben diesen Überblick diesmal Maria-Rahel Cano, Oliver Fuchs und Birthe Homann.
Wir bleiben für Sie dran. Bis nächste Woche.