Beobachter: Wie kann man dem Herz eine Freude machen?
Matthias Wilhelm: Indem man sich bewegt. Das Herz ist sich gewohnt, dass es jeden Tag aus der Reserve gelockt wird. Der moderne Lebensstil begünstigt dies nicht. Mangelnde Bewegung ist daher eines der Hauptrisiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen Test Wie geht es Herz und Kreislauf? . Man muss keinen Marathon rennen, es reichen 30 Minuten Bewegung pro Tag.

 

Was sind die anderen Risiken?
Herzerkrankungen entstehen immer aus einer Kombination von Faktoren. Neben klassischen Risikofaktoren wie hohem Blutdruck, Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus und Rauchen können auch Lärmbelastung, Luftverschmutzung oder Schichtarbeit einen negativen Einfluss haben. Eine wichtige Rolle spielt dabei aber immer die genetische Voraussetzung.

 

Bei Sport, Aufregung oder Stress schlägt das Herz viel stärker. Ist das überhaupt gesund?
Rührt die Aufregung zum Beispiel von einem Vorstellungsgespräch oder einer sportlichen Aktivität her, ist es eine normale Reaktion. Das Herzklopfen ist der Ausdruck davon, dass der Körper aktiviert ist. Auch positiver Stress dank einer befriedigenden Arbeit ist nicht schädlich. Hingegen kann negativer Stress Stressbewältigung Guter Stress, schlechter Stress langfristig dem Herz schaden, aber eher indirekt über die damit verbundenen Verhaltensänderungen.

 

«Eine stressbedingte Blutdruckerhöhung bleibt oft lange unbemerkt, kann aber das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen.»

Matthias Wilhelm, Leiter Kardiologie, Universitätsspital Bern

 

Was passiert in einer Stresssituation im Körper?
Es gibt emotionalen Stress oder Stress, der mit körperlicher Anstrengung verbunden ist. Auf beides reagiert der Körper ähnlich Stress und Körpersymptome Körper im Alarmzustand : Er schüttet die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Das Herz reagiert, indem die Frequenz steigt, mehr Blut von der Herzkammer ausgeworfen und in die Hauptschlagader gepumpt wird. Das Resultat ist ein erhöhter Puls und Blutdruck.

 

Und das ist schädlich?
Wie der Körper reagiert, ist von Person zu Person unterschiedlich. Eine stressbedingte Blutdruckerhöhung Bluthochdruck Lautlose Gefahr bleibt oft lange unbemerkt, kann aber das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Einige Menschen, die stark unter Stress leiden oder sich in einem Burn-out befinden, haben eine Depression. Darauf reagieren viele mit einem Verhalten, das sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann: Man raucht vielleicht mehr, ernährt sich aus Zeitnot weniger gesund und bewegt sich weniger, treibt keinen Sport.

 

Welche Folgen kann das haben?
Dieses Verhalten begünstigt Übergewicht und Diabetes und erhöht damit das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem sind die Funktionen des autonomen Nervensystems bei Stress immer etwas erhöht. In der Folge kommt der Körper weniger zur Ruhe. Der höhere Blutdruck führt dazu, dass die Blutgefässe langfristig steifer werden und das Herz gegen einen höheren Druck arbeiten muss. Dafür ist es aber nicht gemacht. Der Herzmuskel verändert seine Struktur, wird dicker, kann sich nicht mehr entspannen. Bei ungünstigem Verlauf kann sich daraus eine Herzschwäche entwickeln.

 

In welchen Fällen kommt es zum Herzinfarkt?
Wenn die verschiedenen Risikofaktoren zu einer krankhaften Veränderung der Herzkranzgefässe geführt haben. Es bilden sich dann Ablagerungen, sogenannte Plaques, die einreissen können. Und an diesen Stellen bilden sich Blutgerinnsel, die das Herzkranzgefäss verstopfen können.

 

«Für manche Patienten ist der Herzinfarkt ein ‹Schuss vor den Bug›. Sie erkennen, was nicht gut gelaufen ist.»

Matthias Wilhelm, Kardiologe

 

Auch emotionaler Stress kann einen Herzinfarkt auslösen. Was passiert da genau?
Bei Patienten, die bereits Plaques in ihren Herzkranzgefässen haben, kann der Stress ein Einreissen und damit einen Herzinfarkt begünstigen. Gemäss einer Studie aus Deutschland wurden während der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft mehr Patienten mit Herzinfarkten ins Spital eingewiesen als in vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre. Ohne Fussballmatch hätten sie den Herzinfarkt möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt bekommen. Das Beispiel verdeutlicht aber den Einfluss von emotionalem Stress auf das unmittelbare Herzinfarktrisiko.

 

Mediterrane Ernährung Mediterrane Ernährung Abnehmen ohne Verbote und regelmässige Bewegung – warum ist es so schwierig, sich an diese Tipps zu halten?
Insbesondere wenn man sich gesund fühlt, denkt man nicht unbedingt an die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Nicht allen ist die Bedeutung von gesunder Ernährung Ernährung Alles Quatsch mit Sosse und regelmässiger Bewegung klar. Viele fühlen sich auch bevormundet, wenn man ihnen vorschreibt, was sie zu essen oder in ihrer Freizeit zu tun haben. Gesunde Ernährung wird häufig auch mit Verzicht auf beliebte Speisen in Verbindung gebracht. Aufklärungskampagnen müssen das besser berücksichtigen und die Leute von innen heraus zu einer Verhaltensänderung motivieren.

 

Sie behandeln Patienten, die einen Herzinfarkt hatten. Wie ist die Präventionsarbeit mit ihnen?
Für manche Herzinfarktpatienten ist das Ereignis «ein Schuss vor den Bug», der sie erkennen lässt, was nicht gut gelaufen ist und wo sie Prioritäten anders setzen müssen. In dieser Situation braucht es weniger Präventionsarbeit. Anderen fällt eine Verhaltensänderung schwerer. Insbesondere für Berufstätige ist eine Lebensstiländerung häufig schwer mit einem anspruchsvollen Berufsalltag in Einklang zu bringen. Stress bei der Arbeit lässt sich aber kaum nur am Wochenende oder durch eine Ferienreise kompensieren Kräftemanagement Ferien im Bett . Hier braucht es individuelle Lösungsansätze, die wir mit den Patienten besprechen. Wichtig ist dabei, sie nicht auf ihre Herzerkrankung zu reduzieren, sondern sie ganzheitlich in ihrem sozialen Umfeld zu sehen und zu beraten.

 

«Es ist sicherlich von Vorteil, bewusst zu leben, unnötigen Stress zu vermeiden.»

Matthias Wilhelm

 

Aber nicht alle reagieren gleich auf Stress?
Ja, das stimmt. Unter den klassischen Workaholics Work-Life-Balance Kluge suchen das Gleichgewicht gibt es einige, die ihr Leben lang 80 Stunden pro Woche gearbeitet haben und bis ins hohe Alter keinen Herzinfarkt erleiden. Dieser Stressresistenz liegt wahrscheinlich eine genetische Veranlagung zugrunde. Man kann sein genetisches Profil nicht verändern. Aber mit einem gesunden Lebensstil wird man jedes optimieren können.

 

Der Stress allein ist es also nicht?
Nein, aber Stress kann Mechanismen auslösen, die alle zusammen über eine lange Zeit der Gesundheit schaden. Es ist sicherlich von Vorteil, bewusst zu leben, unnötigen Stress zu vermeiden und eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu haben. Stress wirkt sich ja auch negativ auf die Lebensqualität aus. Das ist für die Menschen besser spürbar als das mögliche Risiko einer Herzerkrankung in ferner Zukunft.

zur Person

Prof. Dr. Matthias Wilhelm

Matthias Wilhelm ist Professor für Kardiologie und Leiter der Ambulanten und Präventiven Kardiologie und Sportmedizin am Inselspital, Universitätsspital Bern.

Quelle: ZVG
Wissen, was dem Körper guttut.
«Wissen, was dem Körper guttut.»
Chantal Hebeisen, Redaktorin
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